Von Ingrid Knack
BACKNANG. 25 Arbeiten auf Papier von Lyonel Feininger befinden sich im Besitz der Graphischen Sammlung des Museums Kunstpalast in Düsseldorf. Diese sind der Ausgangspunkt der Feininger-Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der städtischen Galerie Stihl Waiblingen konzipiert wurde. Um 15 Arbeiten Feiningers aus dem Museum Folkwang Essen und Beständen weiterer Sammlungen ergänzt, kann das gesamte grafische Spektrum Feiningers anschaulich präsentiert werden. Die Düsseldorfer Ausstellung „Lyonel Feininger – Form. Raum. Farbe“ endete am 22. Januar.
Bevor die Werke nach Waiblingen gingen, wurde die eine oder andere lichtempfindliche Arbeit auf Papier ausgetauscht. Auch ganz frühe Arbeiten aus dem Bereich der Comic Strips und einige Holzfiguren sind nur in Waiblingen zu sehen, wie Galerieleiterin Silke Schuck versichert. Die nach Motiven gruppierte Präsentation macht es dem Besucher leicht, sich auf die Bild- und Formsprache „zwischen Linie und Fläche, zwischen harten Schwarz-Weiß-Kontrasten und luziden Farben, zwischen gegenständlicher und beinahe abstrakter Wiedergabe der Wirklichkeit, zwischen Karikatur und Kristallinem“ einzulassen, wie Gunda Luyken Feiningers „Wandern zwischen den Welten“ im Katalog beschreibt. Silke Schuck spricht von einer kubistisch anmutenden, prismatischen Bildsprache.
Doch bevor man sich in der Waiblinger Ausstellung auf die Humoresken, die Architekturbilder, die Häuser und die Szenen zwischen Himmel und Meer, das Kommen und Gehen der Spaziergänger und der Eilenden oder die Stadt am Ende der Welt konzentriert, stimmen Fotografien des Künstlers der Klassischen Moderne, der in keine Schublade zu stecken ist, auf das Eintauchen in einzigartige Bilderwelten ein. Die Aufnahmen stammen von Feiningers Sohn Andreas, einem international geschätzten Fotografen. Auf einem Foto ist auch ein Modell einer Segeljacht zu sehen. Segelboote und weite Meereslandschaften gehören zu den zentralen Themen des Künstlers. „Bei den Segelschiffen kann man seine Wurzeln sehen“, erklärt Schuck. Und die liegen in der Romantik.
Dass Feininger, der beinahe Violine studiert hätte, sich dann aber doch für die Kunstgewerbeschule in Hamburg entschied, immer eine Musikerseele geblieben ist, spiegelt sich auch in seinen Bildern. „Wie er Räumlichkeit auffasst, wie er mit Flächen umgeht, das hat eine rhythmische Komponente“, sagt Schuck. Später komponierte Feininger sogar Fugen für Orgel. Im Begleitprogramm zur Ausstellung wird auf diesen Aspekt eingegangen. Die Pianistin Viviane Goergen spielt am 29. März unter anderem mehrere Fugen Feiningers.
Karikaturen und Zeichnungen
für Zeitschriften
Die in Waiblingen zu sehenden Plakate für die Zeitschriften „Das kleine Witzblatt (1899), „Das Narrenschiff“ (1898) und das Titelblatt für die Zeitschrift „Lustige Blätter“ (1900), das einen Panzerkreuzer der deutschen Flotte zeigt, zeugen davon, dass Feininger zunächst nicht als freier Künstler arbeitete, sondern als Auftrags-Karikaturist und -Illustrator. Mit seinem gemalten Panzerkreuzer greift er ein wenig lustiges Thema in einer Zeit auf, als sich eine britisch-deutsche Rivalität breitmachte. Silke Schuck: „Das Bedrohungsszenario eines möglichen ausbrechenden Krieges wurde hier schon antizipiert.“
Karikaturen und Titelblätter Feiningers erschienen auch in der Beilage des Berliner Tagblatts „Ulk“, Zeichnungen in der Wiener Zeitschrift „Der liebe Augustin“. Bis 1910 waren in mindestens neun regelmäßig erscheinenden deutschen, amerikanischen und französischen Zeitschriften über 1500 seiner Zeichnungen abgedruckt.
Dann verhalf ein Vertrag mit der Chicago Sunday Tribune im Jahr 1906 dem Künstler zu größerer Unabhängigkeit und künstlerischer Freiheit. Feininger dachte sich zwei Comic-Strip-Serien aus, darunter Wee Willie Winkie’s World, von der zahlreiche Tuschfederzeichnungen in Waiblingen zu sehen sind. Diese hatte Feininger noch einmal gezeichnet, um ein Kinderbuch zu veröffentlichen. So weit kam es aber nicht.
Feiningers zweite Frau Julia Berg, die in Weimar Kunst studierte, war mit dafür verantwortlich, dass Feininger den Schritt ganz in die künstlerische Selbstständigkeit wagte. Sie führte ihn auch an die Druckgrafik heran. Zunächst mit Lithografien und Radierungen. Ab 1918 entstanden dann Feiningers erste Holzschnitte. Sie zeigen thüringische Dörfer, Kirchen und Türme in den unterschiedlichsten Variationen. Bei Ausflügen in die Umgebung machte der erste Meister des Bauhaus-Gründers Walter Gropius Skizzen. Diese dienten ihm nach der Rückkehr 1937 nach Amerika als Ideenquelle.
Während sich Feiningers Architekturdarstellungen aus kristallin überlagerten Flächen zusammensetzen, führen die Federzeichnungen eine humor- und stimmungsvolle Wahrnehmung der Wirklichkeit vor Augen. Feiningers Sinn für lichte Farben ist besonders in den atmosphärischen Aquarellen spürbar, während Helldunkelkontraste die Dramatik seiner Kohlezeichnungen prägen. Zwischen rationalistischer Wiedergabe und sehnsuchtsvollem Ausdruck pendelnd, wirken seine Bilder zeitlos und visionär.
Neben den Architekturmotiven und Schiffen findet sich in der Waiblinger Ausstellung eine große Gruppe mit Werken, auf denen Eisenbahnen und Viadukte zu sehen sind. Hier kann man gut ablesen, wie Feininger mit der Perspektive umgeht. „Mit extremen Verkürzungen und Verzerrungen gelingt es Feininger, eine andere Auffassung der Räumlichkeit in das Bild zu bringen“, so Schuck. Die Wirklichkeit wird „kristallisiert“, zersplittert, und in eine neue Ordnung gebracht. Auch fließen verschiedene Zeit-Epochen in einem Bild zusammen. Mitunter erhält eine Eisenbahnen sogar menschliche Züge und kommt wutschnaubend daher. Und da sind die Maschinen, die wie Menschen porträtiert werden und neben den trockenen Konstruktionszeichnungen stehen. Oder die Spielzeughäuschen aus Holz, gemacht für seine Kinder.
Beim Kapitel „Kommen und Gehen“ sticht besonders die Straßenszene in Paris mit den Figuren hervor, die sich in alle Richtungen gleichzeitig bewegen. Ein zauberhaftes Bild in einer faszinierenden, facettenreichen Ausstellung.
