Von Christine Schick
MURRHARDT.Insofern macht die 27-Jährige aus Murrhardt allen, die mit einer Bewerbung liebäugeln, Mut, den Schritt zu wagen. Sie will die bisherigen Erfahrungen als Schwäbische Waldfee nicht missen.
Wenn Sie vor einigen Jahren jemandem begegnet wären, der Ihnen prophezeit hätte, dass sie einmal Waldfee werden, was hätten Sie gesagt?
Was ist das?
Stimmt, so lange gibt es das Amt noch gar nicht.
Ich bin ja die vierte Schwäbische Waldfee. Aber selbst, wenn man mir das vor einem Jahr gesagt hätte, hätte ich es nicht geglaubt. Als ich dabei war, die Bewerbung zu schreiben, hat sich das noch ziemlich weit weg angefühlt, und man muss ja auch gewählt werden.
Wie kam es zur Bewerbung?
Ich hab das Projekt die drei Jahre zuvor auch schon verfolgt und fand es eine nette Sache. In dieser Zeit hätte ich mich aber aufgrund meiner beruflichen Situation – ich war gerade in Weiterbildung – nicht bewerben können. Vor rund einem Jahr hat mich dann eine Freundin darauf angesprochen. Sonja, hat sie gesagt, die suchen doch ne neue Schwäbische Waldfee. Hättest du nicht Lust? Das würde doch absolut zu dir passen. Das war der letzte Schubs, den ich gebraucht hab, um die Bewerbung fertig zu machen und abzuschicken.
Bei der Wahl haben Sie von sich als Kind erzählt und berichtet, dass Sie jeden Baum hochgeklettert sind und Krebse in der Murr gefangen haben.
Letzteres nicht nur als Kind. Vor ein paar Jahren, also da war ich nicht fischen, aber mit meinem Hund Spike, ein Jack Russell, im Hochsommer ein Stück in der Murr unterwegs, und dann haben wir einen Flusskrebs entdeckt. Ich bin erst mal zu Tode erschrocken, als sich der Stein in Bewegung gesetzt hat. Man rechnet ja nicht damit, und mein Hund hat auch ganz dumm geguckt.
Jetzt könnte man sagen, für ein Fabelwesen ist das ein recht handfester Zugang, Bäume hochzuklettern und durch den Fluss zu waten. Oder würden Sie sagen, das war genau die richtige Voraussetzung für das spätere Leben als Fee?
Ja, ich denke schon. So, wie es gekommen ist, war es genau richtig. Wenn man ein Haus direkt am Waldrand hat, wenn man als Kind am Alleensee aufwächst, mit einem Spiel- und Grillplatz in der Nähe. Die Zeit dort möchte ich nicht missen.
Wie haben Sie das Amt erlebt? Gab es eine Situation, in der Sie sich wirklich feenhaft gefühlt haben?
Ja, es gab viele. Die schönsten Momente, in denen man sich wirklich wie eine echte Fee fühlt, sind, wenn man mit Kindern zusammen ist. Da gab’s auch ein ganz rührendes Erlebnis mit einem kleinen Mädchen am Finsterroter See. Das war Mitte September beim Naturerlebniscamp in Wüstenrot. Da kam ein Vater mit seiner Tochter zu mir. Sie war um die vier Jahre alt und sehr schüchtern. Über ihren Vater hat sie dann gefragt, ob sie mich umarmen darf, weil sie ja noch nie eine echte Fee umarmt hat. Sie hat mich so herzlich in die Arme geschlossen, wie ich es selten erlebt habe. Das war unglaublich, da musste ich richtig mit den Tränen kämpfen.
Das ist toll, wenn man Wünsche erfüllen kann.
Die Begegnung mit Kindern gehört zu den beeindruckendsten und schönsten Erlebnissen in diesem Jahr. Manchmal kommt dann auch die Frage, wo hast du deine Flügel?
Was sagen Sie dann?
Die sind unsichtbar!
Was werden Sie als Schwäbische Waldfee noch so gefragt?
Bist du ne echte Fee? Kannst du fliegen? Wohnst du wirklich im Wald? Und dann sag ich, natürlich kann ich fliegen, aber immer nur, wenn keine Menschen zugucken. Manchmal geb ich dann zu, dass ich auch ein ganz normales Bett hab. Und ich kann erzählen, dass ich fast im Wald wohne, in Murrhardt-Alm. Anders könnt ich mir es auch nicht vorstellen. In meiner Schulzeit in den USA hab ich gemerkt, was mir wirklich wichtig ist und viel bedeutet. Familie, Freunde, aber auch die Natur, die ich schätzen gelernt habe. Allein, wenn ich überlege, ich kann rausgehen und bin direkt am Alleensee mit einem Spielplatz, wo sich am Wochenende Familien treffen. In Oklahoma wird die Natur oft nicht genutzt, weil die Umstände auch anders sind. Zum einen ist vieles privatisiert, zum anderen gibt es giftige Tiere wie Skorpione, Schlangen oder Spinnen.
