SULZBACH AN DER MURR(cb). Am Festabend in der Sulzbacher Festhalle begibt sich der Liederkranz unter Leitung von Erhart Schirrmeister auf eine musikalische Reise von der Vergangenheit bis in heutige Zeit. Am Klavier begleitet Judith Maria Matti diese Reise mit. Es werden sowohl Stücke von Friedrich Silcher aus den ersten Chor-Tagen als auch moderne Stücke wie „The show must go on“ von Queen oder „Conquest of Paradise“ von Vangelis aufgeführt. Zu den Höhepunkten des Abends gehört die Aufführung von „Bellas Finals“ aus dem Film „Pitch Perfect“. Der Musikverein Sulzbach begleitet die Chöre bei mehreren Stücken und umrahmt den Abend festlich.
Zu den Wurzeln: Georg Gelbing legte als junger Lehrer 1841 mit der Gründung eines Männergesangvereins den Grundstein. Dieser Verein zur Pflege des Gesanges und des Liedgutes war der Ursprung des heutigen Liederkranzes. Im 19. Jahrhundert gab es eine Gründungswelle von Männergesangvereinen. Sie wandten sich in erster Linie dem unbegleiteten Liedvortrag und Volksliedern zu. Nicht nur das Singen wurde in den Vordergrund gestellt. Mit Vereinsgründungen entstanden gleichzeitig neue Formen der Geselligkeit. Das Wort „Chor“, das ursprünglich aus dem Griechischen kommt, bedeutet so viel wie „Tanzplatz“ oder auch „tanzende Schar“. Neben der Erhaltung der Liedkultur ging es also auch darum, miteinander Freude zu haben und zu lachen.
„Es schwinden jedes Kummers Falten, solang des Liedes Zauber walten“: Friedrich von Schillers Zitat aus dem Werk „Die Macht des Gesanges“ spiegelt wider, was allen Chören dieser Welt gemein ist, auch in schwierigen Zeiten. Die kummervolle Zeit des Ersten Weltkriegs hinterließ tiefe Spuren. Für einige Jahre kam das Vereinsleben des Liederkranzes vollständig zum Erliegen. Die Protokollbücher aus dieser Zeit enthielten verschiedene Feldpostbriefe der Mitglieder, die als Soldaten an der Front kämpfen mussten. Sie schrieben ihren Sängerkameraden. Ein Hinweis darauf, welch innige Verbundenheit sie zum Liederkranz pflegten und welche Bedeutung diese Gemeinschaft in ihrem Leben hatte.
Wiederaufbau: 1922, kurz nach der Schillergau-Gründung, begann die Ära eines Mannes, der die Geschichte des Vereins besonders geprägt hat. Theodor Benkeser übernahm für insgesamt 22 Jahre, unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg, den Taktstock. Nach dem Krieg war er es, der gemeinsam mit dem Vorstand Adolf Kappis den Männerchor 1946 kraftvoll wieder aufbaute. Die Existenz alter Vereine war von der Besatzungsmacht noch verboten, so ging es zunächst nur ums Singen, zu dem sich 18 Sänger am Klavier im Gasthof Hirsch trafen. Öffentlich durfte noch nicht aufgetreten werden.
Mit dem Herrn Oberlehrer wird
die Jubiläumsfeier nachgeholt
Der Herr Oberlehrer, wie Benkeser respekt- und liebevoll von seinen sangesmutigen Männern genannt wurde, hielt manche Chorprobe auch mal in Reih und Glied marschierend über den Schulhof ab. Das diente dazu, den Takt besser halten zu können. Unter seiner Regie feierte der Liederkranz 1951 sein 100-jähriges Bestehen nach. Der Krieg hatte die Feierlichkeiten, die eigentlich 1941 hätten stattfinden sollen, undenkbar gemacht. Das Jubiläumsfest war wohl eines der ersten großen Feste nach dem Krieg. In der vom Wiederaufbau und, nach der Währungsreform, von knappen Kassen gezeichneten Zeit war es ein Fest freudiger Ausgelassenheit. Der ganze Ort war auf den Beinen, Häuser und Fenster entlang des Festumzugs waren mit Girlanden und Bändern geschmückt, zahlreiche Gäste aus nah und fern wurden empfangen – alles in einer Zeit, die noch geprägt war von Krieg und Zerstörung.
