Von Florian Muhl
BACKNANG/WAIBLINGEN. „Kannst Du da mal ran fliegen?!“ Die Bitte beziehungsweise Aufforderung hört jeder, der im viersitzigen Hubschrauber mitfliegt, über den Kopfhörer. „Noch etwas näher bitte...“, sagt Stöhr, der etwas entdeckt hat. Jochen Stein bewegt seinen Steuerknüppel nur einen Hauch nach rechts, nähert sich Meter für Meter der Leitung. Tatsächlich. Da hat doch irgend so ein Vogel in luftiger Höhe sein Nest in einen Hochspannungsmast gebaut.
„Ist eigentlich in diesem Zustand nicht schlimm“, sagt Stöhr. Trotzdem notiert der Energieanlagenelektroniker das Nest in seinem Protokoll. Denn es könnte doch zur Gefahr werden. Dann nämlich, wenn Teile des Nestes zu weit herunterhängen. Beim nächsten Sturm könnten sie in die Leitung geraten. So muss die Gefahrenstelle umgehend beseitigt werden. Das erledigen Mitarbeiter des Netzbetreiber vom Boden aus. Der Vogel hat Glück – das Nest an sich darf bleiben.
„Alle fünf Jahre müssen wir sowieso in den Mast hoch, zur Kontrolle“, sagt Süwag-Sprecherin Maren Engelhardt. „Das schreibt der Gesetzgeber vor.“ „Wir sind dann immer zu zweit, einer sichert den anderen“, ergänzt Stöhr. Auch wenn solche Kontrollen wichtig sind, aus der Luft lassen sich Beschädigungen teilweise besser und schneller erkennen.
Der 40-jährige Hubschrauberpilot Jochen Stein, der seit März diesen Jahres bei der Meravo-Luftreederei Fluggesellschaft beschäftigt ist und 2004 von der Bundeswehr zum Kampfhubschrauberpiloten ausgebildet wurde, fliegt das Netz mit einem Tempo von 20 bis 30 Kilometern pro Stunde ab, wobei er sich den Strom führenden Leitungen bis auf 8 bis 15 Meter nähert.
Hoch konzentriert beobachtet Stöhr dabei „die Seile, Armaturen und Isolatoren“, wie er sagt. Bei den Isolatoren, die so aussehen, als seien sie aus einzelnen Tellern zusammengesetzt, kann an der Oberfläche ein fließen. Sind Teller beschädigt oder fehlen sie ganz, beispielsweise, weil Halbstarke vom Boden aus auf Vögel schießen und diese verfehlen, dann kann der Kriechstrom stärker werden. Stöhr notiert dann: Defekter Isolator. Oder ein anderes Problem: Drachen und Modellflugzeuge, die sich in den Leitungen verfangen. Der Familienvater, seine Kinder sind allerdings schon 24 und 28 Jahre alt, zeigt dafür Verständnis. „Aber bitte nicht in der Nähe von Hochspannungsleitungen steigen lassen.“
Das eingespielte Team Stöhr/Stein – beide lieben sie ihren Job – verabschiedet sich. Kontrollflüge über Winnenden und Waiblingen, Murrhardt und Backnang-Maubach haben die Netzexperten an diesem Mittwoch bereits hinter sich. Jetzt geht’s nach Achern. Und Gewitter sind auch angesagt. Also, nichts wie weg.