Von Florian Muhl
BACKNANG. Die Euphorie war groß. Die Erwartung auch. Als der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl bei der Einweihung der B-14-Anschlussstelle Backnang-Mitte vor gut einem Monat verkündete: „2016 könnte es bis Waldrems weitergehen“ (wir berichteten), horchten alle hoffnungsvoll auf. Auch der Backnanger Bundestagsabgeordnete und Verkehrsstaatssekretär Norbert Barthle hatte Zuversicht versprüht: Heute sei der Weg frei für den ersten Teilabschnitt von Nellmersbach bis zum Knoten Waldrems, sagte er und überreichte dem Landesverkehrsminister Winfried Hermann die schriftliche Zustimmung aus dem Hause Dobrindt zur weiteren Planung.
Auch wenn damit keine Finanzierungszusage verbunden sei, zeigte sich Barthle guter Dinge, dass die für das Straßenstück erforderlichen 10 Millionen Euro aus dem milliardenschweren sogenannten Schäuble-Paket für Straßenbau-Investitionen abgezweigt werden können. Und tatsächlich: Nur zehn Tage später, am 20. Juli, wurde der Geldsegen für bessere Fernstraßen und Brücken bestätigt. Der Bund sagte die Finanzierung in Höhe von 537 Millionen Euro von 15 angemeldeten Projekten in Baden-Württemberg zu; darunter der Weiterbau der B14 bis Waldrems, für den 10 Millionen lockergemacht wurden.
Schier überschwänglich die Kommentare, die an Lobeshymnen erinnerten: „Lob und Dank nach Berlin. Verkehrsstaatssekretär Norbert Barthle hat sein (...) gegebenes Wort eingelöst – viel schneller als erwartet“, hatte beispielsweise Dr. Frank Nopper verkündet. „Deswegen ist heute auch ein Straßenbau-Festtag für den gesamten Backnanger Raum – auf dem Weg zur Vierspurigkeit bis zum Autobahnzubringer/Krähenbachkreuzung“, so der Backnanger Oberbürgermeister damals weiter. Und Leutenbachs Bürgermeister Jürgen Kiesl kommentierte: „Mir fällt ein ganzer Quaderstein vom Herzen. Denn damit ist ein Ende der Leidenszeit für die stau- und durchgangsverkehrgeplagten Leutenbacher Bürger absehbar. Der Baubeginn wurde schon 2009 versprochen und daraufhin Bäume zwischen Nellmersbach und Waldrems gefällt. Sofern das jahrelange Hin und Her nun tatsächlich ein gutes Ende findet, wovon ich ausgehe, bedeutet das den Durchbruch, wenn der Flaschenhals Waldrems als letzter großer Stauknoten zwischen Winnenden und Backnang entschärft ist.“
Doch wird „der engste Flaschenhals im Norden der Region Stuttgart“ (O-Ton Nopper) tatsächlich verschwinden? Was wird tatsächlich geliefert, wenn der Bund 10 Millionen Euro springen lässt? Es wird nicht mehr und nicht weniger als ein Kilometer vierspurige Straße sein. Genau genommen sind’s nur 960 Meter. Und das reicht – aus Richtung Stuttgart kommend – von Nellmersbach, wo bislang der vierspurige Ausbau der B14 endet, bis zum Ortseingang Waldrems. An der Stelle, wo der Autofahrer linker Hand die vielen Satellitenschüsseln sieht, wird die freie Fahrt enden. Dann nämlich werden die zwei Fahrstreifen in jede Richtung jeweils in die Einstreifigkeit übergehen.
