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Blitzeblanke Katzenwohnungen

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Von Nora Haselmayer

GROSSERLACH. „Tiere sind die besten Freunde. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.“ Dieses Zitat von Mark Twain ziert die Wand des Flurs im Tierheim in Großerlach. Katzenbesitzer wissen zwar nur zu gut, dass ihre Haustiere auch ohne Worte wahre Meister im Kritisieren sind, aber vom Grundgedanken her stimme ich Mark Twain voll und ganz zu. Von der romantischen Vorstellung, dass der Job eines Tierpflegers darin besteht, mit Tierbabys zu spielen, habe ich mich schon vor langer Zeit verabschiedet. Ich denke aber, dass ich mir für meinen eintägigen Ferienjob eine sehr sinnvolle Beschäftigung ausgesucht habe.

Leiterin Marion Bentrup begrüßt mich herzlich am Eingang des Hauptgebäudes und gibt mir eine kurze Führung durch die Einrichtung mit weitläufigem Gelände. „Hier kann man sich schnell mal verirren, wenn man sich nicht auskennt“, sagt die Tierpflegerin schmunzelnd. Sie zeigt mir die Katzen, die in kleinen Gruppen in Zimmern mit anliegenden Terrassen wohnen, den Außenbereich mit Kaninchen- und Meerschweinchengehegen und ein entfernter liegendes Gebäude, in dem zum Großteil die Hunde untergebracht sind. Beim Betreten dieses Bereichs springen die Vierbeiner an den Metallgittern nach oben und bellen ohne Unterlass – klar, für sie bin ich ein Eindringling. Marion Bentrup erzählt, dass einige der Hunde beschlagnahmt worden waren und deshalb ins Tierheim gekommen sind. Das heißt, sie wurden von ihrem Besitzer stark vernachlässigt. Sie haben gerötete Augen, und an ein paar Stellen ist ihnen das Fell ausgefallen. „Solche Tiere können erst einmal nicht vermittelt werden, sie müssen noch die psychische Belastung überwinden“, sagt die Tierheimleiterin.

Die fünf samtpfotigen Bewohner sind erst einmal schüchtern und beäugen mich mit kritischem Blick

Marion Bentrup führt mich zurück zum Hauptgebäude, damit ich mich an die Arbeit machen kann. Meine Aufgabe: Katzenzimmer putzen. Katrin Schöneck, die Auszubildende, zeigt mir, wo ich die Putzlappen und den Besen finden kann. Das Zimmer erinnert an einen kleinen Wohnraum, da es mit Waschbecken, Putzschrank und Stühlen ausgestattet ist. Auf einigen Decken und Bettlaken können es sich die Vierbeiner gemütlich machen. Die fünf samtpfotigen Bewohner sind erst einmal schüchtern und beäugen mich mit kritischem Blick aus ihren Katzenkörben, die auf mehreren Regalen verteilt stehen. Aber einer ist gleich an meiner Seite: Jimmy, ein schwarz-braun getigerter Kater mit weißen Flecken, streicht schnurrend um meine Beine. Genussvoll schließt er die Augen, als ich ihn hinter den Ohren kraule. Ausgiebige Streicheleinheiten bleiben jedoch leider auf der Strecke, denn ich habe klare Anweisungen. „Zum Putzen musst du den Kittel und Einweghandschuhe anziehen“, weist mich die Praktikantin ein. Brav knöpfe ich mir die weiße Putzjacke zu und schlüpfe in die Handschuhe, deren Geruch mich noch den ganzen Tag verfolgen sollen. Zuerst schnappe ich mir die kleine Schaufel und wühle mich durch die Einstreu der Katzenklos. Damit bin ich erst einmal eine Weile beschäftigt, denn fünf Katzen machen eben auch fünfmal mehr Dreck als nur ein einziger Stubentiger.

Als Nächstes widme ich mich den Regalbrettern, die von diversen Katzenhaaren befreit werden müssen. Dort finde ich auch Reste von nassem Katzenfutter. Trotz unserer frisch geschlossenen Freundschaft kann Jimmy mir nicht erklären, wie das dorthin gelangen konnte. Dafür erfahre ich von Katrin, dass sie bereits zwei Katzen aus dem Tierheim bei sich daheim aufgenommen hat. „Es ist schwierig, nicht noch mehr Tiere mit nach Hause zu nehmen“, gesteht sie. Zugegebenermaßen kann ich das sehr gut nachvollziehen. Ich mag es mir einbilden, aber Jimmy schaut mich sehr erwartungsvoll mit seinen treuen grünen Augen an...

Schnell besinne ich mich wieder auf meine Aufgabe. Die „Katzenwohnung“ soll schließlich so sauber wie möglich werden. Also klopfe ich die Katzenhaare aus den Decken und schwinge noch Besen und Wischmopp. Als ich die Wasserschale aufgefüllt und für Trockenfutternachschub gesorgt habe, geht es auch schon weiter zu den Kaninchen.

Katrin stellt mich dem braunen Farbzwergkaninchen Ulan vor. Ulan ist frisch kastriert. Aufgrund der erhöhten Entzündungsgefahr des Tieres ist sein Innengehege mit Handtüchern ausgelegt – anstatt mit der üblichen Einstreu. Das kommt mir beim Kötteleinsammeln entgegen – dabei empfinde ich natürlich tiefstes Mitgefühl für den entmannten Kaninchenherren. Bei seinen Artgenossen ist das „Verunreinigungenentfernen“ – wie Marion Bentrup es ganz förmlich betitelt – um einiges aufwendiger. Zwischen Holzspänen nach den kleinen, großzügig verteilten Kotkügelchen zu suchen, ist nämlich eine Aufgabe, die wohl selbst Wimmelbuchwütige würde erblassen lassen. Ich gebe trotzdem mein Bestes und fege im Anschluss noch das Außengehege, bevor ich Wasser und Heu auffülle. So arbeite ich mich von einem Gehege zum nächsten vor und bin mir am Ende nicht mehr so sicher darüber, ob ein Schreibtischjob das Schlimmste ist, was man seinem Rücken antun kann. Im Gespräch mit Marion Bentrup bestätigt sich meine Vermutung: Der Job eines Tierpflegers besteht zu 80 Prozent aus Putzen. „Dafür ist es immer wieder schön, ein Tier erfolgreich zu vermitteln“, versichert die Tierheimleiterin.

  In unserer Serie „Ferienjob“ verlassen die Redakteure und unsere Praktikantin ihren Arbeitsplatz und schnuppern in andere Berufe hinein. Es ist aber nicht nur das reine Zuschauen – nein – wenn es geht, wird richtig mitgeschafft.


            Zur Tierliebe gehört auch dazu, in allen Bereichen für Sauberkeit zu sorgen.

            Jimmy leistet mir auch Gesellschaft, wenn die Fressnäpfe nicht voll sind...Fotos: E. Layher

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