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Bei Tauchern bleibt kein Auge trocken

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Von Yvonne Weirauch

BACKNANG. Der 38-Jährige traut es sich kaum zu sagen: 8 Jahre hat er für dieses Buch benötigt, bis es fertig war. „Die Zeichnungen lagen lange in der Schublade. Zwischendurch bin ich Vater geworden. Dann habe ich nur mal zwischendrin an dem Buch weitergearbeitet.“ Nun liegt es aber auf dem Tisch mit dem Titel: Unterwasserspaß – Tauchen von A bis Z. Tim Jost stellt die Welt unter Wasser in einem Comic vor. Ein Buch für Erwachsene, genauer gesagt für Taucher.

Der Einstieg ins Buch beginnt mit einem ungewöhnlichen Wort. Abudefduf – nein, das ist keine Autopanne in der Nähe eines ägyptischen Badeorts, genauso wenig eine verwirrte Aneinanderreihung von Buchstaben. Es handelt sich um einen Fisch, der besser unter dem Namen Feldwebelfisch bekannt ist. Solch einen Fisch hatte Tim Jost schon vor der Taucherbrille.

Was ein Vader-Flash ist? Oder ein Tiefenrausch? – Es geht munter weiter. 69 Bilder hat der junge Mann, der in Backnang geboren ist und mittlerweile seit 15 Jahren in Wien lebt, zusammengetragen. Alle schwarz-weiß gezeichnet. Tauch-Begriffe von A bis Z sorgen für Unterwasserspaß. Die Idee zu diesem Comic entstand im Tauchurlaub in Ägypten. „Ein Freund animierte mich zum Tauchen und so wurde ich inspiriert“, berichtet Tim Jost, der mittlerweile den Wiener Schmäh und den österreichischen Akzent verinnerlicht hat.

Das Buch solle nicht allzu ernst genommen werden, Spaß stehe im Vordergrund. Jost: „Die Bezeichnungen gibt es alle, bei manchen habe ich meine Fantasie und Inspiration mit einfließen lassen. Und um der Verbreitung gefährlicher Halbwahrheiten zuvorzukommen, habe ich am Ende des Buches noch ein paar Richtigstellungen notiert.“

Auf seinen Geburtsort Backnang kommt Tim Jost im Gespräch immer wieder zurück. Die Stadt sei eine der wenigen Konstanten in dem Leben des 38-Jährigen: „Vielleicht deshalb, weil ich hier geboren bin.“ Eigentlich ein Zufall – denn seine Eltern waren zu diesem Zeitpunkt gerade auf Heimaturlaub. Nach Tims Geburt flog die Familie wieder zurück nach Papua Neuguinea, wo die frischgebackenen Eltern eine Missionsstation leiteten. „Erst mit 5 Jahren kehrte ich mit meinen Eltern und meinen drei Geschwistern wieder nach Deutschland zurück“, erzählt der Comiczeichner, der es außerdem liebt, Musik zu machen. Wenn er an seine Kindheit zurückdenkt, fällt ihm eines sofort ein: Die Umstellung war drastisch. „In Papua Neuguinea genossen wir Kinder große Freiheit. In Deutschland angekommen, hatten wir plötzlich keinen Strand mehr vor der Haustür, keinen Dschungelspielplatz, keine Weite. Stattdessen viel Beton, viele Autos, viele Menschen und deutsche Pünktlichkeit.“ Papua Neuguinea trägt Jost immer noch im Herzen. „Unterwasserspaß“ hat er unter anderem Bob Browne (1946 bis 2011) gewidmet – ein „Grass Roots“-Cartoonist, der seine Zeichnungen ebenfalls alle in Schwarz-Weiß aufs Papier brachte.

In Backnang ging Tim Jost in den Kindergarten – der Aufenthalt war wieder nur sehr kurz, denn die Familie zog nach Graz. Dort ging’s in die Schule bis zum Abitur. „Für mein Studium zum Medientechniker und -designer, wechselte ich von Graz nach Oberösterreich, in die Nähe von Linz.“ Graz – dazu fällt ihm eine kleine Anekdote ein, die er einfließen lässt: „In Graz wohnten wir im Nachbarhaus von Andreas Gabalier.“ Der Comiczeichner lacht. „Wir sind halt miteinander aufgewachsen und ich hatte die gleiche Klavierlehrerin wie der Andreas.“ Ansonsten habe er zu dem Volk Rock ’n’ Roller keinen Kontakt mehr. „Meine Schwester steht noch über WhatsApp mit Andreas‘ Bruder Willi in Kontakt“, so Jost. Er gibt weiter einen Einblick in sein Leben. Nach dem Studium landete der Tauchfreund in Wien. „Meine Eltern leben inzwischen wieder in Backnang, und so komme ich mindestens zweimal im Jahr hierher, um sie zu besuchen.“ Er sei ein „BK-Fan“, betont er, könne hier spürbar entspannen.

Zeichnen – Tim Jost hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Seit er denken kann, hat er immer gezeichnet. Es fasziniert ihn, auf einem weißen Blatt Papier ganze Welten zu erschaffen. Besonders motivierend war für ihn ein Moment, den er als 7-Jähriger erlebte: Beim Kreieren eines Comics gemeinsam mit seinem 2 Jahre älteren Bruder stellte Tim fest, dass Zeichnen etwas war, das er besser konnte als der Bruder. „Mein erstes Geld verdiente ich mit Donald-Duck-Zeichnungen, die ich als 8-Jähriger vor unserem Haus in Graz an Passanten verkaufte.“ Mit 17 Jahren gewann er einen österreichweiten Comiczeichner-Nachwuchswettbewerb mit einem Comic über den trojanischen Krieg, stark inspiriert von den Asterix-Heften.

„Zur Jahrtausendwende betrieb der ORF eine Comic-Internetseite, auf der jede Woche eine neue Folge meines Comicstrips ‚Das Leben vom Franz‘ erschien. Im Jahr 2005 kam mein erstes Comicbuch, die ‚Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit‘ auf den Markt.“ Nachdem Tim Jost viele Comic-Auftragsarbeiten übernommen hatte, gründete er die Firma Comicfactory.

In Kaffeehäusern zeichnet er am liebsten, merkt der junge Mann an. Er blicke da konzentriert auf den Zeichenblock und lausche der Unterhaltung von Leuten. Sein fotografisches Gedächtnis trainiert er auf eine ganze besondere Art: „Wenn ich mit der U-Bahn fahre und meinen Sohn in die Schule bringe, dann habe ich immer eine Zeitung dabei. Da zeichne ich die Fotos nach.“

Langweilig wird es dem Wiener nicht: „Neben der schönen Herausforderung, meinem Sohn ein guter Vater zu sein, erledige ich Comic-Auftragsarbeiten, arbeite an der englischen Fassung der ‚Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit‘ und bastle am zweiten Album meiner Band Candid.“ Außerdem hat er noch gezeichnete Bilder in der Schublade liegen und in seinem Kopf schwirrt eine besondere Idee umher: „Vielleicht verfasse ich eine Comic-Biografie über das Leben meines Vaters als Missionar.“

  Näheres zum Buch gibt es im Internet unter www.unterwasser-spass.com.


            Tim Jost zeigt einen seiner Favoriten im Buch: Trockenes Ertrinken. Abgebildet ist ein Taucher in der Wüste – das Ertrinken in einer Fata Morgana wird dargestellt. Den Zeichner fasziniert daran das Unmögliche, was ein Taucher in der Wüste macht. Foto: E. Layher

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