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Stütze für den Kreis in neuer Rekordhöhe

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Von Armin Fechter

MURRHARDT. Traditionell haben zu Beginn einer jeden Kreistagssitzung die Bürgermeister der Gastgebergemeinde das Wort. Armin Mößner – selbst Kreisrat in den Reihen der CDU-Fraktion – nutzte die Gelegenheit zu einem flammenden Appell an die Kollegen und in Richtung Verwaltungsbank. Der Rems-Murr-Kreis sei Spitzenreiter im Land, was die Höhe der Kreisumlage angeht, beklagte Mößner: Die Stadt Murrhardt müsse bereits rund 6 Millionen Euro an den Landkreis zahlen – 1,9 Millionen Euro mehr als 2004 und auch erheblich mehr, als dies in Nachbarlandkreisen der Fall sei, wo die Kommunen durch die Kreisumlage spürbar weniger belastet würden. Städte und Gemeinden müssten daher Investitionen zurückstellen und zulasten ihrer Bürger kürzen und streichen, um die Mittel für die Kreisumlage aufzubringen. Das könne so nicht mehr weitergehen.

Mößner mahnte das Prinzip „leben und leben lassen“ an. Die kommunale Familie könne nur funktionieren, solange es gerecht zugehe. Doch die einst vereinbarte hälftige Aufteilung des Steuerkraftzuwachses zwischen Kommunen und Kreis sei auch in diesem Jahr nicht in Sicht: „Das tut der Familie nicht gut.“

Landrat Sigel versuchte zu beschwichtigen, ehe er auf das Zahlenwerk an sich einging: Das Prinzip „leben und leben lassen“ habe man sehr wohl im Blick gehabt, es gelte, Spielräume zurückzugewinnen, was nicht eben leicht sei.

Denn da ist zum Beispiel das Klinikdefizit, das auf die Kreisfinanzen drückt. „Hier haben wir das Tal der Tränen noch lange nicht überwunden“, erklärte Kämmerer Geißler. Für 2017 rechnet er – trotz einer spürbaren Verbesserung des operativen Ergebnisses um 3 Millionen Euro – mit einem Fehlbetrag von 22,2 Millionen Euro. Davon will Geißler im kommenden Jahr 19,2 Millionen Euro ausgleichen. Die Differenz soll dann in den Folgejahren aufgebracht werden.

„Klinikdefizite sind bis zu einer gewissen Höhe darstellbar“, fügte Landrat Sigel an. Denn Kliniken seien eine gute Investition in die Gesundheit der Bürger. Dauerhaft könnten aber „nur wirtschaftlich arbeitende Kliniken eine Gesundheitsversorgung bereitstellen, die wir uns als Kreis langfristig leisten können“. Sigels Sorge gilt dabei den gesetzlichen Rahmenbedingungen: „Bund und Land ziehen hier die Zügel an“, sagte er im Blick auf künftige Vorgaben im Rahmen eines „Fixkostendegressionsabschlags“. Dieser berge das Risiko, dass der Landkreis für gute Leistungen in Richtung Wachstum abgestraft wird. Offen ist auch die Förderung des Landes für 70 Plätze, die bereits gebaut und auch voll ausgelastet, aber nicht als Planbetten anerkannt sind. Jedenfalls seien, so Sigel, die Spielräume zur Senkung der Kreisumlage wegen des Geldbedarfs für die Kliniken auch künftig eingeschränkt.

Ein anderer Punkt, der die Kreisverwaltung umtreibt, sind die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge. Es sei gelungen, binnen weniger Monate 5000 Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten, Sprachkurse zu organisieren und funktionierende Strukturen aufzubauen, auch dank der zupackenden Mitarbeit in den verschiedenen beteiligten Institutionen und Behörden und der ehrenamtlichen Helfer vor Ort. Man stehe jetzt auch nicht mehr mit dem Rücken zur Wand, sondern sei kurz davor, dass alle Notunterkünfte wieder geräumt sind. Aber ob die „nachgelagerte Spitzabrechnung“, die vom Land versprochen wurde, tatsächlich kommt, ist nach wie vor mit einem Fragezeichen behaftet. „Die Kommunen dürfen nicht im großen Stil auf den Risiken und Kosten der Flüchtlingskrise sitzen bleiben“, fordert Sigel. Immerhin geht es dabei laut Geißler um knapp 42 Millionen Euro. Andererseits hat die Flüchtlingskrise den sozialen Wohnungsbau noch mehr in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Der Rems-Murr-Kreis sei dabei mit seiner Kreisbau weiter als andere. Allein in Murrhardt sollen 30 Wohneinheiten neu entstehen.

„Was passiert, wenn Steuerung in den Hintergrund tritt, haben die Ergebnisse der Organisationsuntersuchung im Jugendamt gezeigt“, erklärte Sigel weiter: Ein Gutachter hat einen Bedarf von fast 60 zusätzlichen Stellen errechnet. In einem Stufenplan sollen davon im nächsten Jahr 46,7 Stellen geschaffen werden. Dies dürfe aber keine Blaupause für das Landratsamt insgesamt sein, mahnte Sigel: „Wir müssen uns selbst durch effizientere Prozesse und kürzere Arbeitswege Spielräume verschaffen.“

In den beruflichen Schulen des Landkreises haben die Schülerzahlen ein neues Allzeithoch erreicht: Nicht zuletzt wegen der Flüchtlinge besuchen in diesem Schuljahr 11097 junge Menschen einen der angebotenen Bildungsgänge. Mit dem von Bund und Land ausgerufenen „Ende der Kreidezeit“ werde die Digitalisierung ein zentrales Thema. Es gelte, einen Masterplan aufzustellen und zu ermitteln, welche Kosten auf den Kreis zukommen.

Auch beim Ausbau des Breitbandnetzes werde der Landkreis Gas geben, kündigte Sigel an. Ziel sei eine flächendeckende Glasfaserversorgung, „sonst verlieren wir den Anschluss und auch unsere jungen Menschen“. Deutschland hinke da weit hinterher und gelte als elektronisches Entwicklungsland. Auch in der Kreisverwaltung gebe es einiges zu tun in Richtung Digitalisierung, etwa beim Online-Verkauf von Müllmarken.


            Der Hebesatz für die Kreisumlage geht nach dem Plan von Landrat und Kämmerer zwar leicht zurück. Die Gesamtsumme, die der Landkreis von den Städten und Gemeinden holen will, steigt dennoch – weil die Steuerkraft der Kommunen als Berechnungsgrundlage kräftig zugelegt hat.

            Mammutwerk mit 813 Seiten und gewichtigen Zahlen: Kreiskämmerer Frank Geißler und Landrat Richard Sigel präsentieren den Kreishaushalt für das Jahr 2017. Foto: J. Fiedler

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