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Fromme Eremiten, rätselhafte Symbole

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Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Der Manierismus, ein Übergangsstil zwischen Renaissance und Barock, entstand Anfang des 16. Jahrhunderts in Italien. Viele der dortigen Maler, Bildhauer und Architekten flohen vor politischen Unruhen ins benachbarte Ausland, umgekehrt reisten Künstler anderer europäischer Länder zum Studium nach Italien.

Dies führte dazu, dass mit dem Manierismus erstmals eine Kunstrichtung in ganz Europa Verbreitung fand. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die Vervielfältigungstechnik des Kupferstichs. Die Familien Sadeler aus Flandern und Kilian aus Augsburg waren bedeutende Künstler-Dynastien, die Kupferstiche nach berühmten Gemälden und Skulpturen anfertigten und als Verleger und Händler in Europa vertrieben. Zeitweise standen sie im Dienst der Höfe von Augsburg, München und Prag. Diese Städte entwickelten sich damals dank ihrer kunstinteressierten Regenten zu kulturellen Zentren von europäischem Rang.

Der Manierismus wendet sich vom Ideal der Renaissance mit ihrer Hinwendung zur Antike und ihrem Streben nach ausgewogenen Kompositionen ab und macht sich auf die Suche nach dem Extremen, Übertriebenen, Künstlichen: Menschliche Proportionen werden überlängt, Körper grotesk verdreht, Gesten extrem überzogen dargestellt wie in „Amor fucatus (Allegorie auf die Gefährlichkeit der trügerischen Liebe)“, einem Kupferstich von Raphael Sadeler nach einem Gemälde von Hans von Aachen.

Die Kunst schwelgt im Rätselhaften, Symbolischen, Überladenen. Allegorien und Darstellungen aus der Mythologie haben Hochkonjunktur. Erotische Themen kommen auf. Nacktheit wird offen gezeigt oder notdürftig mit üppigen Faltenwürfen verhüllt. Landschaften dienen nicht mehr nur als Hintergrund, sondern werden ein eigenständiges Motiv. Im Zusammenhang mit der Gegenreformation spielen religiöse Themen eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel in einem Zyklus mit Stichen von Jan Sadeler nach Bildern von Marten de Vos. Die Blätter zeigen Eremiten beim Gebet, bei der Arbeit, beim Lesen oder bäuchlings vor einem Kreuz liegend. Die Umgebung und die Landschaften im Hintergrund sind detailliert ausgearbeitet und voller Verweise und Anspielungen.

Dass die Stiche manchmal nicht als eigenständige Kunstwerke, sondern als Dokumentationsmittel oder Vorlagen für andere Darstellungen dienten, wird an einigen Gebrauchsspuren sichtbar: Knicke, handschriftliche Vermerke, über den Druck gezeichnete Raster oder Linien.

Die Exponate der Ausstellung stammen zum größten Teil aus dem Bestand der Ernst-Riecker-Stiftung, ergänzt durch Leihgaben aus der Staatsgalerie Stuttgart und private Leihgaben.

Zahlreiche Texttafeln bieten ausführliche Hintergrundinformationen zum Manierismus, den Künstlern und ihren Auftraggebern.

Die Ausstellung im Backnanger Graphik-Kabinett, Petrus-Jacobi-Weg 5, wird heute um 20 Uhr eröffnet. Sie ist bis zum 24. Januar dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 19 Uhr geöffnet. Am 24., 25., 31. Dezember und am 1. Januar ist die Ausstellung geschlossen, am 26. Dezember und am 6. Januar ist die Werkschau von 14 bis 19 Uhr geöffnet.


            Maria mit Christuskind und den Schutzengeln Bayerns, die eine Tafel mit Bayernkarte tragen, unten links kleine Ansicht von München: Ein Werk von Raphael Sadeler.Foto: P. Wolf

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