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Von Schulweisheiten und Wundern

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Von Carmen Warstat

BACKNANG. „Nicht in Berlin oder New York“, so Regisseur Andreas Geiger, „findet die Vorpremiere des Films statt, sondern in Backnang. Ihr seid die ersten, die den Film sehen“, sagte er im fast ausverkauften großen Saal des Kinos, und auch der Protagonist Stephan Dalley begrüßte die Zuschauer: „Ich bin genauso aufgeregt wie ihr, weil ich den Film noch nicht kenne.“ Kinobetreiberin Annegret Eppler kam gleich zur Sache, indem sie zumindest die erste Hälfte der berühmten Shakespeare-Worte „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen lässt“ in den Raum stellte.

Mehrfach im Laufe des Films sollte das Zitat anklingen, geht es doch um die Frage nach der Wirksamkeit und Berechtigung alternativer Heilmethoden, nach ihren Möglichkeiten und Grenzen.

Heilen mit Kräutern

und Handauflegen

Was die fünf in dem Streifen vorgestellten Heiler eint, ist ihre Religiosität oder Spiritualität, was sie voneinander unterscheidet: die Methoden. Vom Heilen mit Wildkräutern oder zermahlener Holzkohle über das Handauflegen, Pendeln, Gebet und kinesiologische Methoden wie Armdrücken bis hin zum modernen Therapiegespräch, das bei biografischen Aspekten ansetzt – die Alternativmediziner stellten in ihren Sitzungen manches Wunder vor, etwa die Heilung einer jugendlichen Bettnässerin oder die Lösung belastender Traumata mit Auswirkungen auf die physische Gesundheit. Dabei vermeidet es der Film, die Glaubwürdigkeit des Gezeigten zu überprüfen oder in irgendeiner Form zu werten.

Es bleibt dem Zuschauer überlassen, entsprechende Fragen zu stellen, was vom Backnanger Publikum im anschließenden Gespräch mit Geiger und Dalley mehrfach gelobt wurde. Stephan Dalley stellte klar, dass es allein der Glaube an die Wirksamkeit der Heilmethode sei, der Berge versetzt. „Der Zweifel macht alles kaputt.“ Er selbst denkt, dass Gott keine Fehler macht und jeder Mensch seine Zeit hat, zu gehen. So kann er sich dann auch gescheiterte Heilversuche erklären. Seine Unterhaltsamkeit bezieht der Film aus der Verschiedenheit der Charaktere seiner Protagonisten, die, einander wieder und wieder abwechselnd, nicht zuletzt auch in Alltagssituationen gezeigt werden. Man sieht sie beim Kochen oder im Fußballstadion, beim Einkauf oder in der Kneipe, in der Autowaschanlage oder im Wald, bei der Bibeldiskussion oder beim Skat, in der Kirche oder beim Holzmachen – nichts wird ausgelassen und immer der Bezug zum Thema des Films hergestellt. „Wir sind alle auf dem gleichen Weg“, äußert einer von ihnen und ein anderer: „Gegen den Tod kommt nur die Mutter an.“ Eine weitere Weisheit: „Die Natur kennt kein Spital. Sie kennt keinen Arzt.“

Der Regisseur hatte die Absicht, den Bogen von der Tradition bis zum New Age zu spannen und zu zeigen, dass es „kein neuer Quatsch ist, sondern uralt“. Das Heilermilieu sei ja eine Subkultur, und er wolle es „aus der Schmuddelecke herausholen“. Zweifellos hat Andreas Geiger damit die Grundlagen für einen Diskurs über das Verhältnis von Schul- und Alternativmedizin bereichert, befinden sich seine Akteure zum Teil doch an der Grenze zu religiöser Besessenheit.

Zusammen mit der Journalistin Annette Maria Rieger hat der Regisseur das Buch zum Film „Die Gabe zu heilen“ veröffentlicht.


            Andreas Geiger (links) und Stephan Dalley bei der Filmvorstellung „Die Gabe zu Heilen“ im Universum-Kino. In dem Streifen geht es unter anderem um das Heilen mit Wildkräutern oder zermahlener Holzkohle, das Handauflegen und um kinesiologische Methoden wie Armdrücken. Foto: A. Becher

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