Von Katharina Klein
AUENWALD. Aygün Altay sieht aus, als hätte er gerade jemanden um die Ecke gebracht. Gelbe Gummistiefel, blutgetränkter weißer Overall, Gruselmaske auf dem Gesicht. „Ich bin der Schlachter von Winnenden“, erklärt der 21-Jährige. Es geht ihm aber nicht darum, andere Leute mit seinem Aussehen zu erschrecken. Vielmehr sieht er den tieferen Sinn hinter dem Fest: „Ich kenne die Geschichte und feiere Halloween bewusst. Es ist der eine Tag im Jahr, an dem sich die Unterwelt mit unserer Welt vermischt und man seine böse Seite zeigen darf.“ Nach den passenden Utensilien für sein Kostüm musste er nicht lange suchen: „Ich habe einen Kumpel, der ziemlich verrückt nach Halloween ist, von ihm habe ich einige Dinge bekommen.“
Etwas mehr Eigenaufwand hat dagegen Sarah Kasten betrieben. Ihr Gesicht durchziehen große Narben, die Kleidung ist zerrupft, der linke Arm ist rötlich-schwarz, der rechte grün. „Das ist alles aus selbstgemachter Latexmilch, die ich im trockenen Zustand dann mit Acrylfarbe bemalt habe,“ erklärt die 22-Jährige. Die Idee zum Do-it-yourself-Latex hat sie von einem Youtube-Tutorial. Sage und schreibe sieben Stunden hat sie an Halloween damit verbracht, die vorbereitete Masse auf ihren Körper aufzutragen und zu bemalen, die Narben anzubringen und die Augen mit Kontaktlinsen auszustatten. Ein Aufwand, der sich für Kasten aber lohnt: „Ich verkleide mich das ganze Jahr über gerne und liebe Crossplay.“
Die Generation Ü30 schaut bei diesem Ausdruck vielleicht etwas irritiert. Wer gerne Crossplay betreibt, verkleidet sich als Figur des anderen Geschlechts. In Kastens Fall ist sie halb Frankensteins Monster und halb Zombie. Katharina Vent hat eine ähnliche Leidenschaft. Ihr hat es das Cosplay angetan. Im Gegensatz zum Crossplay geht es hierbei nicht darum, das Geschlecht zu wechseln, sondern sich lediglich als fiktiven Charakter zu verkleiden. „Ich bin Ciri aus The Witcher.“ Im Vergleich zu Kastens Outfit, sieht Vent eher brav aus. The Witcher ist ein Videospiel, Ciri ein weiblicher Charakter daraus. „Ich finde sie cool. Für Horror-Sachen habe ich mich nie begeistert,“ so die 18-Jährige. Ein krasses Gegenteil dazu bildet Maurizio Kipf. Sein Ziel, als Brandopfer durchzugehen, hat er erreicht. Der Kopf ist mit blutenden Narben übersät, Haare sind nicht mehr sichtbar. Zwei Stunden hat er gebraucht, bis er so aussah. Aber die Vorbereitungszeit dauerte um einiges länger. Der Grund: Auch er hat mithilfe einer Youtube-Anleitung selbst Latex hergestellt. „Meine Mutter ist bei so was immer ziemlich erfinderisch. Sie hat das Video gefunden, und dann haben wir es ausprobiert.“ Nun aber muss der 20-Jährige mit den Konsequenzen einer solch aufwendigen Kopfbedeckung leben: „Das ist ganz schön schmerzhaft, weil die Maske die ganze Zeit an meinen Haaren zieht.“
Etwas gruseliger wäre auch Alexandra Kutschera gerne auf die Party gegangen, aber: „Ich dachte, wenn ich mit einer Axt herkomme, lassen sie mich vielleicht nicht rein.“ Die 19-Jährige hat sich für ein schwarz-weißes Clownskostüm entschieden. Es ist zwar nicht das klassische Gruselclown-Outfit, aber auf die Idee gekommen ist Kutschera dennoch wegen der jüngsten Entwicklungen: „Vor zwei Wochen habe ich einen Artikel über die Horrorclowns in den USA gelesen und mich dann entschlossen, auch als Clown zu gehen.“ Ein klassisches Halloween-Outfit hat Tobias Neumann gewählt. Begegnete man ihm auf der Straße, wäre der erste Reflex wohl, einen Krankenwagen zu rufen. Offener Nasenbruch, Narben und Blut über das gesamte Gesicht verteilt. Aber Neumann gibt Entwarnung: „Wir sind alle Zombies.“ Er und seine neun Freunde waren vier Stunden damit beschäftigt, jeden wie einen Zombie aussehen zu lassen. Für den 24-jährigen Neumann stellt sich nicht die Frage, ob es an Halloween gruselig sein darf oder nicht: „Ein Mal im Jahr hat man die Chance, sein inneres Böses rauslassen. Dann mach ich das auch.“


