Von Simone Schneider-Seebeck
BACKNANG.Sicherlich kennt so gut wie jede Familie diesen Fall – morgens möchte der liebe Nachwuchs nicht aus den Federn, um in Schule oder Kindergarten zu gehen, dafür sind die Kleinen Meister darin, am Abend das Ins-Bett-gehen hinauszuzögern. Oder der Sprössling ist partout nicht davon abzubringen, auf dem Sofa herumzuspringen, obwohl man es zigmal am Tag sagt. Zunächst ermahnen die Eltern noch freundlich, doch irgendwann schaukeln sich solche alltäglichen Begebenheiten hoch – das Kind macht munter, was es möchte, die Eltern verzweifeln, werden laut, und schließlich liegen die Nerven auf beiden Seiten blank. Statt gemeinschaftlichem Miteinander herrscht Krieg zu Hause. Doch was kann man tun, um Stresssituationen nicht ausufern zu lassen? Wo können Eltern Hilfe bekommen, wenn sie in Erziehungsfragen nicht mehr weiter wissen?
Eine Stelle, die Beratungsmöglichkeiten aufzeigt, ist das Kreisjugendamt. Doch nicht zuletzt wegen Berichten über durch Vernachlässigung zu Tode gekommene Kinder oder andererseits Fälle, in denen Eltern das Sorgerecht entzogen worden ist, scheut sich sicher der ein oder andere, sich bei Problemen ans Jugendamt zu wenden.
Charlotte Rahmann vom Sozialen Dienst des Jugendamtes, Außenstelle Backnang, winkt ab. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Beratung und Vermittlung von Hilfe, erklärt sie. Die Jugendhilfe ist sehr vielseitig angelegt, so Rahmann. Am Beginn steht die Beratung. Im Anschluss überlegt man sich gemeinsam mit den Rat suchenden Personen, welche Hilfeleistungen im individuellen Fall passen könnten, beispielsweise Familienhilfe oder Erziehungsbeistand. Dabei arbeitet das Jugendamt eng mit freien Trägern zusammen, etwa mit dem Verein Kinder- und Jugendhilfe Backnang. Einmal im Monat etwa treffen sich Vertreter des Jugendamtes in einem erweiterten Fachteam mit Mitarbeitern des Vereins, um verschiedene Hilfen weiterzuentwickeln.
Gemeinsam wurden bereits viele verschiedene Kurse konzipiert. „Die Vernetzung ist ein sehr wichtiger Punkt“, betont Rahmann. Jeder, der mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, kann zu einem Beratungsgespräch kommen, auch Kinder und Jugendliche selbst können sich beraten lassen. Die Gespräche sind streng vertraulich, sodass etwa Beratungen von Kindern nicht an die Eltern weitergegeben werden, wenn dies nicht gewünscht ist.
Artur Urschel gehört zum Team der „Sozialen Gruppenarbeit“ des Vereins Kinder- und Jugendhilfe Backnang. Er erklärt, wie die verschiedenen Hilfsangebote aufgebaut sind. Schon in der Schwangerschaft stehen Beratungsmöglichkeiten für unterschiedliche Fragestellungen zur Verfügung. Ist der Nachwuchs da, kann man sich in den Kursen „Fit fürs Baby“, „Elba“ oder dem Elterntreff „Amiki“ (Alltag mit Kind) austauschen und Tipps bekommen. Besonders froh ist Urschel über die Familienhebamme Simone Kirschbaum. Sie unterstützt Familien mit Kindern bis zum vollendeten ersten Lebensjahr.
Neben der Beratung gibt es auch praktische Hilfen für den Alltag
Im Dezember wurde der Stilltreff „Milchkaffee“ ins Leben gerufen, bei dem sie ebenfalls beratend und unterstützend tätig ist. Wichtig ist, Familien mit Kindern eine Anlaufstelle zu bieten, etwa das Elternfrühstück, eine Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Oft stellt sich dabei heraus, dass man mit bestimmten Problemen nicht allein ist.
Neben verschiedenen Möglichkeiten der Beratung gibt es auch praktische Hilfen für den Alltag. Gut besucht ist der Elternkurs „Starke Eltern – starke Kinder“. Damit soll die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern verbessert werden. Es gibt einen Theorieblock, Rollenspiele, Hausaufgaben – dabei ist vor allem Letzteres ganz wesentlich. „Wir führen mit jeder Familie ein Gespräch, was der Kurs bewirken soll“, erklärt Artur Urschel. „Und jede Familie soll so angenommen werden, wie sie ist.“ Zunächst treffen sich die Kursteilnehmer wöchentlich. Nach zehn bis zwölf Treffen gibt es als weiterführendes Angebot die Möglichkeit, sich einmal im Monat zu treffen, um darüber zu reden, wie es nun daheim klappt. Die Anliegen der Eltern werden gemeinsam in der Gruppe besprochen und Lösungswege erarbeitet. Vor allem Eltern mit Kindern im Kindergartenalter nehmen diesen Kurs, der auf dem Modell der anleitenden Erziehung aufbaut, in Anspruch. Für ältere Kinder und Jugendliche gibt es ebenfalls ein reichhaltiges Hilfsangebot im Famfutur.
Sowohl Artur Urschel als auch Charlotte Rahmann vom Jugendamt haben festgestellt, dass Unterstützung in Erziehungsfragen dabei quer durch alle Schichten gesucht wird. Wobei Urschel zu bedenken gibt, dass es bei Familien mit mehreren Problembereichen wie etwa finanziellen Sorgen oder Trennung eher dazu kommt, dass die Eltern-Kind-Beziehung schwierig ist. „Wenn die Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, fällt es schwerer, Geduld für Kinder aufzubringen“, erklärt er. Die Angebote im Bereich Schwangerenberatung, Kinder- und Jugendhilfe werden bezuschusst und sind somit für die Teilnehmer kostenlos. Sie stehen jedem offen, der Hilfe – welcher Art auch immer – benötigt.
