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„Es kann nicht das Ziel sein, nur die Liga zu halten“

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Von Steffen Grün

Herr Wahler, Sie und Ihre Vorstandskollegen arbeiten seit Monaten an der Neuausrichtung des Vereins mitsamt der Ausgliederung der Profiabteilung. Ein Abstieg wäre der Super-GAU. Wie groß ist Ihre Angst nach zuletzt nur einem Sieg aus acht Spielen?

Es ist nicht so, dass wir nicht nach unten schauen. Wir sind uns der Situation bewusst und wissen, dass wir noch nicht gesichert sind und noch Punkte brauchen. Wie viele, da kann man spekulieren, aber wir denken von Spiel zu Spiel. Jetzt geht es nach Augsburg, und wir müssen etwas Zählbares mitbringen. Mit einem Remis wäre zumindest der Abstand auf Augsburg derselbe wie vorher, das ist das Minimalziel. Wird es mehr, umso besser. Wir geben alles, um die Punkte so schnell wie nur möglich einzufahren, denn das Restprogramm ist nicht das Einfachste.

Drei Siege in den letzten drei Spielen, die in der Vorsaison die Rettung gebracht haben, dürften dieses Mal schwierig werden.

Unsere Mannschaft war auswärts gegen direkte Mitbewerber immer relativ stark, insofern sind die Spiele in Augsburg und Bremen extrem wichtig. Es wäre gut, nicht wieder auf die letzten drei Spiele setzen zu müssen. Das würde die Gesamtsituation beruhigen und andere Projekte unter ein anderes Licht stellen.

Den schlimmsten Fall trotzdem einmal kurz angedacht: Was würde die 2. Bundesliga für den VfB Stuttgart bedeuten?

Katastrophe ist ein großes Wort, aber das wäre schon ein absolutes Desaster. Deshalb haben wir schon in den letzten Jahren klipp und klar gesagt, dass so eine Sanierung über die 2. Bundesliga heutzutage nicht mehr so leicht machbar ist wie vielleicht noch vor 20, 30 Jahren. Es kommt auch auf das Umfeld an, das ist bei uns von der Infrastruktur etwas anders als in Freiburg. Wir haben ein Stadion für 60000 Zuschauer, alleine das bringt natürlich andere Verpflichtungen mit sich. Wir werden alles tun, um den Super-GAU zu verhindern.

Woran liegt es, dass es mit der angestrebten sorgenfreien Saison wieder nicht geklappt hat? Trauern Sie zum Beispiel den verlorenen Punkten aus dem Hannover-Spiel (1:2) nach?

Das war schon ein Spiel, dass im Nachhinein sehr unglücklich gelaufen ist. Wir waren überlegen und haben durch zwei Standards unglücklich verloren. Zudem war es der einzige Sieg für Hannover. Es hat mich etwas an die Hinrunde erinnert, in der wir oft überlegen waren und gewinnen hätten müssen. Drei Punkte in irgendeinem Spiel in der Vorrunde wären heute genauso drei Punkte wie gegen Hannover. Insgesamt war die Runde bislang ein Wechselbad der Gefühle, wobei die Entwicklung ab Dezember – beginnend mit dem Wolfsburg-Spiel – einigermaßen positiv war.

Seit Ihrem Amtsantritt am 1. September 2013 sind viele Führungskräfte im Aufsichtsrat, im Vorstand, im sportlichen Bereich, in der Jugend und im Scouting ausgetauscht worden. Warum schlagen sich die Veränderungen in den Ergebnissen noch nicht nieder?

Es wäre schön, wenn unsere Anstrengungen schneller auf dem Rasen ankommen würden, aber es wäre auch Träumerei. Wenn ich Strukturen ändere, braucht es Zeit, bis das spürbar wird. Es waren aber nötige Veränderungen, um den Verein zukunftsfähig zu machen. Dafür ist auch das Projekt, das wir jetzt gerade gemeinsam mit unseren Mitgliedern angehen, extrem wichtig.

Daniel Didavi geht, vielleicht auch Filip Kostic – wie können Sie den Fans vor diesem Hintergrund Optimismus einhauchen, dass die nächste Saison trotzdem besser wird?

Man muss die Transfers anschauen, seit Robin Dutt hauptverantwortlich ist. Das macht Mut, auch wenn in der Liga keiner eine hundertprozentige Trefferquote hat. Es geht in die richtige Richtung. Der Kader hat Qualität, aber wir müssen sicher gucken, wie wir uns verstärken und mögliche Abgänge kompensieren.

Sie haben zuletzt als Ziel formuliert, der VfB wolle „Kraft der eigenen Jugend international Fußball spielen“. Klingt etwas defensiver als die Champions League, die Sie beim Amtsantritt angepeilt hatten, ist aber immer noch ambitioniert. Ist das nicht schon der Nährboden für neuerliche Enttäuschungen?

