Von Matthias Nothstein
BACKNANG. „Ich möchte nicht, dass meine Partei mitregiert.“ Wann hat man je schon einmal eine solche Aussage aus dem Mund eines Politikers gehört? Jetzt ist es so weit. SPD-Stadträtin Sieglinde Lohrmann spricht sich ohne Wenn und Aber für eine grün-schwarze Koalition aus. „Der Wählerwille ist klar erkennbar. Die Bürger wollen, dass die Grünen weiterregieren, und da kommt für mich nur Grün-Schwarz infrage. Die Wähler wollen die SPD nicht in der Regierung haben, sonst hätten sie uns mehr Stimmen gegeben, damit wir die bisherige Koalition hätten weiterführen können. Meine Meinung: Sie haben uns den Regierungsauftrag entzogen.“
Für Lohrmann bedeutet das Abschneiden der Sozialdemokraten ein Schlag ins Gesicht. „Unsere gute Arbeit wird nicht honoriert. Alle Erfolge unserer Regierung werden als Leistung der Grünen verbucht. Und wir werden abgestraft.“ Zwar räumt Lohrmann ein, dass einige Fehler gemacht wurden „im Rüberbringen der Themen, in der Wortwahl“. Auch gesteht sie ein, dass Nils Schmid nicht der Charismatiker ist, „aber Guido Wolf ist auch kein Sympathieträger“.
Lohrmann zeigt sich kämpferisch: „Wir von der SPD haben gelernt, mit Niederlagen umzugehen. Wir werden alles versuchen und für die Zukunft wieder alles mobilisieren.“ Bei all den negativen Erfahrungen freut es Lohrmann jedoch, dass wenigstens Gernot Gruber für seine Arbeit belohnt worden ist. „Die Leute haben erkannt, was er für den Wahlkreis alles gemacht hat.“
Das zweite Plädoyer für Grün-Schwarz kommt von Willy Härtner. Der grüne Kreis- und Stadtrat sagt ehrlich: „Das, was ich mir gewünscht habe, ist nicht eingetreten. Nämlich die Fortführung der bisherigen Koalition.“ Da auch Gernot Gruber ein Mandat erhalten hat, „hätten wir unsere ökologischen Themen gut vertreten können“. Der Wunsch geht nicht in Erfüllung. „Nun müssen wir uns der Realität stellen. Und da bleibt nur Grün-Schwarz übrig. Das hätte ich noch vor ein paar Jahren niemals gesagt. Aber jetzt sollten wir uns drauf einlassen.“
Laut Härtner ist es der erklärte Wählerwille, dass Ministerpräsident Kretschmann im Amt bleiben soll, das hat er selbst von vielen CDU-Sympathisanten gehört. Viele davon wechselten sogar ins grüne Lager. Der Fraktionsvorsitzende im Backnanger Gemeinderat lehnt im Gegenzug eine Dreierkonstellation kategorisch ab, „es ist in einer Polit-Ehe schon schwierig, zwei Partner unter einen Hut zu bringen“. Da jedoch CDU-Frontmann Guido Wolf mit seinen Forderungen zu forsch auftritt, rät Härtner den Christdemokraten, ihren glücklosen Chef in die Wüste zu schicken. „Die Partei müsste ihm klarmachen: Du hast die Wahl verloren.“ Ohne Wolf sieht Härtner in der CDU einen geeigneten Koalitionspartner. Im Gegenteil. Beim Thema Energiewende könnte er sich sogar eine bessere Zusammenarbeit als mit der SPD vorstellen, „die Genossen waren bei der Energiewende nicht mit Herzblut dabei“. Wobei er auch hier Gruber wieder ausdrücklich aus seiner Kritik ausnimmt.
