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Opfer will den Peiniger noch mal heiraten

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Von Bernd S. Winckler

BACKNANG/STUTTGART. Vergewaltigung der brutalsten Art, schlimmste Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung der eigenen Partnerin wirft die Staatsanwaltschaft vor dem Stuttgarter Landgericht einem 27-jährigen Mann aus Backnang vor. Taten, auf die viele Jahre Gefängnis stehen. Doch der Beschuldigte wird nahezu ungeschoren davonkommen. Die Wende kam am gestrigen Verhandlungstag. Das Opfer will den Mann heiraten. Über die Hintergründe mag man spekulieren.

Die Anklage gegen den 27-Jährigen vor der 7. Großen Strafkammer des Landgerichts in Stuttgart hat es in sich. Die 22-jährige Frau soll im August letzten Jahres von ihm an zwei hintereinander folgenden Tagen in brutalster Weise körperlich misshandelt und schließlich in erniedrigendster Weise vergewaltigt worden sein. Vorwürfe, für die das Gesetz Freiheitsstrafen bis weit über die Zehn-Jahres-Marke hinaus vorschreiben.

Doch dieser Fall wird für den 27-Jährigen mit ein paar wenigen Monaten Haft enden. Der Grund: Seine nach islamischem Recht mit ihm verheiratete 22-jährige Ehefrau, die ihm sogar als Nebenklägerin gegenüber sitzt, hat sich im Dezember letzten Jahres nach deutschem Recht mit dem Mann verlobt und will ihn nun auch nach deutschem Recht heiraten. Als Verlobte und angehende Ehefrau nach deutschem Recht besitzt sie als Zeugin ein Zeugnisverweigerungsrecht, von dem die 22-Jährige im Stuttgarter Gerichtssaal nun auch Gebrauch machte, seine sofortige Haftentlassung wünschte, während ihr Ehemann in spe die Körperverletzungen zugibt, nicht aber die angeklagte Vergewaltigung.

Man habe sich bei einem Haftbesuch ausgesprochen, sagt der Mann, und man habe vereinbart, dass man nach dem deutschen Recht so schnell wie möglich heiraten wolle. Die Eheschließung nach islamischer Praxis ist in der Bundesrepublik nicht anerkannt. Ihm tue das, was er der 22-Jährigen an den beiden Tagen 29. und 30. August letzten Jahres in der Backnanger Wohnung angetan hat, sehr leid. Er entschuldigte sich bei der Frau gestern im Stuttgarter Gerichtssaal. Man lächelt sich an, gibt Handküsschen. Perfekte Liebe, gegen die die Justiz nichts anhaben kann – strafrechtlich gesehen. Was oder wer für den Sinneswandel verantwortlich ist, sei dahingestellt.

Wenn eine Zeugin keine Angaben macht, ist der Vorwurf nicht haltbar. Dabei war in jenen letzten Augusttagen vergangenen Jahres in der Backnanger Wohnung des Paares offenbar die Hölle los: Nach zweieinhalbjähriger fester Beziehung, aus der eine heute eineinhalbjährige Tochter stammt, habe man sich getrennt. Doch der 27-Jährige suchte die junge Frau an jenem Abend in der Wohnung auf und misshandelte sie auf eine fast unvorstellbare Art und Weise. Er verletzte sie mit zahlreichen Fausthieben an Kopf, Bauch und Schläfe, beschimpfte sie auf das Übelste, zog sie brutal an den Haaren, warf sie auf das Bett, drohte mit einem Messer und kündigte an, ihren Arm abzuhacken. Erheblich verletzt meldete die Frau sich bei der Polizei, die gegen den Mann einen Platzverweis erteilte und ihm den Wohnungsschlüssel abnahm. So sieht die Anklage den Fall.

Anklage schildert

grauenhafte Taten

Tags darauf soll der Mann erneut bei ihr Einlass begehrt haben, angeblich um einige persönliche Dinge zu holen. Die Frau ließ ihn ein. Dann sollen erneut fürchterliche Schläge mit der Faust und mit einer ein Meter langen Stange gegen sie gefolgt sein. Schmerzensschreie gellten durch das Haus, die Nachbarn bekamen das Drama mit. Eine Nachbarin klingelte an der Türe, wurde von dem Mann aber weggeschickt. Teils im Beisein der damals ein Jahr alten Tochter soll es weitere brutale Schläge gesetzt haben, Fäuste auf die Schläfe, und kräftiges Ziehen an den Haaren. Dann soll er sein Opfer meterweit durch die Wohnung geworfen und ihm mit dem Fuß gegen den Kopf getreten haben. Er werde sie „jetzt zur Schlampe machen“, habe der Mann damals gesagt, sie mit Schlägen mit einem Gürtel bedroht und in besonders erniedrigender Weise schließlich vergewaltigt, sagt die Anklägerin. Darauf folgten erneute Todesdrohungen: Er werde sie durch Albaner umbringen lassen.

Das tue ihm alles sehr leid, sagte er gestern vor Gericht und gab zum Besten, dass man sich versöhnt habe und jetzt „richtig“ heiraten wolle. Das Gericht vergewisserte sich ob der Richtigkeit dieser Ankündigung.

Die Frau bestätigte es und zeigt den Verlobungsring an einer Kette am Hals, den der Angeklagte ihr anlässlich eines Haftbesuchs überreicht hat. Schriftlich habe man sich die rechtlich deutsche Eheschließung versprochen – sobald wie möglich. Die Körperverletzungen gibt der 27-Jährige zu, die Vergewaltigung nicht. Da die Frau dazu nun vor Gericht schwieg, blieb nur noch die juristische Handhabe wegen der Schläge, die das Gericht mit höchstens sechs Monaten Haft sühnen kann, wie man anlässlich eines Verständigungsgesprächs zwischen Anklägerin und Gericht aushandelte.

Da der Angeklagte bereits vier Monate Untersuchungshaft hinter sich hat, wird er am heutigen Freitag, dem zweiten Verhandlungstag, wahrscheinlich diese sechs Monate Haft auferlegt bekommen und danach dann zusammen mit angehender Ehefrau wieder in die Freiheit entlassen werden. Den Vorwurf der Vergewaltigung stellten die Richter gemäß einem Antrag der Staatsanwältin bereits gestern ein.


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