Ich habe nicht gesagt, dass es ein kurzfristiges Ziel ist. Es ist eine Vision innerhalb unseres Leitbildes für die Zukunft. Damit kommt zum Ausdruck, dass wir die Jugendarbeit als ganz wichtigen Baustein sehen, wir aber trotzdem mehr sind als ein reiner Ausbildungsverein. Es kann nicht das Ziel sein, nur die Liga zu halten, sondern wir haben schon den Anspruch, irgendwann auch wieder auf die internationalen Ränge zu schielen. Dazu bedarf es einiger Führungsspieler, die wir idealerweise selbst ausgebildet haben und halten können, aber wir müssen auch Spieler von außen dazuholen.

München, Dortmund, Schalke, Leverkusen, Wolfsburg, Gladbach, die aufstrebenden Leipziger und andere Traditionsvereine, die wie der VfB wieder höhere Ziele anstreben – was braucht es, um da mitzuhalten? Ist es vor allem die Ausgliederung der Profiabteilung und die Einbeziehung von Investoren, um eine breitere finanzielle Basis zu bekommen?

Das ist ein wesentlicher Punkt, um wettbewerbsfähiger zu werden. Uns geht es nicht darum, etwas aufzugeben, was den Verein ausmacht, sondern wir wollen die Tradition und die Werte hochhalten. Wir sehen keinen Widerspruch zwischen e.V. und e.V. mit AG. Es gibt immer den e.V. – entweder mit AG und einer besseren finanziellen Ausstattung oder ohne AG. Eine Ausgliederung allein ist keine Garantie, dadurch werden wir in fünf Jahren nicht automatisch wieder Meister. Das ersetzt nicht die gute Arbeit in der Kaderplanung und im Scouting, sondern schafft nur bessere Voraussetzungen. Ich habe mehr Flexibilität, kann anders agieren.

Was entgegnen Sie jenen, die sagen, der VfB habe schon die Millionen aus dem Gomez- oder dem Khedira-Transfer verbrannt, um nur zwei Beispiele zu nennen? Was sind da 30, 40 Millionen Euro, die vielleicht über die Ausgliederung ins Team gesteckt werden?

Das sind Fakten aus der Vergangenheit, der Verein hat etwas daraus gelernt. Wir müssen mit dem Geld anders haushalten – wenn wir idealerweise 60, 70 Millionen einnehmen, dann werden wir einen Teil direkt in den Kader investieren, um uns im Mittelfeld zu stabilisieren. Es wird aber auch so eingesetzt, dass wir in Zukunft jährlich mehr in den Sportetat stecken können, um so die Qualität der Mannschaft zu erhöhen. Das Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung, die nicht so schnell verpufft.

Noch einmal zum Stichwort „Kraft der eigenen Jugend“. Wie sehr blutet Ihnen das Herz, wenn Sie Joshua Kimmich sehen, wie er beim FC Bayern München groß auftrumpft?

Sieht man Spieler, die bei uns ausgebildet wurden und woanders Karriere machen, wurmt einen das schon etwas. Natürlich würde man sich wünschen, dass ein Kimmich oder ein Leno noch bei uns wären, aber das ist nicht so. Das sind Dinge aus der Vergangenheit, mit denen müssen wir umgehen und schauen, dass wir es in Zukunft besser machen.

Hand aufs Herz – glauben Sie derzeit daran, dass bei der Mitgliederversammlung am 17. Juli die Dreiviertelmehrheit möglich ist, die es für die Ausgliederung braucht?

Ich denke schon, dass wir diese Chance haben, aber das wird nicht einfach. Wir müssen noch einige Überzeugungsarbeit leisten und die Mitglieder mobilisieren, dass sie zu der Versammlung kommen. Die Entscheidung muss auf eine ganz breite Basis gestellt werden.

Was würde eine Ablehnung für Sie persönlich bedeuten? Würden Sie vielleicht sagen, dann soll den Job eben ein anderer machen?

Es ist nicht mein Stil, dann einfach hinzuschmeißen. Ich bin für vier Jahre gewählt, meine Amtszeit läuft auf jeden Fall noch ein Jahr weiter und dieser Verantwortung werde ich mich so oder so auch stellen. Es wäre aber eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft, das wäre schade, weil die Region und das Umfeld am Ende erfolgreichen Fußball sehen will. Wir schaffen andere Voraussetzungen durch die Ausgliederung. Ich wäre enttäuscht, aber nicht so, dass ich sagen würde, ich werfe den Bettel hin.

Wo sehen Sie den VfB im Jahr 2020?

Der Wunsch wäre, dass wir wirklich im gesicherten Mittelfeld sind. Und mit gesichert meine ich eher Platz sieben oder acht – in solchen Tabellenregionen, aus denen man in ruhigem Fahrwasser weiter oben angreifen kann. Wenn alles optimal läuft, kann man dann auch Sechster oder Fünfter werden. Weiter nach vorne möchte ich heute noch nicht blicken.


            Hat klare Vorstellungen davon, wie er aus dem taumelnden VfB wieder eine feine Adresse machen will: Präsident Bernd Wahler.Foto: E. Layher

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