Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Sozusagen bereits vor seinem Auftritt bringt Helge Thun sein Publikum schon mal in Stimmung. „Wenn Sie Freude empfinden, informieren Sie bitte ihr Gesicht“, instruiert er die Besucher und plaudert locker ein wenig mit ihnen. Sympathien hat er sofort auf seiner Seite, und so wird der eigentliche Auftritt auch mit kräftigem Applaus begrüßt.
Den Umgang mit Handys nimmt Helge Thun auf die Schippe. Einen überdimensionalen Selfie-Stick hat er mitgebracht. Den könne man übrigens auch als Blindenstock verwenden, während man beim Gehen SMS schreibe, schlägt er vor.
Der in Tübingen lebende Künstler ist äußerst vielseitig. Als „ehemaliger Weltklassezauberer“ hat er Tricks parat, die er jedoch nicht einfach vorführt. Er singt dazu selbst getextete Lieder, etwa auf die Melodie eines Gassenhauers aus den 1920er-Jahren: „Mein kleines, weißes Seilchen... hollari, hollari, hollaro.“ Zwar ist das Kunststück nicht neu, ein Seil zu zerschneiden, das am Ende wieder heil ist, aber bei seiner Präsentation hat der Trick doch besonderen Unterhaltungswert.
Auch ein Lyriker ist Thun. Besonders gern schreibe er Liebesgedichte, wie etwa die poetischen Verse mit dem Titel: „Sommerreifen“. Die Liebste kann er im Winter nicht erreichen „… unsere Liebe muss im Sommer reifen.“ Adressiert ist die Dichtkunst an Besucherin Heidi, mit der er sich angeregt unterhält. Einiges erfährt er über ihre Herkunft, den Beruf und ihre Hobbys, wie etwa das Reisen. Der in Tübingen lebende Kabarettist ist ein Künstler, der es versteht, Nähe zum Publikum aufzubauen.
Mit seinen Wortspielereien, die man als geistreichen Nonsens bezeichnen könnte, begeistert Helge Thun das Publikum. Beim Verdrehen von Buchstaben wird Kanzlerin Merkels Satz: „Wir schaffen das“ zu „Schaff was, Inder“. Zu unterschiedlichen Begriffen hat er 4-Zeiler auf Lager. Wenn es um die türkische Hauptstadt Ankara geht, macht der aus Trier stammende Kabarettist auch mal einen Abstecher in schwäbische Mundart, nämlich bei einem Kurzgedicht, das von der Seefahrt handelt: „Leut, lasset mol dr Anka ra.“ Mal verzaubert der Künstler das Publikum mit Kartentricks, dann lässt er zu einem gesungenen Cha-Cha-Cha aus einem großen Würfel mit einem „Verschwindungs-Apparatismus“ mehrere werden. Viel zu staunen gibt es, aber auch immer etwas zu lachen.
Zur Reihe „Der literarische Salon“ schließt sich der Bogen in gewisser Weise, als der vielseitige Künstler auf Klassiker der Weltliteratur zu sprechen kommt. Nur hat man eine solche humorvolle Zusammenfassung von Schillers „Der Taucher“ und „Das Lied von der Glocke“ wohl noch nicht gehört. Bei Thuns Version von Goethes „Erlkönig“ biegt sich das Publikum vor Lachen. Als sich die Zuschauer ein klassisches Theaterstück wünschen dürfen, hat er ein Gedicht zu Romeo und Julia parat. Wie man weiß, geht die Geschichte tragisch aus. Bei Thun klingt das etwas anders: „Am Grab stand auf der Kränze Schlaufen: Schlechtes Timing, dumm gelaufen.“ Es sei doch ein verkappter Lyrikabend, wirft der Kabarettist schmunzelnd ein.
Am Schluss überrascht Helge Thun das Publikum im Backnanger Bürgerhaus noch mit seinem Improvisationstalent. Die Pause hat er genutzt, um für Zuschauerin Heidi ein Gedicht zu verfassen, in dem alle Informationen einfließen, die er ihr zu Beginn des Abends entlockt hat. Ein wahrer Tausendsassa ist er und ein geistreicher Künstler, der sich auf der Grenze zwischen Dichtkunst und Klamauk bewegt.