Von Martin Winterling
WELZHEIM. Die Statik des Laufenmühle-Viadukts verglich der Welzheimer Bürgermeister Thomas Bernlöhr mit den Flugkünsten einer Hummel. Rein physikalisch kann sie nämlich nicht fliegen. Zum Glück weiß dies die Hummel nicht und hebt zuverlässig ab. Ähnlich ergeht es den in den Jahren 1908 bis 1911 gebauten Viadukten der Wieslauftalbahn. Ihre Statik widersetzt sich heutigen Berechnungsmethoden. Doch die Bauwerke kümmert dies herzlich wenig und die Erfahrung hat ja gezeigt, dass sie stehen. Bloß der Zahn der Zeit hat arg am Beton genagt.
Dass die Viadukte der denkmalgeschützten Bahnstrecke in absehbarer Zeit saniert werden müssen, war 2010 bei der Eröffnung der Schwäbischen Waldbahn klar. Doch Anfang 2015 explodierten die Kosten für das mit 168 Metern längste und mit acht Bögen größte Viadukt an der Laufenmühle von geschätzten 1,2 auf 3,5 Millionen Euro. Der Grund: Die Statik, siehe Hummel, sollte wiederhergestellt und nachgewiesen werden. Zudem schien Anfang des Jahres auch der Betrieb der Tourismusbahn gefährdet. Der Aufwand, das Viadukt mit heutigen Methoden der Statik zu sanieren, wäre immens gewesen und die Kosten hoch. Unter die alten Bögen wären 30 bis 50 Zentimeter dicke Betonvorsatzschalen eingezogen worden, was die Silhouette des Denkmals nachhaltig verändert hätte.
Angesichts der hohen Kosten schienen bereits die Totenglöcklein für die Waldbahn zu läuten, die gerade erst in Fahrt gekommen war. In ihrer Not suchten Bürgermeister Thomas Bernlöhr und sein Hauptamtsleiter Reinhold Kasian, im Nebenberuf Geschäftsführer der Waldbahn, eine günstigere Alternative. Das Institut für Bauchemie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte im Auftrag von Stadt und Waldbahn eine alternative Sanierung.
Zum einen haben die KIT-Ingenieure zusammen mit Materialspezialisten Ende 2015 die Statik neu berechnet. Mit der sogenannten statistischen Sensitivitätsanalyse konnte die Tragfähigkeit der Brücke für den Bahnverkehr nachgewiesen werden. Zum anderen ergab sich die Möglichkeit, mit einem innovativen Injektionsverfahren die Betonvorsatzschale zu vermeiden. Hochfeiner Zement wird gezielt dorthin injiziert, wo es brüchige Stellen gibt.
Mittels Ultraschall und Bauradar waren Zentimeter für Zentimeter des Viadukts bis in eine Tiefe von 50 beziehungsweise 70 Zentimeter untersucht, dokumentiert und die maroden Stellen identifiziert worden, erklärt Reinhold Kasian die technische Vorgehensweise. „Das Ergebnis überzeugt“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Welzheim. Durch gezielte Injektionen von Zementsuspensionen könne „eine unmittelbare Homogenisierung der Gefüge- also Betonstörungen erfolgen“. Unterm Strich ist dieses Verfahren nicht nur preisgünstiger. Es hat bereits auch Neugier bei den Straßenbauverwaltungen geweckt, die sich landauf, landab mit brüchigen Brücken herumschlagen und teure Instandsetzungen fürchten.
„Bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen ist ein Baubeginn der Maßnahme im März 2017 realistisch“, sagt Bernlöhr. Die Sanierung habe keinen Einfluss auf den Bahnbetrieb.
