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Wenn der Schultes Anekdoten erzählt...

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Von Ute Gruber

SPIEGELBERG. Schon kurz nach dem Start vom Alten Schulhaus gibt es nach einem steilen Anstieg das erste Highlight der geführten Tour. Bei bestem Wanderwetter – leicht bedeckt, dabei klar und trocken – bietet sich den knapp 30 Wanderern auf der Nassacher Hochebene unter den alten Eichen ein grandioser Ausblick: Von der Ludwigsburger Bucht über den Stuttgarter Fernsehturm, die Kaiserberge der Staufer bis hin zum Turm auf dem Juxkopf ist alles glasklar zu erkennen.

Bürgermeister Uwe Bossert nutzt die Gelegenheit und stellt den interessierten Zuhörern den Teilort Nassach vor: Dort befindet sich die wichtigste Firma der Gemeinde, unter den 250 Einwohnern gäbe es erfreulich viele junge Familien, über den Hochbehälter neben den Eichen würden drei umliegende Teilorte mit heimischem Trinkwasser versorgt – „die Wasserqualität wird intensiver untersucht als jedes Mineralwasser. Das können Sie getrost trinken.“

Weiter geht’s durch aromatisch duftende, von der Hitze der letzten Wochen freilich ausgedörrte Wiesen: Einzelne Flockenblumen, Platterbsen und Labkraut halten die Stellung. Dann bergab hinein in den kühlen Schatten des Waldes. Am ehemaligen Sandbruch erläutert Bossert die Bedeutung des früher dort gewonnenen Fegsandes, welcher der geologischen Formation den Namen Stubensandstein gab.

Gerade diese Erläuterungen zu Geschichte und Bedeutung, verbunden oft mit netten Anekdoten und Insiderstorys, sind es, was die Teilnehmer an den geführten Wanderungen des FVV Spiegelberg so schätzen. Manche kommen aus der Gegend, andere von weiter her. Zwei Ehepaare aus Steinheim haben kaum eine der seit über zehn Jahren monatlich angebotenen Touren verpasst: „Herr Löhn ist heute zum 134. Mal dabei.“ Auch die überschaubare Strecke von neun Kilometern – heute freilich mit 270 Höhenmetern – und der späte Beginn um 13.30 Uhr werden von manchen als positiv empfunden: „Wir sind bekennende Langschläfer…“.

Richtung Wetzsteinstollen im Winterlautertal geht es ein Stück weit auf dem Räuberweg. Oha, ist hier jetzt etwa mit Überfällen zu rechnen? Dann doch die Fototasche etwas fester greifen. Nur gut, dass auch drei Hunde in der Gruppe mitwandern. Der Bürgermeister gibt Entwarnung: Die Zeit der Mainhardter Räuber liegt schon Jahrhunderte zurück. Allerdings gab weiland Friedrich Schiller dem Oberhalunken in seinem Debütstück „Die Räuber“ wohlweislich den Namen Moritz Spiegelberg – und so die Spiegelberger Gemeinde ihrem längsten Rundwanderweg den publikumswirksamen Namen Räuberweg.

Statt Räubern begegnen die Wanderer allerdings einer Gruppe von Mountainbikern. Aber selbst dieser Konflikt kann auf diplomatischem Wege gelöst werden: Hunde, Wanderstöcke und andere Waffen müssen nicht zum Einsatz kommen. „Ich bin von Haus aus Mountainbiker“, meint dazu Wanderführer Bossert, „ich kann beide Seiten verstehen.“ So ist der 56 Kilometer lange, anspruchsvolle Räuberweg auch für Mountainbiker ausgeschildert; wer ihn tatsächlich am Stück wandern will, kann in einem der zahlreichen Gasthöfe übernachten. „Die bieten auch einen Abholservice an, wenn jemand vorzeitig aufgeben muss.“

Für alle anderen, weniger ambitionierten Wanderfreunde gibt es in jedem Teilort drei bis vier hervorragend ausgeschilderte Rundwanderwege von je rund zehn Kilometern, im ganzen Gemeindegebiet insgesamt 24 Stück. Dazu die gelb beschilderten Strecken für den Spaziergang nach dem Nachmittagskaffee. Insgesamt sind 300 Wanderkilometer ehrenamtlich angelegt, mit erklärenden Tafeln – inklusive Audioguide – versehen und liebevoll gepflegt, beschrieben im Tourenführer des FVV.

Das Beste sind jedoch die geführten, samstäglichen Wanderungen zu jeder Monatsmitte. Heute geht’s mit dem Bürgermeister unter Pressebegleitung – wer braucht da einen Ministerpräsidenten? – weiter über den schon historischen Forststützpunkt Warthof, der gerade umfassend renoviert wird. Vorbei an den Burgruinen aus dem 12. Jahrhundert wieder zurück nach Nassach zum krönenden Abschluss im Gasthaus Krone. Bei schwäbischem Wurstsalat und Sauerbraten werden Tourenpässe gestempelt und handsigniert vom Rathauschef. Vier Gutscheine für treue Wanderer werden vergeben, einige Neuanträge gestellt: Das unterhaltsame Samstagsprogramm möchte man doch öfter nutzen.

„Ich hoffe nur, dass ich heute keine Zecken eingesammelt habe.“, meint eine Backnangerin, die „die gute Luft hier oben“ schätzt und ihr 100. Jubiläum schon hinter sich hat. Damals, beim bisher am besten besuchten Termin mit Förster Püttel, entdeckte sie beim sonntäglichen Bad 28 Stück. „Das Gemeine war, dass alle anderen 69 Teilnehmer zeckenfrei blieben.“ Sie fügt hinzu: „Seitdem schaue ich mir ganz genau an, auf welchen Baumstumpf ich mich setze.“

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            Karawane auf den Höhen bei Spiegelberg: Die Teilnehmer genossen die schöne Aussicht, die an diesem Tag bis zu den Stauferbergen reichte. Fotos: U. Gruber

            Kennt Hintergrundgeschichten, Insiderstorys und die schönsten Anekdoten: Bürgermeister Uwe Bossert (rotes T-Shirt) mit den Wanderern.

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