Der Umsagbua sorgt dafür,
dass alle informiert sind
Die gesamte Organisation funktionierte ohne PC, Fax, Facebook, Twitter oder Kurznachrichten auf dem Mobiltelefon. Was heute undenkbar ist, war damals allein durch Manpower möglich. Ein sogenannter „Umsagbua“, der Sohn eines Sängers, hatte die Aufgabe, alle Sänger und Mitglieder über Vereinsereignisse auf dem Laufenden zu halten. Zu Fuß oder mit dem Rad machte er sich auf den Weg, um die Menschen zu informieren und zu mobilisieren. Ganz uninteressant war dieser Job natürlich nicht, denn außer dass der „Umsagbua“ Sulzbach und seine Bewohner genauer kennenlernen durfte, konnte er sich so manches Zehnerle oder Schoklädle dazu verdienen.
Frauenchor: Ein Meilenstein war die Gründung des Frauenchors unter Chorleiter Bert Heckmann und dem Vorsitzenden Eugen Sanwald 1960. Die Meinungen über das Vorhaben gingen bei den Männern anfangs auseinander. Es bedurfte mehrerer Anläufe, bis im November 1959 ein Aufruf in den Sulzbacher Nachrichten erschien und sich 16 Frauen und Mädchen zum ersten Chor formierten.
Im gleichen Jahr fand das 8. Gauliederfest des Schillergaus in Sulzbach statt. Der Liederkranz übernahm die gesamte Organisation, und das Fest war ein Höhepunkt für den Verein und das ganze Dorf. Insgesamt wurden 58 Gesangvereine empfangen, die in Sonderzügen und -bussen nach Sulzbach gebracht wurden. Der Frauenchor trat erstmals groß in Erscheinung und erntete viel Lob. Die Backnanger Kreiszeitung schrieb damals zu dem Sängertreffen: „Besonders der äußerst sauber distinguierte, warme und frische Gesang des Frauenchors fand lebhafte Zustimmung und wurde als glückliche Bereicherung der stimmlichen Leistungsfähigkeit des Liederkranzes empfunden.“ Damit war der Frauenchor wohl endgültig integriert.
1961 wurde dem Verein eine besondere Auszeichnung zuteil: Der Landrat des Landkreises Backnang Wilhelm Schippert verlieh ihm die vom Bundespräsidenten gestiftete Zelter-Plakette, benannt nach Carl Friedrich Zelter. Sie wurde 1956 von Bundespräsident Theodor Heuss als staatliche Auszeichnung gestiftet, um Chorvereinigungen zu ehren, die sich um die Chormusik und das Volkslied und damit die Förderung des kulturellen Lebens verdient gemacht haben.
Das Jahr 1965 brachte für den Liederkranz ein einschneidendes Erlebnis. Chorleiter Bert Heckmann, der die Chöre zwölf Jahre lang geleitet hatte, verstarb unerwartet. Mehrere Wechsel in der Chorleitung folgten. Das 130. Chorjubiläum konnte so erst 1973 unter der Leitung von Eugen Wolf gefeiert werden.
Mit dem Beginn der Chorleitertätigkeit von Ulrich Schirrmeister und der Vorstandschaft von Roland Steiner fand 1978 schließlich ein Generationswechsel an der Spitze des Liederkranzes statt. Deutlich erkennbar wurde dies unter anderem an der neuen Liedauswahl, die modernere Töne anklingen ließ.
