Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Weit über eine Stunde lang hatte der Anästhesist in der Werkstatt des Hofguts Hagenbach seine Sicht der Dinge dargelegt. Hatte Zahlen und Fakten präsentiert und in christdemokratischer Manier dafür geworben, hinter den Flüchtlingen auch die Menschen zu sehen, und nicht nur Probleme und Gefahren. Dann kamen im zweiten Teil die Bürger zu ihrem Recht und stellten Fragen. Kritische Fragen zwar, aber eben das war der Sinn der Veranstaltung. So hatte es schon Landtagspräsident Wilfried Klenk bei der Begrüßung des Gastes gesagt, „gerade in der heutigen Situation, wo wir vor einer der größten Herausforderungen unseres Landes stehen, müssen wir hinausgehen zu den Menschen und ihre Nöte und Sorgen anhören“.
Der Referent, der aus diesem Grund derzeit alle 70 Wahlkreise im Land bereist, sprach von berechtigten Sorgen und diffusen Ängsten, gerade jetzt wieder nach den Anschlägen von Paris. Er gestand auch ein, dass Deutschland bei den Themen Versorgung, Wohnraum und Betreuung irgendwann an seine Grenzen kommt. Gleichzeitig schilderte der 46-Jährige jedoch auch – und das war die Basis für die Diskussion – wie unmenschlich, brutal und grausam der Terror ist, vor dem die Menschen fliehen. „Die Menschen werden geköpft, gekreuzigt, es gibt Massenvergewaltigungen und fast jeder hat Angehörige verloren.“ 60 Millionen Menschen sind aktuell weltweit auf der Flucht. Der zweifache Familienvater beschreibt seine Begegnung mit Folteropfern: „Schauen sie denen in die Augen, die haben ihren Lebensmut verloren. Die kämpfen nur noch für ihre Kinder.“
Die Gäste konfrontierten Lasotta damit, dass die westlichen Länder es nicht geschafft hätten, die Länder rings um Syrien etwa oder in Zentralafrika so zu unterstützen, dass sie die Flüchtlinge dort vor Ort versorgen könnten. Dies räumte der Politiker ein. Ebenso zeigte er Verständnis für einen Kritiker, der an das Feuerwehrmotto, „das Leben des Retters geht über das des Opfers“, erinnerte. Projiziert auf das Thema Flüchtlinge würde das heißen: „Wir helfen gerne, aber wir können nicht die ganze Welt retten. Wir brauchen eine Begrenzung.“ Da es eine solche nicht gibt, erklärte der verbitterte Gast: „Ich bin von der CDU enttäuscht.“
Das ist ein Punkt, bei dem der Abgeordnete aus Bad Wimpfen im Gegenteil sogar Oberwasser verspürte. Er verwies auf die Verschärfung der Asylgesetzgebung, auf die Einreisezonen samt Verfahrensbeschleunigung und auf die unangekündigten Abschiebungen. Noch vor drei Monaten sei es nicht denkbar gewesen, dieses Gesetz mit der SPD zu beschließen, man hätte der Partei mit dem C im Namen Inhumanität vorgeworfen. Inzwischen hätten sich Sozialdemokraten und Grüne der Realität beugen müssen und das beschlossen, was die CDU schon früher wollte. Im linken Lager haben Lasotta zufolge die eigenen Leute vom Organisationsversagen gesprochen. Und grüne Realos wie Tübingens OB Palmer seien von den Fundis angegriffen worden. Anders die Lage bei der CDU: „Wir haben unsere Meinung nicht ändern müssen.“
Aber was könnte man besser machen? Fakt sei, die Flüchtlingswelle einfach zwei Jahre weiterlaufen zu lassen, „das geht nicht“. Lasotta forderte, die UNHCR mit Geld zu unterstützen, damit die Flüchtlinge vor Ort bleiben können. Und er forderte noch schnellere Verfahren und – bei sicheren Herkunftsländern – konsequente Abschiebungen. „Ich verstehe ihre Wut, dass immer noch alles zu langsam geht.“
Vermutlich war es nicht das erste Mal, dass Lasotta auf seinem Werbezug für die CDU-Politik an der Basis so etwas wie ein Volkszörnchen zu spüren bekam. Vielleicht deshalb wiederholte er nochmals: „Trotz allem darf sich bei uns keine Fremdenfeindlichkeit breitmachen.“ Die Aktivitäten der Pegida nannte er unerträglich. Und die AfD mache nur Stimmung, bringe aber keine Lösungen. „Mit der kann man nur Protest ausdrücken, mehr nicht.“ Die Grenzen dichtzumachen, das würde schon aus praktischen Gründen gar nicht gehen. Und würde es doch dichte Grenzen geben, so würden sich auf der Balkanroute humanitäre Katastrophen ereignen. Und zum vierten oder fünften Mal mahnte er: „Denken sie daran: Zu uns kommen Menschen.“
Bei der Veranstaltung drehte ein Team des ZDF. Ausschnitte der Debatte werden am Sonntag ab 19.10 Uhr in der Sendung Berlin direkt ausgestrahlt.