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Rot bedeutet das Ende – oder die Rettung

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Von Peter Wark

BACKNANG. Der Plattenwald ist ein ganz besonderes Stückchen Erde und ein ganz besonderer Wald. Er ist Tummelplatz für Tiere, aber auch für Jogger, Spaziergänger und Ruhesuchende. Man kann es auch anders ausdrücken: Er ist ein „Erholungsbrennpunkt“. So formuliert es Revierförster Reiner Brujmann. Der Plattenwald ist ein Wald, auf den der Mensch einen erheblichen Druck ausübt. Für den Forstmann ist das eine ganz spezielle Herausforderung. Zwei Drittel des Plattenwaldes gehören dem Land, ein Drittel der Stadt. Betreut wird das beliebteste Backnanger Naherholungsgebiet vom Forstrevier Allmersbach im Tal, dessen Zuständigkeit Wälder auf Gemarkung Backnang, Allmersbach, Weissach im Tal und Althütte umfasst.

Förster ist man entweder mit ganzem Herzen oder man ist es gar nicht: Das wird beim Gang durch den Wald mit Reiner Brujmann in jeder Minute deutlich. Er brennt für seinen Job, erzählt voller Enthusiasmus über die nachhaltige Waldwirtschaft, die er und seine vier Mitarbeiter hier und andernorts betreiben. Auf keine Frage bleibt er eine Antwort schuldig, er ist ein wandelndes Forstlexikon.

Brujmann öffnet die Heckklappe seines grünen Kombis. Freudig erregt springt Benny heraus, ein deutscher langhaariger Vorstehhund. Eigentlich ist er ein Jagdhund, doch Hunde-Opa Benny hört und sieht nicht mehr so gut, weshalb Brujmann ihn kaum noch zur Jagd nutzt. Benny scheint der liebste Hund der Welt zu sein, gutmütig bis zum Gehtnichtmehr. Deshalb haben ihn auch viele Kinder ins Herz geschlossen, die Brujmann mit Benny in der Schule besucht, oder denen er bei Waldbegehungen die Natur näherbringt.

Wir befinden uns im Distrikt 52, Abteilung 3 im Staatswald. Der Forstrevierleiter zeigt eine natürliche Tannenverjüngung unterhalb eines Eichenbestandes. Auf den „kann man echt stolz sein“, sagt der Forstmann. Er deutet auf gewaltige Stämme. Die Eichen seien im Schnitt 140 Jahre alt, „die dürfen aber noch 100 Jahre wachsen“. Auch das ist nachhaltige Waldwirtschaft: Es wird mehr neuer Wald angepflanzt als geschlagen wird – egal, wie stark die Nachfrage der Holzindustrie sein mag.

Reiner Brujmann deutet auf eine blaue Farbmarkierung an einem alten Eichenstamm hin. Damit wären wir beim eigentlichen Anlass des Pressebesuchs im Wald. Denn viele Spaziergänger fragen sich und den Förster immer wieder, ob die unterschiedlichen Farbmarkierungen und Symbole etwas zu bedeuten haben. Sie haben sehr wohl.

Der leuchtend blaue Ring markiert die Grenze zwischen einzelnen Flächen, also hier den Übergang zwischen Staats- und Stadtwald. Warum gerade blau? „Weil die Farbe am längsten hält“, sagt Brujmann und der Fragesteller weiß nicht genau, ob dem Forstmann dabei der Schalk im Nacken sitzt oder ob das nun ernst gemeint war. Weiter geht es durch das Unterholz, bis wir vor einem Baumbestand stehen, an dem überall rote Striche angebracht sind. Rot markiert werden die Bäume, die demnächst der Säge zum Opfer fallen werden. Das müssen nicht zwingend kranke oder besonders alte Bäume sein. Sie werden eventuell deshalb gefällt, weil sie Artgenossen das Licht nehmen, zu eng stehen oder sich nicht mit ihnen vertragen. Brujmann zeigt das am Beispiel zweier Eichen, die umgemacht werden sollen. Sie gelten als aggressiv und würden den umstehenden Bäumen das Leben schwer oder unmöglich machen. Doch Rot muss keineswegs zwingend ein fatales Signal für einen Baum bedeuten. Ganz im Gegenteil. Mit einer roten Wellenlinie, die aussieht wie der (üblicherweise gelbe) Schriftzug einer Fast-Food-Kette, markiert der Revierförster die ganz besonders schützenswerten Einzelexemplare, die aus Naturschutzgründen auf gar keinen Fall gefällt werden dürfen, weil sie besonderen Schutz genießen. Das sind beispielsweise solche, die aufgrund äußerer Verletzungen erkennbar Insekten, Käfern, Feldermäusen eine Unterkunft bieten. Besonderes Augenmerk genießen auch jene Bäume, die mit einem gelben Band markiert sind. Dabei handelt es sich sozusagen um Minderheitenbäume. Ein Beispiel bietet hier eine Kirsche, die mitten im dichten Eichenbestand steht.

Weiße Markierungen – was haben sie zu bedeuten? Nun, sie sind für die Forstunternehmer und Waldarbeiter gemacht. Die weißen Ringe oder Streifen bezeichnen nämlich die Fahrgassen, zwischen denen sich die Maschinen im Wald bewegen dürfen. Zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung zählt eben auch, möglichst wenige Schäden anzurichten, auch wenn viele Waldbesucher das anders sehen. Förster und Waldarbeiter berichten immer wieder, dass sie ob ihrer Arbeit im Wald als Frevler beschimpft würden. Mit Argumenten komme man da selten weit.

Der Besuch im Wald bringt Erholung, Inspiration und für den Laien neue Erkenntnisse. Und er bringt Geschichten mit sich, die hier aus Platzgründen und aus Rücksichtnahme auf eigenartige Menschen unerzählt bleiben müssen. Zum Beispiel die von dem Mann, der sich vor Bäumen verneigt, um sie anschließend mit einem Stock zu züchtigen...

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            Faszinierendes Ökosystem Wald: Ohne Eingriffe der Förster geht es nicht, schon gar nicht im Plattenwald, weiß Reiner Brujmann.Fotos: A. Becher

            Schützt Minderheiten: Gelbes Band.

            Hat nix mit Fast Food zu tun: Rote Wellenlinie.

            Leuchtend: Blau markiert Besitzgrenzen.

            Markiert Fahrwege: Weiße Kennzeichnung.

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