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Der Tagträumer folgt auf den Laberaffen

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Von Peter Wark

BACKNANG. „Jetzt bin ich 18. Dann bin ich alt genug um zu wissen, was ich tu – zumindest auf dem Papier“. Eine Zeile aus dem Text, mit dem Kai Bosch 2015 baden-württembergischer Poetry-Slam- Meister U 20 geworden war. Im Audimax in Konstanz war er einer von fünf jungen Slammern, die die Vorauswahl überstanden hatten und ihre Texte vor 700 Zuschauern vortrugen. Das Publikum bestimmte den damals 18-Jährigen per Beifall zum Sieger und damit zum Landesmeister. Diese Meisterschaft hat ihm Türen geöffnet. Der junge Mann aus Maubach steht heute auf Bühnen in Stuttgart, Karlsruhe, Ludwigsburg, war aber auch schon beispielsweise nach München oder Paderborn eingeladen.

Dass er eine Körperbehinderung hat – egal! Dass er manchmal noch stottert – geschenkt! Auf der Bühne spielt das für ihn keine Rolle mehr. Überhaupt grenzt es an ein Wunder, dass der Maubacher ausgerechnet bei Poetry-Slams erfolgreich sein würde. Das war ihm wirklich nicht in die Wiege gelegt. Er war drei Monate zu früh auf die Welt gekommen, was zu einer leichten Spastik und einem Sprachfehler geführt hat. Nicht gerade die gängige Voraussetzung, um mit dem gesprochenen Wort auf Bühnen erfolgreich zu sein und selbstbewusst vor Publikum aufzutreten. Doch Kai hat dem Schicksal den Mittelfinger gezeigt. 2014 nahm er erstmals an einem Slam teil und mittlerweile kennt man ihn in der Szene.

„Jetzt bin ich 18 und immer noch ein Strich in der Landschaft. Ein relativ kleiner Strich. Ein kleiner Strich mit Pickeln im Gesicht“: Viele der Texte von Kai Bosch reflektieren auf sein eigenes Leben – eine wunderbare Selbstironie und viel Doppelsinn inklusive. Sie sind oft warmherzig, immer aufrichtig.

Zum Beispiel „Ich bin Single“. Der unfreiwillig Ungebundene plaudert darüber, dass er Montage liebt, weil da „alle so mies drauf sind“, im Gegensatz zu den Samstagen, an denen alle anderen Spaß haben, nur eben der Single nicht. Dabei wird es manchmal ein bisschen, aber eben nur ein bisschen sarkastisch.

Texte geben Einblicke in

das Seelenleben des Autors

Der mittlerweile 19-Jährige beherzigt eine goldene Regel: Zynismus ist Gift, aber Ironie ein feines Elixier. Die Gabe zur Ironie, die hat er ganz gewiss. 20 seiner Texte veröffentlicht er jetzt in dem Buch „Tagträumer“, Untertitel: „kopfachosundso“. Das Leben eines jungen Mannes, die Sache mit dem Verliebtsein und anderes Durcheinander in Kopf und Herzen eines 18-/19-Jährigen bestimmt viele der Texte. Neben den witzigen stehen lyrische, auch die geben tiefe Einblicke in das Seelenleben des jungen Autors. Schon 2014 hatte der umtriebige junge Maubacher mit „Laberaffe“ ein Buch im Selbstverlag veröffentlicht (wir berichteten). Sein neues Werk „Tagträumer“ kommt beim Lektora-Verlag heraus, in dem viele aus der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene ihre literarische Heimat gefunden haben. Zu den Fans des neuen Buchs zählt Marvin Suckut, Autor und einer der erfolgreichsten Slammer im Land: „Hätte ich in Kais Alter solche Texte geschrieben, müsste ich mir jetzt keine fetzigen Zitate über Kai Bosch ausdenken“, schreibt er in einer lobenden Besprechung des Buchs.

Was macht einen guten Text aus? Kai überlegt kurz. Dann sagt er: „Er muss den Zuhörer mitnehmen, er muss ihn berühren oder zum Lachen bringen“. Das gelingt dem jungen Autor. Eines grämt ihn gerade ein bisschen: dass er bei den deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften im November nicht auf der Bühne stehen kann. Die finden nämlich vor der Haustüre statt – in Stuttgart.

Kai Bosch geht auf das sozialwissenschaftliche Gymnasium an der Anna-Haag-Schule und will im Frühjahr sein Abitur machen. Und danach? Ein Studium schwebt ihm schon irgendwie vor, aber erst einmal möchte er sich einige Zeit intensiver seiner Leidenschaft fürs Schreiben und Vortragen widmen. Wegen des Abis tritt er mit Live-Performances ein bisschen kürzer, will aber weiter mindestens einen Auftritt pro Monat absolvieren. Erst letzte Woche stand er in Ludwigsburg vor 400 Besuchern auf der Bühne. Und das zusammen mit Leuten, die schon einen großen Namen in der Szene haben und die noch vor ganz, ganz kurzer Zeit Vorbilder waren.

Sein Buch ist für 12 Euro in den Backnanger Buchhandlungen erhältlich.


            Hat gut lachen: Kai Bosch, der baden-württembergische U-20-Poetry-Slam-Champion 2015 hat sein zweites Buch veröffentlicht.Foto: A. Becher

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