Von Renate Häussermann
BACKNANG. Viele Leute um sich rum. So scheint es Fridel Rost zu mögen. Es ist Freitag kurz nach elf Uhr. Im gemütlichen Zimmer der Jubilarin im Seniorenstift Am Langenbach in Waldrems wurde vorsorglich der Tisch leer geräumt. Darauf finden sich an diesem Tag Geschenke und Blumengrüße. Das Geburtstagskind ist umringt von Gratulanten.
Als die Zeitungsleute kommen, strahlt sie übers ganze Gesicht. „Ach, wie schön, die Zeitung hat mir ihren schönsten Fotografen geschickt“, freut sie sich über den Jüngsten in der Gratulantenschar.
Man rüstet sich zum Empfang der Schulkinder. Der Zweitälteste in der Runde, ein 96-Jähriger, will sich den Trubel nicht antun. Ganz anders die 101-Jährige. „Auf, los jetzt, ich will die Kinder empfangen“, treibt sie die Dame an, die den Rollstuhl schiebt.
Im Foyer wartet Fridel Rost auf ihre kleinen Gäste. Eine besorgte Bekannte möchte den Rollstuhl auf die Seite schieben, weil es ein bissle zieht. „Haaalt“, gebietet die Jubilarin, „sonst seh’ ich doch nix.“ Und da sitzt sie dann und entdeckt auch schon die ersten Ankömmlinge. Alle Grundschüler ziehen an der Seniorin vorbei. Lachend und ein bisschen ehrfürchtig. „Gucket, wie ich ausseh’ - ganz normal“, lockert Fridel Rost die Stimmung auf. „Ha, scho a bissle alt“, bemerkt da ein Bub.
Spätestens beim ersten Lied ist jegliche Scheu verflogen. „Wie schön, dass du geboren bist“, erschallt aus 76 jungen Kehlen. Es ist eine wahre Freude, wie sich die Buben und Mädchen ins Zeug legen, reizend anzuschauen mit ihren Zahnlücken, ihrem bunten Haarschmuck und ihrer Unbeschwertheit, einfach während des Liedvortrags die warme Jacke auszuziehen.
Ein Bub und ein Mädchen spielen ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe vor. Fridel Rost soll erraten, welches Gedicht gemeint ist. Sie denkt nach, kommt nicht drauf und sagt: „Ich war schon lang nicht mehr in der Schule.“ Gefragt war „Heidenröslein“, vertont von Franz Schubert. Dass die Kinder dieses Lied lieben, wie Schulleiterin Anja Beck betont, hört man sofort. Gleiches gilt für „Die Forelle“, auch von Schubert. „Jetzt müssen wir klatschen“, sagt Fridel Rost mit fester Stimme, als die Kinder ihren Vortrag beendet haben.
„Und was gibt’s jetzt noch?“ Eine Frage des Geburtstagskinds, als Ruhe eintritt. Die Waldremser Ortsvorsteherin Regina Konrad bahnt sich einen Weg durch die Kinderschar. Sie hat einen Strauß in den Backnanger Stadtfarben bei sich und liest die Geburtstagsgrüße von Dr. Frank Nopper vor. „Oh, vom Oberbürgermeischdor,....aha...“, fühlt sich die 101-Jährige geehrt.
Ganz persönlich wird es, als Eckart Jost der Seniorin gratuliert. In der Zeit von 1967 bis 1975, als sie Schulsekretärin am Max-Born-Gymnasium war, besuchte der heutige Leiter des Alten- und Pflegeheims Staigacker das Gymnasium. „Wir waren alle brav, weil sie immer ganz streng aus dem Sekretariat geguckt hat“, erzählt er den Kindern. „Oh, glaubet net alles, was er sagt“, lacht da die betagte Dame. Und als Jost erwähnt, dass es eine ganz große Feier gebe, wenn Fridel Rost ihren 110. Geburtstag feiert, gab sie zurück, dass sie selbigen aber dann im Staigacker feiern wolle.
Ja, der Staigacker ist es, den sie ins Herz geschlossen hat. Als sie 2007 aus gesundheitlichen Gründen ins Heim musste, ging sie nach Bad Windsheim, weil sie dort viele Bekannte hat. Doch dann bekam sie so schlimmes Heimweh nach Backnang, dass sie in den Staigacker zog. Dort blieb sie bis 2013 und kehrte dann nach Bad Windsheim zurück. Aber Backnang lässt sie nicht los. Jetzt ist sie wieder da. Derzeit ist sie eine von drei über Hundertjährigen im Seniorenstift Am Langenbach.