Was gehört neben den Begegnungen mit Kindern zu den schönsten Erlebnissen während der Amtszeit?
Boah, das ist so viel. Man muss beispielsweise lernen, viel alleine zu machen. Man wird gebucht für ein Event, und wenn man niemand kennt, ist da am Anfang eine gewisse Nervosität, die einem aber sofort genommen wird. Man hat das Kleid an, und die Leute kommen automatisch auf einen zu. Die freuen sich einfach, dass du da bist. Die Nervosität ist weniger geworden, ganz geht sie aber nicht weg.
Sie bedeutet ja auch, dass Sie mit Respekt an die Aufgabe gehen und es gut machen wollen.
Ja. Und, was schön ist, dass man viele Menschen über das Amt kennenlernen kann, in den Gemeinden, von der Fremdenverkehrsgemeinschaft, Naturparkführer, Fans.
Was war neu für Sie? Was gab es für Überraschungen?
Ich war ein paar Mal Glücksfee bei Verlosungen, und dann fällt mir die Einweihung des neuen Kunstrasenspielfeldes im Trauzenbachstadion in Murrhardt ein. Das war am 21. September, also zu einem Zeitpunkt, an dem es eigentlich noch nicht ganz so frisch ist. Aber da oben ist die Sonne früh weg, und mir wurde im Kleid doch ziemlich kalt. Dann hab ich zu einer Zuschauerin neben mir gesagt, am liebsten würd ich jetzt mitspielen. Das hat der Kommentator mitbekommen und kundgetan: Die Schwäbische Waldfee würde gerne miteinsteigen, bei wem könnte sie mitspielen? Ich dachte, auweia. Und auf einmal kam die Landespolizeidirektion Stuttgart, die ein Team gestellt hat. Die Polizisten haben mir ein Trikot gebracht und meinten, wir haben damals ja auch die Farbe Grün getragen. Dann hab ich meine Ballerinas geholt, das Trikot übergezogen und gegen meine eigenen Bürgermeister gespielt. Wir haben gewonnen. Das war eine der verrücktesten Sachen, die ich gemacht hab, ein Riesenspaß.
Gab’s auch Dinge, die nicht so leicht waren?
Ja, was nicht ganz so einfach ist, sind die Termine im Winter, ich bin sowieso ein eher verfrorener Mensch. Als Fee muss man das dann ausblenden, nein, die friert nicht.
Wie haben Sie überlebt? Mit verschiedenen Lagen Thermokleidern?
Pulli drunter, Jäckle drüber, manchmal mehrere Schichten. Also es geht schon. Ich würd es auch wieder machen, ich bin aufgrund der grünen Glücksfeenhormone bisher nicht ein Mal krank geworden, habe also alles gut überstanden, obwohl ich auch öfters nass geworden bin. Die ersten Events waren alle verregnet.
Was würden Sie sagen, was haben Sie in der Zeit dazugelernt?
Viel. Ich hab immer gedacht, ich kenn meine Heimat schon, aber da hab ich mich geschnitten. Es gibt so viel zu entdecken, und die Vielfalt, die wir hier haben, ist groß. Ich hab eine Menge über die Geschichte, die Mühlen oder die Römer gelernt. Auch die Naturparkführer verfügen über einen großen Wissensschatz.
Das Amt ist also auch bereichernd, besteht nicht nur aus Pflicht?
Nein, ich hab’s nie als Pflicht gesehen. Für mich bedeutet es vielmehr, meine Begeisterung für meine Heimat weiterzugeben. Klar, es gibt auch mal einen Tag, an dem man denkt, heute möchte ich nicht so früh raus, macht’s aber trotzdem, und dann kommt die erste Person, die einen anlächelt. Dafür hat es sich schon gelohnt.
Was werden Sie nach dem Amt wieder mehr verfolgen können, das jetzt ein bisschen zurückstehen musste?
Zwei große Reisen sind angedacht, und ich will mit meinem Vater einen Carport bauen. Und auf Kleinigkeiten freu ich mich, Ostern mit der Familie, einfach mal ein paar Maultaschen selbst machen, zusammen kochen, zu Hause sein.
Was raten Sie Bewerberinnen?
Als Schwäbische Waldfee sollte man offen sein. Ich hab vieles gemacht, womit ich erst mal nicht gerechnet habe – beispielsweise Segwayfahren, handwerkliche Einsätze bei Messen wie Nägel einschlagen, einen Riesenbalken im Kleid hochklettern oder bei einem Andrea-Berg-Konzert dabei sein, da war ich ganz schön nervös. Aber man wächst auch mit den Aufgaben. Und jedes Jahr kommt eine neue Schwäbische Waldfee dazu. Ich sag immer, irgendwann haben wird eine eigene Fußballmannschaft zusammen. Wer das Jahr seines Lebens haben will, soll sich an die Bewerbung machen.
