Von Elisabeth Klaper
MURRHARDT. Mit Quantensprüngen zwischen Klassik und Jazz, einem ungemein virtuosen, fantasievollen und facettenreichen Panorama aus unterschiedlichen Stilen, Klängen und Rhythmen, fasziniert Pianistin Annette Hölzl aus Kirchberg an der Murr, die der Malerin Trude Schüle Klavierunterricht gab.
Unter den über 40 Zuhörern der Konzertpremiere im aus allen Nähten platzenden Trude-Schüle-Haus, dessen Wände unzählige zauberhafte Aquarelle schmücken, sind viele langjährige Freunde und Bekannte der Künstlerin aus Murrhardt und der Region. Manche waren schon zu deren Lebzeiten dort, doch die Mehrzahl besucht erstmals das Haus und die Räume, in denen der gute Geist und das fröhliche Wesen der Malerin immer noch gegenwärtig sind.
Deren Atelier verwandelt sich in ein Musikzimmer mit familiärer Atmosphäre, und von Anfang an herrscht beste Stimmung, da Annette Hölzl die Gäste sofort in ihren Bann zieht. Sie erzählt über ihre Art, Musik zu interpretieren, und ihre Beziehung zu Trude Schüle.
Dazu rezitiert sie ihr augenzwinkerndes Gedicht „Ich sammle Töne“ mit dem Fazit, ihre Quantensprünge seien „Kunst mit Götterfunken“, und verzaubert mit ihrem kreativen Spiel auf dem Steinway-Flügel.
Trude Schüle war eine große
Liebhaberin der Klassik und des Jazz
Vor etwa drei Jahren habe Trude Schüle, die eine große Liebhaberin der Klassik und des Jazz war, sie bei einem Konzert im Bildungszentrum Weissacher Tal gehört: „Sie fragte mich, ob ich auch ältere Schüler unterrichte, was ich bejahte“, erinnert sich Hölzl.
Daraufhin sei die 85-Jährige zwei Mal im Monat zu ihr nach Kirchberg gekommen: „Vorwärtsfahren kann ich noch“, habe Schüle erklärt. In Hölzls Probe- und Unterrichtsraum spielten sie Klavier, was beiden viel Freude bereitet habe: „Sie wollte etwas Anderes lernen als das ‚alte Glomp‘, wie sie Beethovens ‚Albumblatt für Elise‘ nannte, Jazz und Boogie-Woogie“, so die Pianistin und Klavierlehrerin, Komponistin und Autorin, die selbst zuerst Jazz spielte und dann klassischen Klavierunterricht hatte.
Spielerisch leicht und beschwingt, voller Power und Lebensfreude überwindet Annette Hölzl die Grenzen zwischen Stilen und Epochen. Zudem vermischt und verändert sie die Kompositionen stimmig mit verschiedenen Melodien und Motiven aus anderen Werken.
Stets fügt sie auch etwas Selbstkreiertes hinzu, um bestimmte Themen und Botschaften zu vermitteln oder Geschichten zu erzählen. Den Auftakt bilden zwei von Trude Schüles Lieblingsstücken: Beethoven darf seine „Elise“ heiraten, die Melodie wird mit Ragtime- und Boogie-Woogie-Rhythmen zum mitreißenden Ohrenschmaus. Mozarts „Türkischen Marsch“ mixt die Pianistin mit Modern Jazz und der Samba über das Mädchen von Ipanema.
Viel Spaß macht ein Original Boogie-Woogie von dessen Erfinder Pinetop Smith: „da weiß die rechte Hand nicht genau, was die linke macht“. Richtig gut an kommt auch der Rock-Blues-Mix „Miss Moneypenny“, wofür die Musikerin mörderische Filmmusik-Motive aus James Bond, Miss Marple, „Der dritte Mann“ und anderen gut geschüttelt serviert.
Hinreißend klingen die Love Stories mit einer italienischen Volksweise, Einleitung zu Donizettis „Lucia von Lammermoor“, Liszts Liebestraum, Prokofjews Romeo und Julia, Tango und Cakewalk. Dazu verwöhnt der „Teacher Blues“ in traditioneller Form die Ohren der Jazzfreunde mit fünf Tönen, drei Harmonien, Moll und Dur gleichzeitig und speziellen Spieltechniken.
Zum wilden Ritt über die Tastatur gerät Hölzls Jazzversion von „Asturias“, eine Impression der kargen heißen spanischen Landschaft, in der feurige Wildpferde leben, von Isaac Albeniz. Als besondere Hommage an den großen Tonkunstmeister Johann Sebastian Bach präsentiert sie ein Medley aus verschiedenen Werken von der dramatischen Toccata bis zum Italienischen Konzert, verquickt mit Barrelhouse-Boogie und Latin-Rhythmen. Im Haus einer Malerin darf Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ nicht fehlen, kombiniert mit Chatschaturjans Säbeltanz und Smooth-Rock-Elementen. Den Abschluss bilden prächtige Klangbilder aus Gershwins Rhapsody in Blue, Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ und Trude Schüles schräg swingendem Lieblingsboogie „Remember the Honky Tonk Train“.
Mit jubelndem Applaus danken die Zuhörer Annette Hölzl für ihre grandiosen Darbietungen. Das Wohnhaus von Trude Schüle in der Justinus-Kerner-Straße, zugleich Sitz ihrer Stiftung, „soll durch regelmäßige Kulturveranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Malkurse zum Murrhardter Kulturprogramm beitragen“, kündigt Stiftungsvorstandsvorsitzender Michael Heinrich an.
Dafür gebe es viele Ideen: Schülern solle Bildende Kunst vermittelt werden, auch könnte ein Stadtmaler dort wohnen und arbeiten.