25 Jahre Chorleiter: Das 150-jährige Bestehen im Jahr 1991 war ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte und ohnehin ein denkwürdiges Jahr. Der nach Ulrich Schirrmeister amtierende Chorleiter Udo König übergab den Taktstock an Erhart Schirrmeister, den Bruder von Ulrich Schirrmeister. Erhart Schirrmeister hat bis heute, also seit 25 Jahren, die Leitung des Chors inne. Jeden Freitagabend füllt er ab 19 Uhr den Probesaal im alten Sulzbacher Schulhaus, um zunächst mit den älteren Chormitgliedern und anschließend mit dem Jungen Chor des Liederkranzes zu singen. Mit viel Elan und Enthusiasmus begleitet er die Chöre durch die verschiedensten Musikstile und Werke von Komponisten aus der ganzen Welt. Es gibt nichts, was für ihn nicht machbar ist, seine Motivation ist unermüdlich. Taktsicher führt er die Chöre durch die Konzerte, nach denen er meist mindestens fünf Kilo leichter ist – und das nicht nur wegen der Erleichterung über einen gelungenen Auftritt.
Der steigende Altersdurchschnitt der Chöre führte dazu, dass der Verein 1995 einen eigenen Kinderchor gründete. Bis zu 30 Kinder waren es, die bei den „Sulzbacher Goldkehlchen“ sangen. Allerdings musste der Kinderchor nach fünf Jahren wieder aufgegeben werden, zuletzt blieben nur zehn kleine Sängerinnen übrig.
Das 160-jährige Bestehen konnte im Jahr 2001 mit einer besonderen Auszeichnung gefeiert werden. Ministerpräsident Erwin Teufel, verlieh dem Liederkranz die Conradin-Kreutzer-Tafel. Sie ist nach dem Komponisten Conradin Kreutzer benannt und wird Vereinigungen verliehen, die mindestens 150 Jahre bestehen und sich künstlerische, volksbildende und kulturelle Verdienste um die Pflege der Laienmusik erworben haben.
TonArt entsteht: Wie es bei Gesangvereinen oft der Fall ist, so stellte sich auch dem Liederkranz Concordia immer stärker die Frage, wie ein Fortbestand gesichert werden könnte. Die vom Kinderchor noch vorhandenen Sängerinnen sollten integriert werden. Dazu wurde ein Projekt ins Leben gerufen, aus dem der Junge Chor hervorging. Dieser Chor, der zunächst nur aus 12 Sängerinnen und Sängern bestand, präsentierte sich das erste Mal bei der Frühjahrsfeier 2002. Der Junge Chor des Liederkranzes mit dem Namen TonArt war geboren.
Moderne Musikstücke ergänzen
das traditionelle Repertoire
Mit TonArt begann wiederum eine neue Ära in der Sulzbacher Musikszene. Flotte, moderne und fremdsprachige Musikstücke ergänzten das Repertoire des Liederkranzes. Im Jahr 2006 fand die erste Gospel Night in der Sulzbacher Ulrichskirche statt. Sie ist inzwischen fester Bestandteil der Choraktivitäten und wird in diesem Jahr die Feierlichkeiten zum 175-jährigen Bestehen des Liederkranzes Concordia beschließen.
75 Sängerinnen und Sänger umfasst der Liederkranz Concordia heute. Die 22 Mitglieder aus den Reihen der älteren Generation singen mittlerweile häufig Seite an Seite mit den insgesamt 53 TonArt-Sängern. So leben die traditionellen Musikstücke in beiden Chören fort, und die ältere Generation wird mit modernen Musikstücken vertraut gemacht. Der Gesang verbindet die Menschen schon immer und auch heute, wo ältere und junge Menschen mit unterschiedlichen Temperamenten und Konfessionen gemeinsam nebeneinander im Chor singen, bleibt der gemeinsame Gesang ein Bindeglied über alle Grenzen hinweg. Der Liederkranz Concordia blickt dankbar auf die vergangenen 175 Jahre zurück und freut sich auch in der Zukunft über Menschen mit dem gewissen Etwas im Herzen, die mit ihm in die nächsten musikalischen Jahre ziehen. Um es frei nach Queen zu sagen: The show will go on!