Von Matthias Nothstein
WEISSACH IM TAL.Der Arbeitskreis Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (SOR) hatte die Aktion perfekt geplant. Die eine Kilometer lange Strecke zwischen Schule und Brandruine war am Tag zuvor in einzelne Sektoren eingeteilt worden. Bezeichnenderweise ging es über den Weg, der nach dem Widerstandskämpfer Georg Elser benannt ist. Jeder der 53 Klassen war ein Bereich zugeteilt worden, Kreidemarkierungen wiesen den richtigen Abschnitt. Alle 20 Meter sorgte ein mit Warnweste ausgestatteter Lehrer oder Oberstufenschüler für Ordnung. Auf ein Kommando hin (WhatsApp sei Dank) schloss sich die Kette über die gesamte Distanz. Schweigend hielten sich die Schüler an den Händen. Viele hatten Plakate dabei mit Aufschriften wie „Refugees welcome“, „Refugees are human beings“ oder „Flüchtlinge willkommen!“. Nach einigen Minuten löste sich die Kette auf und die Schüler versammelten sich auf dem Areal gegenüber des abgebrannten Hauses.
Dort begründeten die beiden Sprecherinnen des SOR-Arbeitskreises, Marei Schüle und Nathaly Seibold, die Motivation der Schüler zu dieser Aktion. Schüle ging auf das Aktionsmotto „Das Bize bekennt Farbe“ ein und erklärte, dieses beziehe sich auf die Berichterstattung des Spiegel, in der Weissach als Teil von Dunkeldeutschland dargestellt werde. „Wir heißen jeden willkommen und grenzen niemanden aus“, sagte Schüle und erinnerte daran, dass in einem dunklen Kapitel Deutschlands schon einmal Häuser brannten, „das wollen wir nie wieder erleben“. Viele der Mitschüler stammen aus Familien mit einer Fluchtgeschichte oder hätten selbst Migrationshintergrund. Schüle räumte ein, dass derzeit vieles an der deutschen Flüchtlingspolitik nicht stimme. Unter dem Beifall der Versammelten erklärte sie aber unmissverständlich: „Aber ihr stimmt mir sicher zu, dass Häuser anzünden keine Lösung ist.“
Keine einfache Situation war der Anschlag auch für Christoph Mohr. Er ist seit August der neue Bize-Schulleiter und wurde in seinem Urlaub gleich mit dem schrecklichen Thema konfrontiert: „Auch wenn das Motiv der Täter der Weissacher Brandstiftung noch immer nicht bekannt ist, muss man die traurige Schlussfolgerung ziehen, dass sich in unserer Mitte eine gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit ausbreitet.“ Wie schon die Schülersprecherin ging Mohr auf die Politik ein: „Wir wissen sehr wohl, dass die Flüchtlingsproblematik nicht mit einem Federstrich gelöst werden kann und vertreten nicht blauäugig die Meinung, dass wir heute beliebig viele Flüchtlinge aufnehmen können und morgen alles in Ordnung ist.“ Mohr forderte, die kritischen Stimmen anzuhören und einen konstruktiven Dialog zu führen. Der Elternbeiratsvorsitzende Stefan Franzen deutete bei seiner Rede auf die Ruine und rief aus: „Das da, das geht gar nicht!“ Für ihn stellt sich nicht die Frage, ob jemand fremdenfeindlich oder fremdenfreundlich eingestellt ist, „es geht um die Menschenfreundlichkeit“.
Bürgermeister Ian Schölzl sprach erneut den Spiegel-Titel mit dem Tenor Weissach ist Dunkeldeutschland an und erklärte, „das hat die Gemeinde nicht verdient“. Er freute sich darüber, dass der Gemeinderat ein deutliches Zeichen gegeben hat, „wir bauen dieses Haus wieder auf, immer und immer wieder, egal, wie oft es angezündet wird“. Den Schülern sprach er ein Riesenkompliment aus. „Das ist ein tolles Zeichen, das ihr gesetzt habt. Es ist große klasse, was ihr auf die Beine gestellt habt.“ Sein Dank an den SOR-Arbeitskreis ging fast schon im Beifall unter.
Der Lehrer Hans-Uwe Schilling hatte das Projekt zwar begleitet, „aber ich habe nur ganz wenig tun müssen, das meiste haben die Schüler selbstständig erledigt“. Er lobte speziell die Oberstufe, die sich mit ganz vielen Ideen und viel Elan eingebracht hat, „die Schüler haben sehr viel Reife bewiesen“. Die Teilnahme an der Kundgebung war freiwillig, „alles andere hätte auch keinen Sinn gemacht, man kann niemanden zum Demonstrieren zwingen“. So haben sich auch nicht alle Schüler beteiligt, etwa ein Dutzend wurde während der Veranstaltung im Bize von einem Lehrer beaufsichtigt.
Aber 1300 waren da. Aktiv. Lautstark. Sehr diszipliniert. Und weltoffen.