WEISSACH IM TAL (mz). Inklusion war das Thema bereits beim 24-Stunden-Bowling im Rahmen der Nachhaltigkeitstage. Etwas sollte ins Rollen gebracht werden, das Thema Inklusion sollte zur Diskussion anregen. Tatsächlich rollte der Ball nahezu 24 Stunden lang, und tatsächlich wurde das thematisiert, was Gesprächsstoff sein sollte. Eine Behinderung kann jedem jederzeit irgendwo zustoßen, leitete Silke Müller-Zimmermann von der Projektgruppe Klik die Talkrunde in der Sitzmulde im Bildungszentrum ein.
Sichtlich enttäuscht war Müller-Zimmermann über so wenig Publikum. Mit so wenig Resonanz hatten die Teilnehmer des Podiums auch nicht gerechnet.
Bürgermeister Ian Schölzel sprach den Bau des Schulzentrums an: Alles auf einer Ebene, wenige Barrieren, so der erste Eindruck, da könnten Menschen mit einer Einschränkung Zugang zu einem normalen Leben haben.
Das war auch Podiumsteilnehmer Siegfried Eckstein wichtig. Man müsse ganz früh anfangen, die Menschen zusammenzubringen. Eckstein wurde in einer Zeit geboren, in der es ganz und gar nicht normal war, dass Menschen mit Behinderung am Leben teilnahmen. Café-Besuche mit einer Behindertengruppe wurden zum Teil nicht gebilligt, aber „beim Italiener ging es“, so erzählte er. Er habe jedoch Glück gehabt, ihm sei stets Positives begegnet, sei es bei der schulischen Ausbildung, sei es im Sport. Im Tischtennis war er zuerst beim SGW und später in einer Mannschaft mit Menschen mit Behinderung, die Spitzenleistungen erbringen können, überregional und deutschlandweit unterwegs.
Simon Maier arbeitet beim Kreisjugendring und erzählte von seiner positiven Erfahrung bei einer KJR-Freizeit, zu der er erst gar nicht wollte, weil er dort der Einzige mit einer körperlichen Behinderung war. Er hat bei der Geburt Pech gehabt und kam mit einer Sauerstoffschädigung zur Welt. Im Rollstuhl ist er oft auf Hilfe angewiesen, aber er meinte: „Gegenüber anderen ist meine Behinderung pille-palle“.
Über die positive Ausstrahlung von Menschen mit Behinderung erzählte Silvia Hämmerle (Life-giving-forest). Auf den Philippinen ist die Begegnung mit Behinderten ganz normal, die angebotene Hilfe erschlägt die Menschen manches Mal. Aber so richtig viele Begegnungen mit Behinderten hatte sie in Deutschland wenig. „Schön wäre es, wenn es immer so wäre wie beim Kirchentag, da ist das Aufeinandertreffen, gemeinsam diskutieren und singen ganz normal“.
Rasta aus Gambia hatte ebenfalls auf dem Podium Platz genommen. Er sagte, es sei wichtig, positiv zu denken, und es sei egal, wie ein Mensch aussehe, wo er herkomme, „everybody has red blood“ – jeder hat rotes Blut.
Lea Lang, die gerade ihre Fachhochschulreife am Berufskolleg Gebärdensprache gemacht hat, erläuterte im Rahmen ihrer Moderation Definitionen von Barrieren, Inklusion und Integration.
Interessierte Fragen aus dem Publikum und konkrete Hausaufgaben für den Bürgermeister füllten den Abend schnell. Marco Longobucco wurde vor fast genau 17 Jahren, also 6041 Tagen oder 144976 Stunden (Marco rechnet die Zahlen geschwind mit dem Kopf aus) aus dem „normalen Leben gehebelt“. Körperlich eingeschränkt bedeute nicht gleich dumm, sagt er und erzählt von seinen Begegnungen mit Menschen. „Sie können mit mir ganz normal reden, ich bin ein helles Köpfchen“. Mit viel Energie und Eigeninitiative hat sich Marco selbst ins tägliche Leben „inkludiert“.
Auf einander zugehen, sich kennenlernen, gemeinsam etwas unternehmen und positiv miteinander umgehen sind wichtige Schlüssel zum gemeinsamen Leben. Menschen auf gleicher Augenhöhe zu sein, „all men are equal“, das ist die Voraussetzung. Barrieren abschaffen im Kopf, aber auch im Alltag, gleich so bauen, dass jeder Mensch dort leben kann.
Der Sitzungssaal im Rathaus sollte dringend auch für Trauungen für alle Menschen zugänglich sein, gerade an so einem Tag sollte man seine Einschränkung nicht zu spüren bekommen, so der Standesbeamte Siegfried Eckstein. Gescheite Radwege in Weissach im Tal und nach Backnang sollten endlich geschaffen werden, fordert Longobucco. Und die Bahn muss echt nachbessern, so Simon Maier, der ein Lied von „travelling with Deutsche Bahn“ singen kann.
Silke Müller-Zimmermann lud zum Abschied zu den zahlreichen Möglichkeiten der Begegnung in der Gemeinde ein. Jeden Donnerstag trifft sich die Bowling-inklusiv Gruppe; beim AK Integration und Refugeeskreis Backnang, im Bazärle und beim Globalen Löffel können Kontakte geknüpft werden.
Gewinner des 24-Stunden-Bowlings: Marion Schurr, Gerhard Wertenauer, Jessi Müller, Yagemur Kadakolu, Stella (Kindergarten Liebigstraße), Birgit Ulmer, Sophie Gottwald, Ulrike Hausladen, Lena Probe, Frieder Förstner, Tom Förster, Hacer Kasakolu, Selina Schurr, Nicolas-Elieas Veit, Frank Müller, Claudia Lang, Volker Genthner, Leonie Probe, Sanne und Karin König. Die Preise wurden von der Raiffeisenbank Weissacher Tal und der Volksbank Backnang gestiftet.