Der Flaschenhals wird also nur um „ein Bröckele“, wie es Redaktionsleiter Reinhard Fiedler vor wenigen Tagen beim Redaktionsgespräch mit Norbert Barthle ausdrückte, nach Norden verschoben. Aber warum ist so ein Bröckele von einem Kilometer so teuer und kostet 10 Millionen? „Das ist normal“, so der Staatssekretär im Verkehrsministerium. „Straßenbau ist bei uns sehr, sehr teuer, sehr aufwendig.“ Das gelte auch für diesen Abschnitt, selbst wenn keine Brücke gebaut werden muss, dieselbe Trasse benutzt wird und auch die Topografie zu keinen Schweißausbrüchen bei den Planern führen dürfte.
Auch aus dem Backnanger Baurechtsamt kommt die Information: Das mit den Kosten kommt schon hin. Beim Fernstraßenbau rechne man mit einem Eckwert von 500 bis 1000 Euro für jeden Quadratmeter. Bei einer Straßenbreite von insgesamt 22 bis 23 Metern seien die 10 Millionen schnell erreicht.
Die Ausbaupläne sehen zudem einen neuen Verkehrsknoten vor, der kurz vor dem Ortseingang von Waldrems liegt und die Opti-Kreuzung (B14/Donaustraße/Neckarstraße) entlasten soll. Über den neuen Knoten wird das Gewerbegebiet Waldrems von Norden her über die Illerstraße erschlossen, die ausgebaut und verlängert werden soll (gelber Pfeil im Foto). Am neuen Knoten wird es eine Ampelanlage geben; nicht bedarfsgesteuert, wie beispielsweise beim Gewerbegebiet Lerchenäcker, sondern wahrscheinlich mit einem Signallaufprogramm, das heißt im Zeittakt wechselnd. Wer aus dem Gewerbegebiet kommend über die Illerstraße auf die B14 fahren möchte, kann auf einer Rechtsabbiegerspur in Richtung Stuttgart abbiegen oder auf einer Linksabbiegerspur in Richtung Schwäbisch Hall.
Zur Entlastung der Opti-Kreuzung ist vorgesehen, dass man die Donaustraße nur noch in Richtung Gewerbegebiet befahren darf, aber nicht mehr in Richtung B14. Eine Ausnahmeregelung wird es wohl für Linienbusse geben und eventuell auch für Rechtsabbieger (mit Grüner-Pfeil-Regelung) die auf die B14 in Richtung Stuttgart abbiegen wollen. Verkehrsplaner haben bereits ausgerechnet, dass sich mit dieser Maßnahme die durchschnittlichen Wartezeiten etwa halbieren lassen, von derzeit 68 bis 70 Sekunden auf dann 36 Sekunden.
Laut Regierungspräsidium (RP) und Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg werden die Ausschreibungsunterlagen derzeit erstellt. Geplant ist, dass die Arbeiten im kommenden Jahr begonnen und noch im Jahr 2017 fertiggestellt werden.
Und was ist mit dem weiteren Ausbau der B14 bis zum Autobahnzubringer (Backnang-West)? Die Kosten dafür geben RP und Verkehrsministerium mit 134 Millionen Euro an, inklusive des zweiten Murrtalviadukts. Seit dem 18. Oktober 2007 liegt zwar ein rechtsbeständiger Planfeststellungsbeschluss vor. So wurden in diesem Abschnitt bereits das erste Murrtalviadukt gebaut und auch die neue Anschlussstelle Backnang-Mitte. Aber für den nächsten Abschnitt in Waldrems bis zur alten Schule, inklusive Tunnel und Kreisverkehr, fehlt die Baureife, wie Barthle beim Redaktionsgespräch mit unserer Zeitung betonte.
Noppers Euphorie hat sich mittlerweile scheinbar relativiert: „Die B14 ist so etwas wie eine Lebensaufgabe für Politiker aller Ebenen, ja eine Lebensaufgabe für Politiker mehrerer Generationen. Beim Bundesfernstraßenbau lernt man, demütig und bescheiden zu werden.“ Aus diesem Grund sei er froh und glücklich, dass es jetzt wenigstens Schritt für Schritt vorangeht. „Kritiker würden sagen: Schrittle für Schrittle“, so der Oberbürgermeister.