Von Diana Nägele
BERGLEN/WINNENDEN. Sie sei planmäßig vorgegangen, hatte sich die Salzsäure besorgt und in Kauf genommen, dass ihr Ehemann erblinden kann, erklärte Richter Kirbach. Weil sie außerdem das Auto, einen Mini Cooper, angezündet hatte, wobei Sachschaden von rund 20000 Euro entstanden ist, verurteilte sie das Schöffengericht zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Versuchte schwere Körperverletzung mit gefährlicher Körperverletzung sowie Brandstiftung lautete die Beurteilung der Tat im Oktober des Waiblinger Schöffengerichts. Dagegen auf eine Freiheitsstrafe mit Bewährung plädierte die Verteidigerin der Angeklagten, Susanne Gittel. „Sie hat eine Heidenangst, ins Gefängnis zu kommen. Sie braucht Hilfe und nicht Strafe“, sagte Gittel und sprach sich für eine Unterbringung in einer Psychiatrie aus. Ihre Mandantin hat psychische Probleme. In einem ärztlichen Gutachten ist von einer mittelgradig ausgeprägten Depression die Rede, wie Richter Kirbach in der Verhandlung bekannt gab. Zwischen der Tat im Oktober und der Depression bestehe aber kein Zusammenhang. Sie sei sich im Klaren gewesen, was sie tat.
Es war der 27. Oktober. Das Ehepaar wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits getrennt in zwei Wohnungen, die sich im selben Haus direkt übereinander befinden. Die Frau sei in die Küche ihres Mannes gegangen. Aufgrund der frühen Abenddämmerung war es bereits dunkel im Raum. Sie habe nach den Katzen gefragt, erinnerte sich der 43-jährige Geschädigte. Es gab keinen Streit.
Er dachte, sie habe ein Wasserglas in der Hand, als sie ihm plötzlich den Inhalt ins Gesicht goss. „Ich habe keine Luft mehr bekommen. Von jetzt auf nachher. Ich hatte das Gefühl, ich ersticke“, erklärte er. Intuitiv wusste er, dass er sich das Gesicht abwaschen müsse. Als er ins Bad gehen wollte, habe sie ihn „massiv gehindert, bis das T-Shirt gerissen ist“, erinnerte sich der Geschädigte. Dann goss sie ihm ein zweites Glas mit Säure über den Nacken.
Der 43-Jährige erlitt Verätzungen an der Haut im Gesicht, am Nacken, in der Mundhöhle und in den Augen. Die Augenhornhaut wurde beschädigt und wurde in der Augenklinik behandelt. Er muss seither eine Brille tragen. Die Salzsäure, von der er auch etwas in den Mund bekommen hat, hat den Zahnschmelz zerstört.
Regelmäßig müsste er sich einer Zahnlackkur unterziehen. Mit einer Zahnschiene, auf die er eine fluorhaltige Paste auftragen kann, muss er außerdem selbst seine Zähne regelmäßig behandeln, um sie vor Karies zu schützen.
Was die 46-Jährige zu der Tat bewogen hat, zeichnete sich nur ansatzweise ab. Zunächst stellte sie die Tat als Unfall dar, gab an, dass sie die Toilette reinigen wollte, wies auf einen Toilettenreiniger hin, wonach Richter Kirbach ihr vorhielt, dass solche Reinigungsmittel alkalisch seien und nicht sauer.
Das Auto, mit dem sie im Anschluss in die Nähe des Winnender Bahnhofs gefahren war, habe sich durch ihre Zigarette entzündet. Richter Kirbach hielt ihr erneut vor, dass das alles so nicht sein könne, wonach sie allmählich mit der Sprache rausrückte und zugab: „Kann sein, dass ich Salzsäure gekauft habe.“ Die Flasche habe sie unmittelbar entsorgt.
Wenige Tage vor der Tat hatte der Ehemann die Scheidung eingereicht. Er habe ihr davon erzählt. „Mir ging es nicht gut“, sagte die Angeklagte, die Tat „hatte aber nichts damit zu tun“, sagte sie. Sie sei psychisch angeschlagen. Insgesamt dreimal war sie in einer Klinik zur Behandlung. Zu Hause kam sie immer weniger zurecht. Sie schluckte Schlaftabletten, „aber ich bin wieder aufgewacht“, so die 46-Jährige.
Nachdem das Paar 1994 geheiratet hatte und 2001 die Tochter zur Welt kam, fühlte sich die Angeklagte immer weniger wertgeschätzt. Ihr Mann war viel unterwegs, sie habe sich mit allem alleine gelassen gefühlt.
Ihr Ehemann habe sie „eher runtergezogen als aufgebaut“. Er habe ihr Dinge wie Volltrottel an den Kopf geworfen und ihr vorgehalten, dass sie ungepflegt herumlaufe. Außerdem sei er ihr gegenüber handgreiflich geworden. Sie erstattete Anzeige und zog sie zurück. Einmal sei sie mit einer Kopfwunde zum Nachbarn gegangen.
Vorwürfe, die der Mann zurückwies. Nur dass sie ungepflegt war, stimme. Sie habe sich im Zuge ihrer Erkrankung nicht mehr gewaschen, erklärte er. Im Laufe der Beziehung gab es mehrfach Streit, wonach sie sich zeitweise trennten. Die Staatsanwaltschaft beurteilte die Tat als versuchte schwere Körperverletzung mit vollendeter schwerer Körperverletzung sowie Brandstiftung und sprach sich für eine Gesamtstrafe von drei Jahren aus. Nur durch glückliche Umstände sei nicht mehr passiert, sagte der Staatsanwalt.
