Von Renate Häussermann
BACKNANG. Entspannte Atmosphäre, nur drei Zuhörer. Backnang hat sich in der Krankenhaus-Angelegenheit offensichtlich beruhigt. Kritik kam lediglich aus der BfB-Fraktion, die auch diesen Bericht beantragt hatte: „Die Verwaltung lädt Herrn Dr. Nickel und Herrn Landrat Dr. Sigel zur kritischen Diskussion über die Zukunft des Kreisklinikums Winnenden in den Gemeinderat ein.“
Doch zur „kritischen Diskussion“ kam es am Donnerstag nicht. Die entwaffnende Offenheit sowohl von Landrat Richard Sigel als auch von Klinikchef Marc Nickel nahm den beharrlichen Gegnern den Wind aus den Segeln.
Neuer Landrat, neuer Geschäftsführer, neuer Anfang. Und dieser Anfang sieht gut aus. Der Landrat, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Rems-Murr-Kliniken ist, begann seine Ausführungen damit, dass das Wachstum 2015 die Erwartungen übertroffen habe: plus 16 Prozent in Winnenden, plus 3 Prozent in Schorndorf. „Die Kliniken haben sich in den letzten Wochen und Monaten sehr positiv entwickelt“, so der Kreischef.
Auch im ersten Quartal 2016 sieht’s gut aus. In Winnenden wie auch in Schorndorf konnte die Leistung gegenüber dem Vorjahr deutlich gesteigert werden. Insgesamt wird 2016 „ein moderaterer Wachstumskurs“ (Nickel) erwartet. Und wenn es auch in Schorndorf recht gut läuft, ist immer noch nicht gesagt, dass das Krankenhaus auch für ewig und immer Bestand hat.
Zu viele Patienten
im Vergleich
zum Pflegepersonal
Doch das Positive bringt auch Probleme. „Wir hatten ein so starkes Plus, dass es zu viele Patienten im Vergleich zum Pflegepersonal gab“, berichtete Sigel. Die Folge: „Wir suchen händeringend Personal“, ergänzte Nickel. „Wir beackern alle Pflegeschulen.“ Ja, es würden schon 1000 Euro Prämie unterm Personal ausgesetzt, wenn es zur Vermittlung weiterer Pflegekräfte komme.
Bei der Stellenbesetzung der Ärzte scheint es etwas besser auszusehen. Die bisherigen Erfolge, so Sigel, machten die Kliniken für hoch qualifizierte Ärzte attraktiv. Die neuen Chefärzte kommen aus Stuttgart, Ulm, Esslingen und Markgröningen und bringen teilweise Kollegen mit. Sigel: „Die Koryphäen kommen zu uns.“
Wer dagegen nicht oder eher etwas verhalten zu den Rems-Murr-Kliniken kommt, das sind die Menschen aus dem Backnanger Raum. Des Landrats klare Antwort: „Wenn die Qualität stimmt, gehen die Menschen hin.“
Letztlich also ein Prozess des Vertrauens. Dieses scheinen die Menschen aus dem Raum Backnang zum Gesundheitszentrum Backnang zu haben, denn dieses wird sehr gut angenommen.
Dass es bei 42612 stationären Behandlungsfällen im Jahr 2015 auch Beschwerden gibt, versteht sich. Ein Beschwerdemanagement wurde aufgebaut.
Ein noch nicht bereinigtes Problem ist die Notaufnahme. SPD-Fraktionsvorsitzender Heinz Franke sprach in der Sitzung von „Chaos“. Denn: „Wenn jemand mit Verdacht auf Herzinfarkt drei Stunden warten muss – das darf nicht sein.“
Nickel und Sigel sprechen von 45000 Kontakten pro Jahr in der Notaufnahme und wissen nur zu gut um das Problem. Deshalb wird die Notaufnahme umgebaut. Ab 1. Juni soll der Umbau beginnen und bis Ende des Jahres dauern. Es soll dann drei Aufnahmestellen geben, einen Erstaufnahmecheck, mehr Personal, dazu acht Fachärzte, die von 8 bis 22 Uhr zur Verfügung stehen, und die gesamte Führung soll unter einer Führungskraft stehen, die das alleinige Sagen hat.
Was die Backnanger Räte einschließlich OB Frank Nopper aber am meisten umtreibt, sind die Schulden des Klinikums. Auf Ende 2014 lag der Schuldenturm bei 240 Millionen Euro. Und an diesen Schulden haben alle Kreisgemeinden zu tragen. Nämlich über die Kreisumlage. Gerhard Ketterer (CDU) machte darauf aufmerksam, dass wegen der hohen Kreisumlage wichtige Projekte in Backnang geschoben werden müssten. Und Charlotte Klinghoffer (BfB) fragte, ob der Landkreis eines Tages womöglich Insolvenz anmelden müsse. „Als Landkreis insolvent zu gehen, ist ausgeschlossen, da wird vorher die Kreisumlage ins Unermessliche steigen“, antwortete Landrat Sigel. Doch so weit möchte er es nicht kommen lassen. Irgendwo sei dann doch die Schmerzgrenze erreicht. Man sei dabei, die Fakten „sauber aufzuarbeiten“, versicherte er. Und: „Wir bleiben auf dem Boden.“
Weil es vor allem die Backnanger sind, die sorgsam darauf achten, dass der Schuldenberg bei Klinik-Diskussionen nicht unbeachtet bleibt, war der Landrat vorbereitet. Er sprach das Thema „Privatisierung“ an und verwies auf das Beispiel Offenbach. Dort wurde das Klinikum 2013 für den symbolischen Euro an Sana verkauft. Man musste später erkennen, dass es keine finanziellen Vorteile für die Stadt gab und Personal abgebaut wurde. Denn die Renditeerwartungen bei privaten Kliniken sind zweistellig. Sigel denkt nach eigenem Bekunden „derzeit nicht über eine Privatisierung nach“. Auch deshalb nicht, weil ein großer Teil der Kontrolle über den Versorgungsauftrag verloren ginge.
Es wirde mit Hochdruck am Medizinkonzept gearbeitet. Nickels Erfolgsformel für die Rems-Murr-Kliniken: Die Mitarbeiter stehen zu den Kliniken, und der Kreis steht zu den Kliniken, dann gehen auch die Bürger zu den Kliniken.