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Spucken? Nur im Notfall

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Von Sarah Schwellinger

MURRHARDT. Als Kathrin Bickelhaupt die drei Alpakas von der Wiese holt, gehen sie brav und ganz entspannt an der Leine neben ihr her. Zwischendrin springt Bruno, der Berner Sennenhund. Heute ist wohl einer der letzten Spaziergänge im Schnee für diesen Winter. Obwohl die Sonne herrlich scheint, ist es eisigkalt. Ihren einjährigen Sohn Karl hat Kathrin Bickelhaupt warm eingepackt und nimmt ihn in einer Trage auf den Rücken. „Jetzt laufen die Alpakas entspannt am Halfter, das war am Anfang noch wie Rodeo“, sagt Kathrin Bickelhaupt lachend, „wie bockige Pferde, die noch nicht beritten sind.“

In die Tiere hatte sich Bickelhaupt auf den ersten Blick verliebt. „Eigentlich wollte ich damals Zwergziegen. Dann habe ich Alpakas gesehen und war sofort hin und weg.“ Trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, bis Camillo, Domino und Pepe den Weg zu ihr fanden. Ihre Tiere hat Kathrin Bickelhaupt von verschiedenen deutschen Züchtern. „In Deutschland werden Alpakas erst seit rund 20 Jahren gezüchtet“, erzählt Bickelhaupt. Am Anfang wollte die studierte Sozialpädagogin die Tiere für therapeutische Zwecke nutzen. „Alpakas sind sehr ruhige Tiere“, so Bickelhaupt. Vor allem im Norden Deutschlands arbeite man auch in Kindergärten und Altenheimen viel mit den südamerikanischen Kamelen. Da sie sehr reinlich sind, können sie problemlos bis in die Zimmer der Patienten geführt werden. Auf dem Gebiet der Therapie mit Tieren hat Kathrin Bickelhaupt bereits Erfahrung. Ihre Golden-Retriever-Hündin Ida bildete sie zum Therapiehund aus.

Doch aktuell stehen Spaziergänge auf dem Programm. Für die eignen sich Alpakas auch sehr gut, denn sie haben ein sehr sanftmütiges und neugieriges Gemüt. „Als Pilotprojekt hatten wir uns auch überlegt, mit den Alpakas auf Kindergeburtstage zu gehen“, auch könnten sie sich vorstellen, beim Ferienprogramm mitzumachen. Sie – das sind Kathrin und ihre Mutter Bärbel Heitkämper, die beiden kümmern sich gemeinsam um die kleine Herde.

Jeden Tag sind sie bei den Tieren, versorgen sie mit frischem Wasser und Heu. Hin und wieder bringen sie Karotten oder Äpfel mit. Heute steht aber ein gemeinsamer Spaziergang mit der Familie im Vordergrund. Auch Kathrins Schwägerin Stephanie und Tochter Lina sind mit dabei. Vor allem die Kinder sind begeistert, wenn sie den Tieren so nah sind. Mit großen Augen blickt die anderthalb Jahre alte Lina das Tier an, ruft „Paka“ und freut sich.

Alpakawolle ist besonders weich, wärmt im Winter
und kühlt im Sommer

Durch den Schnee geht es los über die Wiesen. Immer wieder muss die Karawane anhalten, denn die Alpakas genießen das Gras, das endlich wieder unter der Schneeschicht hervorkommt. „Im Gegensatz zu anderen Tieren sind Alpakas pflegeleicht“, sagt Bickelhaupt. Sie brauchen nur eine große Wiese, auf der sie sich austoben können und genügend Gras zum Fressen finden. Außerdem sollte man ihnen auch Rückzugsmöglichkeit geben. Anders als Lamas sollten Alpakas keine Lasten tragen. Sie wurden vor allem wegen ihrer Wolle gezüchtet, die besonders leicht und im Vergleich zu Schafwolle deutlich weicher ist. Ihre Fasern haben besonders gute Thermoeigenschaften: Sie wärmen im Winter und sorgen im Sommer für den Wärmeausgleich. Aus dem Fell ihrer Alpakas haben Kathrin Bickelhaupt und Bärbel Heitkämper Decken herstellen lassen. Als die Tiere zum letzten Mal geschoren wurden, haben die beiden die Wolle zum Spinnen gebracht. „Es gibt leider in Deutschland so wenige, die das machen, deshalb dauert die Verarbeitung auch so lange“, sagt Bickelhaupt. Sobald sie das Garn bekommt, will sie es auch zum größten Teil verkaufen.

Warum bei einem Spaziergang mit Alpakas festes Schuhwerk gefordert ist, wird schnell deutlich. Denn die Tiere haben kein Problem, steile Hänge hinaufzulaufen. „Es sind absolute Herdentiere. Von denen verlässt keines einfach so die Herde“, erzählt Bickelhaupt. Das wird auch beim Spazieren deutlich. Sie erzählt von Ricardo, dem Alpaka, das vor wenigen Jahren starb. „Sonst geben Alpakas kaum Laute von sich. Doch da haben sie regelrecht geschrien vor Trauer, standen da und haben auf ihr Herdenmitglied gewartet.“ Seitdem hat sich die Herde neu geordnet, jeder seinen Platz in der Rangordnung gefunden.

Ob Alpakas wie Lamas auch spucken? Kathrin beginnt zu lachen. „Naja“, beginnt sie zögernd, „theoretisch spucken sie nur untereinander. Außer es geht ums Futter und man steht dummerweise mittendrin.“ Trotzdem müsse man die Tiere provozieren, regelrecht wütend machen, damit sie in die Offensive gehen. „Alpakas sind Wiederkäuer und leider genau so stinkt das dann auch.“ Kathrin nimmt es mit Humor. Als es ihrem einjährigen Sohn Karl dann doch zu kalt wird, geht es für die Gruppe zurück. Zur Belohnung verteilt Bärbel Heitkämper Karotten und holt frisches Heu. Sie zeigt auf eine Sitzgruppe, die in der Hütte steht und sagt: „Im Sommer stellen wir die Bänke dann raus, essen Brezeln, haben Getränke dabei und genießen die Atmosphäre.“


            
              Kathrin Bickelhaupt bietet Spaziergänge mit den Alpakas Camillo, Pepe und Domino (von links) an. Mit dabei ist hier auch Hund Bruno.Fotos: J. Fiedler

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