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Eine Biografie mit vielen Brüchen

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Von Kathrin Dörr

WAIBLINGEN/BURGSTETTEN. Diverse Betrugsdelikte werden einem 23-Jährigen aus Burgstetten vorgeworfen, der derzeit als Angeklagter in Waiblingen vor dem Amtsgericht steht. Der junge Mann ist bereits einschlägig vorbestraft. Am ersten Verhandlungstag stand die Biografie des Mannes im Vordergrund, die einige Brüche aufzeigt.

Nach seinem Realschulabschluss war er auf dem Wirtschaftsgymnasium, das er mit der Fachhochschulreife verließ. Er brach eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann ab und jobbte dann. Im Moment arbeitet er als Testeinkäufer.

Ihm wird vorgeworfen, er habe 2013 und 2014 in großem Stil vor allem Elektrogeräte im Internet bestellt, die Verträge widerrufen und die Pakete leer wieder zurückgeschickt. Die Geräte habe er behalten und behauptet, er habe sie ordnungsgemäß wieder zurückgesandt. Der Angeklagte gestand alle ihm vorgeworfenen Taten in vollem Umfang. „Wir sind ganz deutlich im fünfstelligen Schadensbereich“, stellte der Staatsanwalt fest. Er geht von einem Schaden von 25000 Euro aus. Ein Polizeibeamter sagte als Zeuge aus. Er war unter anderem an einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten beteiligt. „In der Wohnung war alles neu“, erinnerte er sich. „Bei der nächsten Durchsuchung war die Wohnung komplett leer geräumt.“ Nur noch zwei Gartenmaschinen wurden gefunden. Eine Nachbarin gab an, sie habe ungefähr vierzig oder fünfzig Pakete für den Angeklagten angenommen. Außerdem erstattete der Angeklagte Anzeige bei der Polizei, er bekäme ständig Pakete, die er gar nicht bestellt habe. Diese habe er nun alle wieder zurückgeschickt.

Der junge Mann habe beispielsweise einen Einbaubackofen bestellt und einen anderen stattdessen wieder zurückgeschickt mit der Behauptung, er habe dieses Modell nicht bestellt. Bei der ersten Wohnungsdurchsuchung Ende 2013 wurde jedoch ein Ofen bei ihm gefunden, der dieselbe Seriennummer hatte wie der, den er dann einige Monate später zurücksandte. Ein Hauptdiskussionspunkt war, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewandt werden sollte. Schwierig machte diese Entscheidung, dass der Angeklagte einen Teil der Taten als Heranwachsender begangen haben soll, den anderen als Erwachsener. Die Betrugsdelikte seien eher keine jugendtypische Verfehlung, gab der Richter zu bedenken. Reifes Auftreten

wirkt wie eine Fassade

„Er wirkt immer sehr souverän und reif“, meinte der Jugendgerichtshelfer. Trotzdem habe er das Gefühl, dass dieses erwachsene Auftreten nur eine Fassade sei, um Probleme in der Persönlichkeit und mit den Eltern zu verstecken. Der Richter wies auf die Brüche in der Biografie hin. Der frühe Auszug aus dem Elternhaus spräche auf der einen Seite für Selbstständigkeit und für Erwachsenenstrafrecht. Jedoch habe der Versuch, selbst Fuß zu fassen, bisher nicht ganz funktioniert, was wiederum eher an das Jugendstrafrecht denken ließe.

Das Verhältnis zu den Eltern des Angeklagten sei schwierig. Zu beiden habe er keinen Kontakt mehr. In einem Bericht aus einem früheren Verfahren wurde die Vermutung geäußert, der Vater des Angeklagten habe seine anderen leiblichen Kinder finanziell unterstützt, nur den Angeklagten nicht.

Seine Freundin erwartet im Dezember ein Kind. „Dann wird das Einkommen Ihrer Freundin erst mal wegfallen, dann wird das Geld noch knapper“, prophezeite der Richter. „Ich möchte nicht meinem Kind zumuten, dass ich die ersten Jahre nicht da bin und es alleine aufwachsen muss und es dann so wird wie bei mir“, sagte der 23-Jährige.

Die Verhandlung wird im Oktober fortgesetzt. Gericht und Staatsanwaltschaft einigten sich auf eine Obergrenze von zwei Jahren Gefängnisstrafe. Ein genaues Strafmaß wird aber erst am Ende der Verhandlung feststehen.


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