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Gotisches Kleinod im Murrtal

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Von Klaus J. Loderer

BACKNANG/OPPENWEILER. Statt den gotischen Hochaltar in Fotos vorzustellen, hatte man die Idee aufgegriffen, für den Vortrag von Dr. Wolfgang Uhlig gleich das Original zu betrachten. Und Pfarrer Michael Schröder freute sich über die Besucher in der Kirche. Unter den Gästen aus Backnang waren sicher auch solche, die das gotische Kleinod im Murrtal noch gar nicht kannten. Bei der äußerlich eher unscheinbaren Kirche würde man weder die prachtvollen Grabdenkmäler noch den gotischen Hochaltar vermuten.

Referent Wolfgang Uhlig erläuterte einleitend die verschiedenen Typen von Altären. Der Oppenweiler Hochaltar, der noch aus der Zeit vor der Reformation stamme, sei ein Retabel, besitze also eine erhöhte Rückwand, und sei außerdem ein Flügelaltar. Was heute fehle, sei das Gesprenge, der gotische Zierrat, der den Altar ursprünglich überragt habe. Diese Teile seien im Jahr 1901 nach Berlin verkauft worden.

Dann analysierte Uhlig ausführlich die Werktagsseite des Altars, also den Altar in verschlossenem Zustand. Auf den Außenseiten der Flügel sind zwei Bilder mit Maria zu sehen: links die Verkündigung und rechts Marias Treffen mit Elisabeth. Uhlig wies auf die raffinierte Anlage der Verkündigung hin, dass Gottvater aus einem oben angesetzten kleinen Bild einen Lichtstrahl mit einer Taube aussendet, auf dem eine kleine Christusfigur zu Maria gewissermaßen hinuntersegelt. Auf dem Predella genannten Sockelbild ist Christus inmitten der zwölf Apostel zu sehen.

Dann durfte das Publikum die Feiertagsseite sehen, indem die Flügel aufgeklappt wurden. Überraschenderweise ist die Innenseite des Altars mit geschnitzten Figuren gestaltet: Der gekreuzigte Christus flankiert von Maria und dem Evangelisten Johannes und zwei Heiligen. Während der rechte Heilige mit der Muschel am Hut eindeutig als Jakobus identifiziert werden kann, ist die übliche Benennung der linken Figur als Vitus (Veit) nach Uhlig reine Spekulation, da der größte Teil der Figur nicht mehr aus der Originalzeit stammt.

Auch die Innenseiten der Flügel sind bemalt. Hier trifft man auf das kniende Stifterehepaar und deren geschnitzte Wappen. Während die linken Heiligen über dem Stifter, Wendelin und Christophorus, als Beschützer von Herden und Flussüberwegen von Uhlig leicht in einen Bezug zu Oppenweiler gebracht werden konnten, fiel ihm zu den Heiligen auf der Frauenseite, Katharina und Odilia, kein sinnfälliger Bezug zu Oppenweiler ein.

Auf Nachfrage aus dem Publikum erläuterte Uhlig die Datierung. Die kunsthistorische Datierung basiere auf der Darstellung noch vor den Erkenntnissen der Zentralperspektive und stilistischer Vergleiche und komme so auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Durch die dargestellten Stifterfiguren seien die Auftraggeber eindeutig nachgewiesen: Friedrich von Sturmfeder und seine Frau Lucia von Hornstein. Die Geschichte liefere genauere Anhaltspunkte: 1460 sei Friedrich von Sturmfeders Lehen in Oppenweiler bestätigt worden und bereits 1471 sei er gestorben. Der von ihm gestiftete Altar müsse also in diesem Zeitraum entstanden sein. Eine genauere Erkenntnis könne allerdings erst eine Untersuchung von Holz und Farben erbringen. Dabei würde man dann auch weitere Erkenntnisse darüber erhalten, was original ist und was von späteren Restaurierungen stammt.

Pfarrer Michael Schröder lud die Besucher dann ein, den Altar aus der Nähe zu betrachten und auch einmal die Rückseite mit dem jüngsten Gericht und dem Schweißtuch der Veronika anzuschauen. Er machte auch auf die schönen Grabmäler der Familie Sturmfeder aufmerksam, die seit dem 14. Jahrhundert in der Kirche in Oppenweiler ihre Familiengrablege hatte. Etwas kurios sei die Situation gewesen, weil die Familie auch nach der Reformation katholisch geblieben sei. Als Patronatsherren hätten sie aus Bosheit nicht unbedingt die besten evangelischen Geistlichen ausgesucht, berichtete Schröder schmunzelnd aus den Pfarrchroniken.

Und was den Umgang des 20. Jahrhunderts mit dem Kirchengebäude angeht, wäre Pfarrer Schröder froh, wenn seine Vorgänger ein größeres Kunstverständnis besessen hätten.


            Stammt aus der Zeit vor der Reformation: Die Besucher staunten über den Flügelaltar in der Jakobuskirche in Oppenweiler. Fotos: P. Wolf

            Der Altar in geschlossenem Zustand: Wolfgang Uhlig erklärte die Details des besonderen Schmuckstücks in der evangelischen Kirche.

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