Von Carmen Warstat
BACKNANG. Da sind sich alle einig: Jammern ist nicht. Michael Holon aus Murrhardt verkauft direkt vor der Kreissparkasse seine appetitlichen schlesischen Wurstspezialitäten. Nicht nur er ist der Meinung, dass es nun mal kalt sein muss im Winter und dass es schon extremere Situationen gab. Trotzdem hat er sich, da keine Kundschaft in Sicht ist, in das wärmere Fahrerhaus seines Verkaufswagens zurückgezogen. Dort erzählt er von seiner Heimat und den Auswirkungen der Mitgliedschaft Polens in der Europäischen Union auf sein Geschäft.
Er hat Zeit, aber er beklagt sich nicht. Jeden Mittwoch steht er hier, auch wenn bei diesem Wetter deutlich weniger gekauft wird. Weniger Kundschaft bedeutet weniger Verdienst bedeutet weniger Steuern. So kann man es auch sehen.
Am Stand gegenüber gibt es „Käse und mehr“ aus Auenwald. Seit 6 Uhr stehen die Frauen im Wagen und nehmen die Situation mit Humor: Da helfen nur heiße Getränke und Mützen, die man sonst nie anziehen würde, meinen sie, und dass die Stammkunden trotzdem kommen. Sie haben einen Heizstrahler in ihrem Wagen, aber oberhalb der Glasvitrinen ist natürlich alles offen. „Die Gemüsestände haben’s wärmer als wir.“
In der Tat, bei Schaafs Obst und Gemüse aus Allmersbach am Weinberg ist es fast kuschelig. Dafür sorgen mehrere Heizöfen in dem transparenten Zelt. Die Kundschaft freut sich beim Reinkommen. Erhebliche Einbußen müssen Cornelia und Johannes Schaaf nicht verzeichnen, denn die Kunden kaufen, wenn das Wetter trocken ist, trotz der Kälte. Sorge macht den Marktleuten aber die Ware, die dem Frost nicht zu lange ausgesetzt sein darf. Der Transport ist deshalb aufwendig und will perfekt organisiert sein.
Gleich nebenan steht, ebenfalls in einem beheizten Zelt, Elli Fleischmann aus Steinbach auf einer Styroporplatte. Sie schwört darauf, dass diese die Füße warm hält, und ihre Kollegin bringt große Becher mit heißen Getränken herein. Die Kundschaft kommt, aber sie kommt später, wenn die Temperaturen etwas milder sind, berichtet sie. Dies wird bestätigt von Ulrike Reinhardt, einer treuen Kundin aus Maubach, die nach wie vor gern auf den Markt geht, auch wenn es weniger Stände gibt. „Man kriegt, was man braucht, und zu Obstbau Fleischmann geht man nicht nur der Vitamine, sondern auch der Maultaschen wegen.“
Angesprochen auf das Wetter, lachen die Frauen von der Landmetzgerei Bernd Lindauer in Kaisersbach nur. Auch sie haben eine Heizung in ihrem Wagen. Zudem tragen sie unter den Gummihandschuhen solche aus Wolle, denn auch die Ware ist eiskalt. Bei allem Humor: „Kälter darf’s nicht mehr werden“, sagt Ute Zeller. Mit heißem Kaffee und einem Heizstrahler halten sich Birgit Traub und Siegfried Braun vom Geflügelhof Reber bei Laune. Sie haben Fleisch, Eier und Maultaschen in ihrem Angebot und sehen Probleme für ihre Produkte eher im Sommer. Der kommt bestimmt, versichern die beiden. Seine Vorboten können im Nachbarzelt beim Pflanzenhandel Klinger aus Backnang erworben werden: Blumen über Blumen in allen erdenklichen Farben lassen die Kälte für einen Moment vergessen. „Sie sehen ja selbst, die Leute kommen nicht“, sagt David Klinger und fügt hinzu, wie um sich selbst Mut zu machen: „Blumen werden ja immer erst zuletzt gekauft.“
Mit gut gefüllten Taschen machen sich Anneliese und Karl Rehm aus Strümpfelbach „frierend und bibbernd“, wie sie sagen, auf den Heimweg. Sie sind jeden Mittwoch und jeden Samstag auf dem Wochenmarkt. Heute haben sie nur Obst und Gemüse gekauft, oft nehmen sie auch Brot und anderes mit. Die Blumenstände haben sich zurückgezogen, bedauert Anneliese Rehm. Eine andere Kundin vermisst „ihren“ Bio-Gemüsestand, der, da ist sie sicher, wiederkommt, wenn es milder wird. In ihrer Vorfreude auf den Frühling sind sich die Menschen auf dem Backnanger Wochenmarkt einig.

