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Independent Rock für Kenner

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Von Claudia Ackermann

WEISSACH IM TAL. Wenn man Texte hört, wie etwa „Der Saxofonmann“, in dem es um einen Straßenmusiker geht, der durch das soziale Netz gefallen ist, dann denkt man vielleicht eher an eine Ballade. Auch die Zeilen im Lied „Keine Zeit“, in dem es heißt „Pflücke den Tag, bevor er verwelkt“, lässt auch keine harte Rocknummer vermuten. Aber Songwriter, Gitarrist und Sänger Henning Dedekind verbindet diese Elemente. Das Gemälde „Der graue Mann tanzt“ ist Leitbild für seine Texte, in denen es um die Zerrissenheit von Persönlichkeit und Gesellschaft geht, sagt der in Aspach lebende Musiker.

Er ist ein Kind des Rock und quält seine E-Gitarre bei Instrumentaleinlagen bis an die Grenzen. Klangverzerrer lassen das Instrument aufheulen. Drummer Alexander Lesslauer gibt die Beats an und scheint alles um sich herum zu vergessen. Die Orgel, gespielt von Hartmut Epple, ist nicht nur der Melodie-Träger, sondern ersetzt auch den Bass in dem Trio. Spätestens jetzt wippen die Rockfans unter den leider nicht sehr zahlreich erschienenen Besuchern mit, Köpfe bewegen sich im Takt. Doch ausgelassenes Schwofen oder Headbanging gibt es nicht. Schon kurz darauf muss man seinen Kopf bei den gehaltvollen Texten wieder zum Denken benutzen.

Es sind durchweg Eigenkompositionen, die die seit rund zwei Jahren bestehende Band präsentiert. Alle drei sind erfahrene Musiker und haben schon in verschiedenen Formationen gespielt. Independent Rock für Fortgeschrittene nennen sie ihr Programm mit Titeln aus ihrem Album „Dunkelziffern“.

Es sind persönliche Beobachtungen und kleine Episoden aus dem Leben, die Songwriter Dedekind zum Inhalt seiner Texte macht. Da geht es etwa um das Metzgersmädchen mit dem traurigen Blick, oder ein Lied beschreibt seine Eindrücke bei einer Frankreichreise im Song „Stadt für eine Nacht“, in dem es heißt: „Die blinden Fenster lauern auf die Schatten an der Wand.“ Gesellschaftskritik ist eingebaut, etwa wenn Dedekind singt: „Leute mit keinen Köpfen verprügeln ihre Frauen.“ Rockfans kommen bei den drei hervorragenden Musikern voll auf ihre Kosten. Ein Wermutstropfen bei dem Konzert im Bürgerhaus Unterweissach ist jedoch, dass die Musik für den kleinen Veranstaltungsort zu laut ist. Will man sich auf die Texte einlassen, sind diese teilweise so stark von der Rockmusik überlagert, dass sie kaum zu verstehen sind.

Obwohl die Musiker mit ihren Instrumenten alles geben, will im überschaubar besuchten Bürgerhaus Unterweissach auch keine richtige Rockkonzert-Stimmung aufkommen. Obwohl die drei hervorragenden Musiker aus Aspach, Murrhardt und Schwaikheim rocken, was das Zeug hält, tanzt niemand beim Rockabend von „Grauer Mann tanzt“.

Nach knapp über einer Stunde gibt es noch eine Zugabe, in der die Musiker zu Höchstform auflaufen. Weder an mangelndem musikalischen Können, noch an den Texten hat es gelegen, dass beim Rockkonzert im Bürgerhaus Unterweissach einfach nicht der Punk abging.


            Henning Dedekind verbindet mit seiner neuen Band persönliche und zeitkritische Texte mit rockiger Musik, in die aber auch Elemente aus anderen Genres einfließen. Er ist Autor des Buches „Krautrock – Underground, LSD und kosmische Kuriere“. Foto: A. Becher

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