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Auf Monsterjagd durch Backnang

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Von Nora Haselmayer

BACKNANG. „Ich verbinde viele Erinnerungen mit den Pokémons. Das ist einer der Gründe, warum das Spielen so viel Spaß macht“, erzählt der 19-jährige Schüler Robin Hein. Zusammen mit einem Freund ist er zur Murr gelaufen, um Wasser-Pokémons zu fangen. Seitdem am 13. Juli das Handyspiel Pokémon Go in Deutschland erhältlich ist, zählen die beiden zu den vielen begeisterten Spielern, die durch Backnang streifen, um die virtuellen Monster zu fangen. Durch GPS-Ortung und die Kamerafunktion des Smartphones erscheinen diese in der realen Umgebung der Spielenden. Diese versuchen dann, so viele Pokémons wie möglich zu sammeln. Ab dem fünften Level geht es darum, als Trainer mit seinen Pokémons Arenen einzunehmen, die oft an größeren Gebäuden oder Sehenswürdigkeiten der Stadt zu finden sind.

„Da geht ein kleiner Kindheitstraum in Erfüllung“, schwärmt Azubi Marco Binder. Um wichtige Hilfsmittel zu erhalten, laufen die Spieler zu Poké-Stops. In Backnang befindet sich einer davon beim historischen Rathaus. Dort versammeln sich vor allem abends und nachts mehrere Dutzend Monsterjäger, die mit konzentriertem Blick auf ihre Handys hinunterschauen und wild auf den Bildschirmen hin- und herwischen.

Einer von ihnen ist Domenic Eckhold. In Backnang lasse es sich viel besser spielen als bei ihm zu Hause in Burgstetten, da es hier mehr Poké-Stops gebe, sagt der 14-jährige Realschüler. „Die App ist so beliebt, weil man mit seinen Freunden zusammen draußen sein und gleichzeitig spielen kann“, erklärt er. Luca Schygulla ergänzt, es sei praktisch, dass man das Spiel in seinen Alltag einbinden könne. Er spielt das Handyspiel auch gerne auf dem Schulweg oder beim Gassigehen mit seinem Hund.

Nachts findet man besonders seltene Pokémons.

Während er erzählt, fällt es dem Jugendlichen sichtlich schwer, nicht immer wieder auf seinen Handybildschirm zu schauen, um nach seinen Pokémons zu sehen. Robin Hein weiß um das Suchtpotenzial, das das Spiel birgt. „Bekannte von mir spielen den ganzen Tag und gehen nur kurz nach Hause, wenn ihr Akku leer ist“, berichtet er.

Der 21-jährige Julien Monteiro begibt sich trotz seiner Ausbildung auch unter der Woche um zwei Uhr morgens auf die Jagd. Warum? Nachts finde man besonders seltene Pokémons. Um diese Uhrzeit hätte er auch Spieler entdeckt, die sich ein Zelt aufgebaut hatten und es sich in Campingstühlen vor dem Rathaus bequem machten. „Der Hype ist einfach riesengroß“, staunt der Azubi.

Das führt bisweilen auch dazu, dass sich die Pokémon-Fans an völlig unpassenden Orten auf Monsterjagd begeben, etwa an der Gedenkstätte für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September in New York oder auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz. Manche Pokémon-Fanatiker vergessen auf ihrer Jagd auch ihre eigene Sicherheit. „Ab und zu bin ich beim Autofahren am Handy und suche nach Pokémons“, gibt Michael Temel zu. Dass er dabei noch keinen Unfall gebaut hat wie schon zahlreiche andere Spieler, ist wohl reine Glückssache.

Monsterjäger gehen zu Fuß von
Winnenden nach Backnang

Aufgrund solcher Zwischenfälle sorgt Pokémon Go weltweit für Aufsehen. Die Entwickler Niantic Labs und Nintendo müssen einiges an Kritik einstecken. Auch Backnanger Pokémon-Spieler sehen sich mit Verständnislosigkeit konfrontiert. „Warum habt ihr jungen Leute denn nur noch eure Smartphones im Kopf?“, entrüstet sich ein Radfahrer mittleren Alters, als er an einer Gruppe Jugendlicher vorbeifährt, die sich vor dem Rathaus niedergelassen haben.

„Die Leute sollten sich erst einmal mit dem Spiel auseinandersetzen, bevor sie sich dazu äußern und darüber lustig machen“, findet Sven Kurz. Immerhin würden Jugendliche, die sonst zu Hause vor dem Bildschirm sitzen, nun an die frische Luft gehen und sich bewegen, denn für zurückgelegte Distanzen werden die Spieler mit neuen Monstern belohnt. „Meine Kumpels sind auf Pokémon-Jagd schon von Winnenden bis nach Backnang gelaufen“, erzählt Robin Hein. Man verabrede sich häufiger mit Freunden und treffe auf andere Gleichgesinnte. Er habe durch Pokémon Go auch Bekannte wieder getroffen, die er schon seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen habe, berichtet der 19-Jährige.


            Vor dem historischen Rathaus wird das Pokémon „Squirtle“ gefangen.

            Massenauflauf der Monsterjäger: Marco Binder (links) und Sven Kurz haben sich wie viele andere junge Leute in der Marktstraße getroffen, um gemeinsam Pokémon Go zu spielen. Fotos: E. Layher

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