Von Carmen Warstat
BACKNANG. Ein bisschen sieht er aus wie ein Nerd, aber er ist keiner. Nicht wirklich jedenfalls. Oder er will keiner sein, will das Klischee nicht bedienen. Das Nerdhafte in sich versucht er demzufolge zu verbergen, sagt er, es im Geheimen auszuleben, quasi, wenn niemand dabei ist – so ungefähr jedenfalls – naja.
Patrick Brosi wirkt bescheiden. In Tübingen hat er nach einem kurzen Ausflug in die Geschichtswissenschaft ein zum Teil hartes Informatikstudium durchgezogen und ist also beruflich in einem Fach zu Hause, das dem Normalo Rätsel aufgibt. Aber er ist nicht stolz darauf oder so. Sein Fachgebiet habe sich einen Elfenbeinturm erschaffen, allein schon durch die sehr spezielle Sprache mit den vielen seltsamen Anglizismen und Codes.
Er selbst findet es unspektakulär und meint, dass häufig weniger hinter all dem steckt, als der Laie wahrscheinlich vermutet. Nicht, dass er es abwertet, aber die Frage drängt sich auf, warum er der Geschichtswissenschaft den Rücken kehrte, um zur Informatik zu wechseln. Das müsse mit seiner schwäbischen Herkunft zu tun haben, vermutet der Wahl-Freiburger. In Backnang geboren, wuchs er in einer Unterweissacher Handwerkerfamilie auf, wo das „richtige“ Arbeiten an der Tagesordnung war, das Herstellen von etwas Konkretem, das Schaffen. Irgendwie hat er das im Geschichtsstudium vermisst und den Unterschied hinsichtlich der Anforderungen im Vergleich zum Informatikstudium als extrem erlebt. Und das letztlich gewählte Fach passt ja auch zu ihm.
Schon als Kind war Patrick Brosi eher der Stubenhocker. Fußball mit Freunden draußen war nicht. Er vertiefte sich lieber in Comics. Exzessiv habe er die gelesen. Und jetzt schreibt er. Kriminalromane. Aber wann hat das angefangen? Patrick Brosi erinnert sich recht gut daran: Irgendwann während der Grundschulzeit brach er sich einen Finger und begann bald, diesen durch das Schreiben wieder zu trainieren. So entstanden die ersten Geschichten, deren einzige Leserin wohl seine Mutter gewesen sei. „Wenn ich mich richtig erinnere, war das auch schon Spannungsliteratur“, sagt der Autor und dass diese ersten Werke leider verschollen sind. Dagegen hielt er erst vor Kurzem wieder eigene Arbeiten aus der Abiturzeit in den Händen. Damals besuchte er im Bildungszentrum Weissacher Tal Barbara Krugs Literaturkurs, der ihm sehr geholfen hat, sich etwa stilistisch zu entwickeln. Patrick Brosi weiß noch, dass es eher um poetische Texte ging als um Stories. „Zum Teil gar nicht so schlecht“, befindet er heute, auch wenn manches rückblickend peinlich wirkt, die Aufsätze aus der achten Klasse sind peinlicher.
Längst sprengen seine Arbeiten auch den quantitativen Umfang von Schulaufsätzen. 480 Seiten lang ist sein 2015 erschienener Roman „Der Blogger“, den er noch zu Studienzeiten schrieb. Täglich mindestens zehn Seiten, so der Vorsatz, an den der Autor sich bis heute höchst diszipliniert hält, weil sonst gar nichts zustande käme. Seine Freundin ist die erste Leserin, und: „Ja, sie kann schon kritisch sein“, bemerkt er lächelnd. Vor Kurzem wurde „Der Blogger“ als bester Wirtschaftskrimi mit dem Stuttgarter Krimipreis ausgezeichnet. Und Patrick Brosi weiß nicht, warum. Weder rechnete er damit, dass sein Buch so gut sei, noch habe er einen Wirtschaftskrimi schreiben wollen. Zwar ist seine Geschichte im Milieu der Pharmaindustrie angesiedelt und thematisiert entsprechend Skandale, doch legt der Autor Wert darauf, trotz akribischer Recherche kein Sachbuch geschrieben und zu allererst eine gute Story im Blick gehabt zu haben. Er hat es nicht so mit dem Moralisieren. In „Der Blogger“ lässt er jene Figuren, die dazu neigen, letztlich als egoistische Narzissten entlarven. Es gibt da „extrem wenige sympathische Figuren.“
Allein Kommissar Nagel bleibt sich und seinen Überzeugungen treu und muss dafür bezahlen. Kein Märchen also. „Mit Abstand meine Lieblingsfigur“ nennt der Autor diesen Nagel und erwähnt Marie, die, wie der Verlag schreibt, „das richtige Leben im falschen“ zu führen versucht. Kein Wunder, dass Patrick Brosi, bescheiden, wie er ist, diese Anspielung auf Adorno „vielleicht etwas hochtrabend“ findet. Brosi macht sich selbst und anderen wirklich nichts vor.