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Lebensmittel auf dem Prüfstand

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Von Claudia Ackermann

AUENWALD.Für Gruschtelkammer-Chef Charley Graf ist die neue Spielsaison 2015/16 eine ganz besondere. Denn es ist das Jubiläumsprogramm der Kleinkunstbühne in der Sängerhalle. Im Januar 2016 wird das 25-jährige Bestehen gefeiert. Mit viel Herzblut, Engagement und inzwischen auch umfangreichen Beziehungen zur Künstlerszene in der gesamten Republik hat Charley Graf Künstler auf die Bühne geholt, die zuvor wohl noch nie etwas von Oberbrüden gehört haben. Dabei nimmt er in der Regel keinen Künstler in das Programm auf, den er nicht zuvor gesehen hat, um sich davon zu überzeugen, dass er auch wirklich „Gruschtelkammer-Qualität“ hat.

Philipp Weber ist so einer mit Gruschtelkammer-Qualität, das wird schnell deutlich. Vom ersten Moment an, als das Energiebündel auf die Bühne flitzt, feuert der Kabarettist eine Pointe nach der anderen auf das Publikum ab. Er zieht Fernsehköche durch den Kakao. Im Buch mit dem Titel „Das Parlament kocht“ habe er das Rezept „Merkel kocht Kohl“ entdeckt, und mit dem Publikum macht er ein „Tütensuppenratespiel“. Um welches Produkt kann es sich wohl aufgrund der angegebenen Inhaltsstoffe handeln? Ist die Information auf der Packung „explosionsgetrocknet“ wirklich ein Entscheidungskriterium für den Verbraucher? Wenn es um Lebensmittel geht, weiß Weber, wovon er spricht, denn der Kabarettist ist außerdem studierter Biochemiker. Seine Kritik an der Lebensmittelindustrie und an Ernährungsgewohnheiten kommt aber nicht mit erhobenem Zeigefinger daher, sondern ist geistreich und urkomisch verpackt.

Vom Fast Food gehe der Trend zum Slow Food, was aber nicht das Zubereiten von Schnecken oder Schildkröten bedeuten müsse. Selbstkochen sei wieder angesagt. Und genau das möchte er für ein paar Freunde tun. Rouladen mit Spätzle hat er sich für das Schlemmermahl vorgestellt. Im Publikum weiß man, welche Zutaten für das Rezept benötigt werden.

Dass Senf bei den Fleischrollen nicht fehlen darf, wirft eine Zuschauerin ein. Wer bei dem Auftritt des Kabarettisten seinen Senf dazugibt, bekommt prompt sein Fett weg. Herrlich kann sich Weber künstlich über den besserwisserischen Einwurf echauffieren. Er tobt auf der Bühne, steigert sich in Rage, und ab da wird der Begriff Senf zum Running Gag im Programm, wobei schon die bloße Erwähnung der Würzpaste Lacher auslöst.

Bei seinen Freunden kommt der Menüvorschlag für die Einladung nicht gut an. Der eine ist Vegetarier, der andere isst nur Bio, und von Glutenunverträglichkeit bis Laktoseintoleranz ist bei den Gästen alles dabei.

Zunehmend schrumpfen die Möglichkeiten der Essensauswahl. Bio gibt’s ja heute schon bei Lebensmitteldiscountern, weiß Weber. „Die Schweine sind glücklich, aber hinter der Kasse sitzt ’ne arme Sau.“ Der Deutsche sei so scharf auf Bio, dass das Zeug mittlerweile aus China herangekarrt werden müsse. „So eine Öko-Gurke hat also gerne mal 5000 Flugkilometer auf dem Buckel.“ Das Milliardengeschäft mit Übergewicht in Form von Diätangeboten, Östrogene in Nahrungsmitteln oder Weichmacher in Plastikverpackungen für Fleisch spricht Weber an, aber so ernst diese Themen auch sind– der Kabarettist schafft es, sie irrwitzig in Worte und Geschichten zu verpacken, dass sich das Publikum vor Lachen biegt, wo einem eigentlich das Lachen im Hals stecken bleiben müsste. Es ist eine Kunst, ernsthafte Botschaften über die Gefahren von Lebensmitteln zum Totlachen komisch zu vermitteln.

„Die Schweine sind glücklich, aber hinter der Kasse sitzt ’ne arme Sau“: Philipp Webers scharfer Blick auf die Lebensmittelindustrie, Ernährungsgewohnheiten und Absurdes.Foto: E. Layher

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