Von Annette Hohnerlein
MURRHARDT. Das alte Wirtshausschild mit der goldenen Sonne und der Postkutsche strahlt in neuem Glanz über der Eingangstür, die Fassade mit der markanten Gaube und dem Fachwerk im oberen Geschoss lehnt sich eng an den historischen Vorgängerbau an. Dadurch ist der Neubau, zumindest von der Karlstraße aus gesehen, nicht auf den ersten Blick als solcher zu erkennen. Anders bei dem dahinter gelegenen modernen Gebäude mit 21 altersgerechten Wohnungen, bei dem nur das Schild der früheren Schwanen-Wirtschaft auf die ursprüngliche Nutzung hinweist.
Dieser Kompromiss zwischen der Erhaltung des alten Wirtshausgebäudes und einem modernen Neubau ist das Ergebnis eines teils holprigen Prozesses, der sich über zehn Jahre hinzog und die Beteiligten das eine oder andere Mal an einem Happy End zweifeln ließ. Dies klang auch in den Reden der Projektpartner bei der Eröffnungsfeier durch.
„Wir sind als Lehrlinge gekommen und als Meister gegangen“
Gustav Bylow vom Investor FWD Hausbau GmbH würdigte stolz den „Neubau, der daherkommt, als wäre er schon immer da gestanden. So etwas Schönes haben wir selten bauen dürfen.“ Die Umsetzung des Projekts sei jedoch ein kompliziertes Vorhaben mit einigen Hürden gewesen. Mit den Worten „Wir sind als Lehrlinge gekommen und als Meister gegangen“ überreichte er Helga Blank vom Betreuungspartner Diakonie ambulant einen Blumenstrauß sowie einen Scheck für die Anschaffung von Stühlen für die zukünftigen Veranstaltungen. Blank und ihre Kolleginnen Sabine Zielke und Petra Rostek sind zuständig für die Umsetzung des Betreuungskonzeptes.
Auf die Anlaufschwierigkeiten ging Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner näher ein, der die Ablehnung des Projektes beim Bürgerentscheid 2007 in der Fußballsprache so beschrieb: „In der ersten Halbzeit haben wir die Hucke voll bekommen“. In der Folge habe man in mehreren Veranstaltungen die Bürger einbezogen und Anregungen aus ihren Reihen in die Planung eingearbeitet. Beim Richtfest hätten die Murrhardter die Wiedergeburt des vertrauten Gebäudes erlebt: „Da ging vielen das Herz auf“.
Der Saal im Erdgeschoss der neuen Alten Post, den die Gemeinde, zusammen mit sechs Tiefgaragen-Stellplätzen, erworben hat, wird am 17. November erstmals für eine Gemeinderatssitzung genutzt. Der in hellen Naturtönen gehaltene Raum ist mit einer Küchenzeile und Präsentationstechnik ausgestattet, klimatisiert, und bietet Platz für 60 Personen. Er trägt den Namen Bofinger-Saal und verweist damit auf die Gastwirtsfamilie, die vor Jahren den Ruf der Sonne-Post als renommiertes Gasthaus begründete. Ein entsprechendes Schild am Saaleingang wurde im Beisein der Familie Bofinger während der Eröffnungsfeier enthüllt. Unmittelbar neben dem neuen Gebäudekomplex steht das Gebäude Postgasse 5, das stark baufällig, aber denkmalgeschützt ist, weil es als eines der wenigen Murrhardter Häuser den Stadtbrand im Jahr 1765 überstand, wie Mößner erläuterte. Die Stadt habe das Gebäude erworben und strebe einen Abriss an. Er nannte weitere Vorhaben in der Umgebung der Wohnanlage: Der nahe gelegene Altglas-Container in der Postgasse soll mit Rücksicht auf die Bewohner verlegt werden. Zudem plane die Stadt, mittelfristig einen Zugang zur Murr zu schaffen.
Werner Stingel als Vertreter des Krankenpflegevereins Murrhardt und der Diakonie ambulant, deren Logopädiepraxis seit September im Erdgeschoss der neuen Alten Post untergebracht ist, freute sich über die ebenerdigen, behindertengerechten Räume für die Mitarbeiter und die rund 90 Patienten aller Altersstufen, die jeden Monat behandelt werden. Er erläuterte das Konzept der Diakonie ambulant, die mit drei Mitarbeiterinnen die Bewohner vor Ort berät und Veranstaltungen organisiert. Er betonte, dass die Anlage keine Pflegeeinrichtung ist, über die Diakonie aber Pflegeleistungen gebucht werden könnten.
Pfarrer Achim Bellmann von der evangelischen Kirchengemeinde Murrhardt übertrug die Bibelstelle „Lasset die Kinder zu mir kommen“ auf Menschen im Seniorenalter und forderte, diesen „mitten in der Stadt und mitten im Leben einen Platz einzuräumen“. Anschließend segnete Pfarrer Andreas Krause von der katholischen Kirchengemeinde St. Maria die Gebäude.
Die Einweihung im Hof der Anlage wurde vom Musikverein Stadtkapelle umrahmt. Nach einem Sektempfang, bei dem, passend zum nasskalten Wetter, nicht nur Sekt, sondern auch Glühwein angeboten wurde, waren die zahlreichen Besucher eingeladen, sich selbst ein Bild von den Räumlichkeiten zu machen.
