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Massenphänomen wilde Müllentsorgung

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Von Peter Wark

BACKNANG. Eine kaputte Waschmaschine, hemmungslos in der Landschaft entsorgt: Der Zeitungsfotograf sieht die Umweltfrevelei zufällig am Wegesrand und dokumentiert sie. Die Redaktion macht sich schlau: Kommt so etwas häufig vor? Ist es ein Einzelfall? Das Ergebnis mag erschrecken.

Beim Bauhof jeder Stadt oder Gemeinde kann man ein Lied davon singen, dass man annähernd täglich mit dieser Art Abfallentsorgungen konfrontiert wird. Ob Hausmüll odere Gewerbeabfall: Vielen Zeitgenossen scheint die Natur in erster Linie ein großer Abfalleimer zu sein. Und das, obwohl es bei uns ein gut organisiertes Abfallentsorgungssystem gibt, das sich die Landkreise und damit der Steuerzahler viel Geld kosten lassen. Dabei geht es ja längst nicht nur um optische Makel, sondern vor allem um mögliche Gefährdungen von Grundwasser, Gewässern und Boden.

Containerweise wird bei den jährlichen Flurputzeten selbst auf Markungen kleiner Gemeinden wild entsorgter Müll eingesammelt. Säcke voller Restmüll, Bioabfall oder ganze Berge illegal entsorgten Gewerbemülls finden sich immer wieder im Wald und an wenig befahrenen Straßen. Auch die Waschmaschine und anderer Elektroschrott in dieser Größenordnung kommen so selten nicht vor. Ein Klassiker sind die auf Kosten der Allgemeinheit im Wald entsorgten Altreifen. Das Wegwerfen des eigenen Drecks in der Umwelt ist fast schon ein Massenphänomen, berichten Bauhofleiter und Abfallmanager.

Zeit- und geldaufwendig wird die abfallgerechte Entsorgung für die Kommunen. Ein Beispiel: Knapp 70000 Euro kostet es einen kleinen Ort wie Auenwald jährlich, den wilden Müll zu entsorgen, wenn man die Stundenverrechnungssätze für die Mitarbeiter zugrunde legt. Die entsprechende Rechnung machte Bauhofleiter Hartmut Reber im vergangenen Jahr auf, als er dem Gemeinderat seinen Jahresbericht vorlegte. Sein Fazit: „Die illegale Müllablagerung nimmt immer mehr überhand.“

In der Tat steigt auch das „normale“ Abfallaufkommen stetig an. In Europas Kommunen fallen nach Berechnungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland rund 500 Kilogramm Abfall pro Person und Jahr an, Tendenz ungebrochen steigend.

Beim Geschäftsbereich Umweltschutz im Landratsamt registriert man kreisweit seit Jahren eine relativ stabile Anzahl von 200 bis 220 Fällen pro Jahr gemeldeter wilder Müllablagerungen in der Natur. Martina Nicklaus von der Pressestelle des Landratamts ermuntert ausdrücklich dazu, solche Vorfälle zu melden, möglichst mit Fotos.

Sollte man dem Besitzer der Waschmaschine jemals auf die Schliche kommen, droht ihm nach dem aktuellen Bußgeldkatalog 2016 übrigens eine Strafe zwischen 50 und 200 Euro. Da wird manch potenzieller Umweltsünder im Vorfeld eine Chancen-Risiko-Rechnung aufstellen. Die Sanktionen sind je nach Bundesland vollkommen unterschiedlich. In Hessen und Sachsen liegen die Sätze für die illegale Entsorgung eines Elektrogeräts zwischen 150 und 2500 Euro.

Auch die Zustände an Containerstandplätzen und anderen Brennpunkten innerorts sind immer wieder ein Thema. Einen Müllblog im Internet (http://exurbevenire.tumblr.com) führt ein Backnanger, der in der Öffentlichkeit ungenannt bleiben will (Name der Redaktion bekannt). Er dokumentiert rund 900 Fälle von Müllablagerungen an Containerstandplätzen und sonstiger Vermüllungen alleine in Backnang. Darin enthalten sind vor allem Abfallablagerungen innerhalb des Stadtgebiets, aber auch in der freien Flur. Er meldet regelmäßig die vermeintlichen Ursacher bei der Stadt – besonders im Falle von Gewerbemüll – glaubt aber, dass in vielen Fällen überhaupt nicht ermittelt werde. Der Blogbetreiber beklagt in einem Schreiben an die Verwaltung, Gemeinderäte und weitere Empfänger „ein klares Vollzugsdefizit seitens der Ordnungsbehörden“.

Dem widerspricht die Backnanger Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer entschieden. Die Vermüllung sei „ein großes Thema“ und die Vollzugsbediensteten seien stark mit Kontrollen und Recherchen nach den Verursachern beschäftigt. Die Statistik gibt ihr recht: 403 Fälle hatte der gemeindliche Vollzugsdienst im Jahr 2015 zu bearbeiten. Das gehe durchaus so weit, dass die Mitarbeiter im Müll wühlen und man beispielsweise bei Elektroschrott versucht, über Gerätenummern und den Hersteller weiterzukommen, sagt Blumer. Beim „Schmutzfinkentum zulasten der Allgemeinheit“ werde eine Null-Toleranz-Linie gefahren.

Konkret heißt das, dass diese Verursacher ans Landratsamt als abfallrechtlich zuständiger Behörde gemeldet werden. Es sei geplant, ein Formular ins Internet zu stellen, mit dem Backnanger Bürger ohne großen Aufwand Müllablagerungen melden können. Klagen, wonach innerstädtische Wohngebiete mit hohem Migrantenanteil besondere Schwerpunkte wilder Müllentsorgung seien, sind ein heikles Thema, bei dem sich niemand den Mund verbrennen will. Gisela Blumer formuliert es schließlich so, dass es durchaus Bereiche gebe, „wo andere Gepflogenheiten herrschen“.


            Ein aktuelles Beispiel, aber leider bei Weitem kein Einzelfall: Was man nicht mehr braucht, wird einfach in der Landschaft entsorgt, so wie diese Waschmaschine zwischen Steinbach und Sachsenweiler. Foto: J. Fiedler

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