Von Annette Hohnerlein
BACKNANG. Eher zierlich mutet das Brücklein an, das da auf einem Sattelschlepper auf der bis gestern gesperrten B14 liegt. Der Gitterboden und die dünnen Metallgeländer machen zunächst keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Aber der Blick auf die Unterseite offenbart die stabile Konstruktion aus Stahlträgern. Und es soll ja nicht für die Ewigkeit sein, es handelt sich um eine Behelfsbrücke, die so lange ihren Dienst tun soll, bis das endgültige Bauwerk geplant und genehmigt ist.
Das Provisorium beendet einen Zustand, der seit einem halben Jahr die Benutzer der S4 zwischen Backnang und Ludwigsburg nervt. Seit dem Unfall im vergangenen September, bei dem der Bagger auf einem Lkw-Auflieger an der Eisenbahnbrücke hängen blieb und sie irreparabel beschädigte, müssen sie in Burgstall von der S-Bahn in den Bus beziehungsweise umgekehrt umsteigen.
Neben dem Lkw, der in der Nacht zum Samstag die vorgefertigte Brücke angeliefert hat, stehen der rote Autokran der Firma Scholpp aus Stuttgart, zwei weitere Laster mit Gewichten und einer Seilwinde sowie ein paar Baufahrzeuge auf der B14. Rund ein Dutzend Bahnmitarbeiter in orangefarbener Schutzkleidung und einige Mitarbeiter der Firma Scholpp bevölkern die Baustelle.
Bevor die Brücke mit ihrer Länge von 15 Metern und einer Breite von 6 Metern emporgehoben und auf die Fundamente aus Beton gesetzt werden kann, sind einige vorbereitende Arbeiten zu erledigen, die ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Zwei Bahnmitarbeiter messen zunächst die Länge der Brücke: Passt, es kann weiter gehen. Der rote Autokran bringt sich in Position und fährt seine vier Stützen aus, die von den Arbeitern mit Bohlen unterlegt werden. Dann hebt sich langsam der Teleskopausleger.
Daran werden nacheinander mit Ketten mehrere Gewichte befestigt, vom Lkw gehoben und auf der rückwärtigen Plattform des Krans platziert.
Nach und nach finden sich Zuschauer auf der Brücke ein, auf der, wenige Meter von der Baustelle entfernt, die K1897 von Backnang nach Burgstetten über die B14 führt, und von der man eine perfekten Überblick hat. Unter ihnen ist auch der dreijährige Luca aus Burgstetten mit seiner Oma. Fahrzeuge aller Art haben es dem aufgeweckten Jungen angetan, immer wieder zeigt er mit seinen Fingerchen auf das Geschehen, kommentiert die Arbeitsschritte des Bautrupps („Das muss er vorsichtig machen“) und spricht sachkundig von „schwerem Gerät“.
„Wenn ich daheim wäre, müsste ich jetzt im Garten schaffen“
Auch der zehnjährige David aus Aspach schaut genau zu. „Schau, jetzt holt er das Gewicht“, sagt seine Mutter. „Das ist eine Seilwinde, Mama“ korrigiert David. Er überlegt sich, warum man die Brücke nicht mit dem Zug transportiert hat und kommt zu dem Schluss, dass sie dafür wohl zu breit ist.
Im Lauf des Vormittags kommen immer mehr Schaulustige zum Ort des spannenden Geschehens, zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto. Am Ende stehen rund 50 Personen auf der Brücke und harren bei strahlendem Sonnenschein der Dinge, die da kommen sollen. „Wenn ich daheim wäre, müsste ich jetzt im Garten schaffen“, so der trockene Kommentar eines Zuschauers.
Gegen 14 Uhr wird es spannend. Der Autokran fährt seinen Teleskopausleger noch weiter aus und dreht ihn probeweise mithilfe der Drehbühne einmal um 360 Grad. Dann geht es auf einmal ganz schnell: Die Bahnmitarbeiter befestigen Ketten und Stahlseile, die von der Seilwinde am Kranausleger herab hängen, an der Brücke, diese spannen sich, und plötzlich beginnt das 38-Tonnen-Bauwerk zu schweben, während es an den vier Ecken von Arbeitern mit Seilen stabilisiert wird. Nachdem noch die Lager an der Unterseite angebracht worden sind, beginnt der spektakulärste Teil des Einsatzes. Ganz langsam hebt der Kran die Brücke empor, schwenkt sie im Halbkreis und senkt sie auf den Betonfundamenten ab – eine Präzisionsarbeit, die vom Kranführer viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert.
Noch zwei Wochen müssen sich die S-Bahn-Kunden gedulden, so lange dauern die abschließenden Arbeiten an Gleisen und Oberleitung. Voraussichtlich ab dem 13. März rollt die S4 dann wieder zwischen Backnang und Burgstetten.
