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Ein Geschäftsmann durch und durch

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Von Renate Häußermann

BACKNANG. Eugen Idler war und ist stets ein angenehmer Gesprächspartner. Er ist ein Handwerker und Geschäftsmann durch und durch. Und er hat sich seinen Charme bis ins hohe Alter erhalten. „Man sollte alles so annehmen, wie es ist, und zufrieden sein“, resümiert er.

Weit weg und doch lebendig ist die Kindheit. Geboren im Jahr 1927, wuchs Eugen Idler in einem Geschäftshaushalt auf. In der Gerberstraße in Backnang, wo die Eltern eine Metzgerei und eine Gastwirtschaft betrieben. Die Idler-Kinder hatten eine unbeschwerte Kindheit. Gefragt wurde der kleine Eugen nicht, was er einmal werden wolle. Es war ganz klar, dass er den elterlichen Betrieb übernehmen sollte. Es war eine Zeit, wo eine schwarze Wurst oder eine Rote noch zehn Pfennige kostete.

Eugen Idler machte seine Lehre in einem Stuttgarter Betrieb. Man schrieb das Jahr 1943. Der Meister meldete ihn zur Fahrschule an, weil der Lehrbub in Ermangelung anderer Arbeitskräfte stärker eingespannt werden musste. Die Stuttgarter Metzgerei galt als „kriegswichtiger Betrieb“. Während der Fahrstunde wurden Fleisch und Würste ausgefahren, und der Fahrlehrer bekam ein üppiges Vesper. Nach acht Fahrstunden in vier Tagen hatte der Lehrling den Führerschein in der Tasche.

Der Backnanger Metzgerssohn war gerade mal 17 Jahre alt, als er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. 1945 kam er in amerikanische Gefangenschaft und wurde den Franzosen überstellt. Dreieinhalb Jahre lang musste er in einem französischen Bergwerk schuften. Die Gefangenschaft hat ihn fürs Leben geprägt. Es gab Selbstmorde und Selbstverstümmelungen unter den Kameraden. „Ich habe mir immer gesagt: Du musst gesund heimkommen.“ Er hat gelernt, durchzuhalten.

Mit 22 Jahren kam er in sein geliebtes Backnang zurück. Bei einigermaßen ordentlichen Gesundheit. Es waren 50 Kameraden aus Württemberg, mit denen sich Eugen Idler noch regelmäßig traf. Jetzt sind es noch vier. „Die Gefangenschaft hält uns immer noch gefangen“, sagt der 90-Jährige. Es ist ein Lebensabschnitt, den er nie vergessen kann. Aber er versuchte, das Beste daraus zu machen. Auch wenn die Zeit im französischen Bergwerk noch so schlimm war, Eugen Idler hegte keinen Groll gegen die Franzosen. Im Gegenteil. Die Aussöhnung mit Frankreich und die Pflege der Soldatengräber sind ihm bis heute ein besonderes Anliegen.

1950 machte er seinen Meister, 1955 heiratete er und übernahm das elterliche Geschäft. 1982 siedelte er seinen Betrieb nach Waldrems aus. 1985 übernahmen die Söhne Eberhart und Eckart den Fleischmarkt und führen ihn bis heute. Das Geschäft so früh abzugeben, hat er nie bereut: „Das war mein bester Zug.“ In diesem Mai wird das 125-jährige Bestehen der Fleischerei Idler gefeiert. Es verstreicht kaum ein Tag, an dem Eugen Idler nicht im Betrieb ist. Er hat immer noch seinen Schreibtisch, und er weiß immer noch, was Sache ist. Doch er hält sich zurück. Die Söhne sind jetzt die Chefs. „Ich habe tüchtige Söhne. Wenn etwas ist, dann spricht man darüber und saut nicht gleich auseinander“, sagt der Senior, dem Harmonie ein wichtiges Anliegen ist. „Nie davonlaufen“, ist seine Devise. Eugen Idler stellte sich immer den Herausforderungen. Er übernahm Verantwortung als Stadt- und als Kreisrat. Und er verkämpfte sich in besonderem Maße für seinen Berufsstand. „Ich hätte nie gedacht, dass es so ein Schlachthofsterben geben würde“, sagt er heute im Blick auf den erbitterten und letztlich verlorenen Kampf um den Backnanger Schlachthof. Niemals hätte er sich auch träumen lassen, dass eines Tages alteingesessene Metzgereien ums Überleben kämpfen müssten. Von 1960 an war Idler für seinen Berufsstand ehrenamtlich aktiv. Über 20 Jahre lang war er Obermeister der Fleischerinnung Backnang, und er war Gründungsmitglied der Innungskrankenkasse Backnang. Er war im Vorstand des Fleischerhandwerks Baden-Württemberg und der Handwerkskammer Stuttgart, um nur einiges zu nennen. Für sein ehrenamtliches Engagement wurde Eugen Idler vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und der Medaille „Madonna von Stalingrad“ vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

„Die Jugend lebt von ihren Träumen, die Alten von ihrer Erinnerung“, sinniert der 90-Jährige. Eugen Idler interessiert sich nach wie vor sehr für das weltpolitische Geschehen und hofft auf Vernunft und friedliche Lösungen.


            Eugen Idler ist sehr stolz auf sein Lebenswerk. Die Fleischerei wird jetzt in der vierten Generation geführt und feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Foto: A. Becher

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