Was laut Härtner gar nicht geht, ist die sogenannte Deutschland-Koalition, bei der die Grünen leer ausgehen würden. „Wenn bei dieser Wahl eines klar war, dann das: Kretschmann soll Ministerpräsident bleiben.“ Auch Grün-Rot-Gelb ist für Härtner keine Option. Die Aussage der FDP, mit den Grünen nicht zu koalieren, war eindeutig. Zudem hält der Backnanger nichts vom Dreierpakt. Also bleibt nur Grün-Schwarz: „Ich denke, wir sollten dieses Experiment probieren.“
CDU-Mann Volker Schwarze hat eine völlig andere Auffassung. Im Vorfeld hat er sich klar für Schwarz-Gelb ausgesprochen, was nun aber deutlich gescheitert ist. Jetzt plädiert Schwarze für die Deutschland-Koalition. Dass dabei die Grünen auf der Strecke bleiben, ficht den Christdemokraten nicht an, „das hat es schon öfter gegeben, dass nämlich die stärkste Partei am Ende in der Opposition gelandet ist“. Und ein wenig schnippisch ergänzt er: „Im Übrigen auch bei der letzten Wahl 2011.“
Schwarze spricht sich auch trotz des Debakels für Guido Wolf aus. „Er war unser Spitzenkandidat. Und ich sehe auch auf Landesebene keine Alternative.“ Mit dem lokalen Kandidaten ist Schwarze sehr zufrieden. (Noch-)Landtagspräsident Wilfried Klenk hat zwar 13 Prozent im Vergleich zur 2011er-Wahl verloren, aber er hat in der Region Stuttgart immerhin eines von nur zwei Direktmandaten für die CDU geholt. „Es freut mich für Klenk, dass ihm das gelungen ist. Aber die Verluste sind heftig, da gibt es nichts zu beschönigen.“ Andererseits ist ihm auch klar, dass im Wahlkreis Backnang die AfD mit dem Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen sehr stark besetzt war.
Die Zusammenarbeit mit der FDP wird wohl glatt laufen, prognostiziert Schwarze. Bei Themen wie Infrastruktur und Bildung sieht er kein Problem. Schwieriger wird wohl das Miteinander mit den Sozialdemokraten, wo es vor allem bei der Bildungspolitik Reibungspunkte gibt. Andererseits weiß der Backnanger: „Koalitionen sind immer auch Verhandlungssache.“
Auch die Liberale Gudrun Wilhelm erklärt eindeutig, dass ihre Partei mit den Grünen die wenigsten Übereinstimmungen hat. Deshalb plädiert sie ebenfalls für die Deutschland-Koalition. „Und ich hoffe, dass sich die Parteiführung daran hält, was im Vorfeld der Wahl gesagt wurde. Denn nichts wäre für die FDP schädlicher, als wenn man ihr nachsagen könnte, sie wäre beliebig.“ Eben dies war Wilhelm zufolge der Fehler bei der letzten Regierungsbeteiligung im Bund. „Es wurden bei den Koalitionsvereinbarungen zu viele Zugeständnisse gemacht. Am Ende ist nicht mehr klar rausgekommen, was die Erfolge der FDP sind.“ Die Kirchbergerin listet etwa die Bemühungen um Steuersenkungen oder die Abschaffung der Praxisgebühr auf. „Es ist nie beim Bürger angekommen, was die Handschrift der FDP ist.“
Die Liberalen wären auch im Falle von Grün-Rot-Gelb an der Macht. Für Wilhelm aber undenkbar. „Die FDP hat allen Parteien ihr Programm zugeschickt. Die Grünen haben darauf nicht einmal geantwortet.“ Jetzt stellt sie auf stur: „Ich würde aufschreien, wenn wir allerlei Zugeständnisse machen würden, bloß um mit im Boot zu sein.“
Auf der anderen Seite ist Wilhelm die einzige, die die AfD nicht komplett ignoriert. „Es handelt sich um eine demokratisch gewählte Partei. Die haben in der Regionalversammlung zu einigen unserer Forderungen gesagt, ,die sind vernünftig, die tragen wir mit‘. Die AfD hat landesweit 15,1 Prozent geholt. Ich würde mir nie anmaßen, zu sagen, das ist alles nur Protest.“