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Luther würde heute eine WhatsApp-Gruppe gründen

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Der fünfte Abend von „Kirche im Dialog.“ In der Pauluskirche in Maubach begrüßt Hans W. O. Krämer den Theologen Uwe Birnstein. Aus Wittenberg ist er eigens angereist, um über das Thema „Dagegen! - Was von der Reformation noch übrig ist“ zu sprechen.

Es ist einiges übrig. Von der Reformation. So verwies Uwe Birnstein auf die Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Während seines Aufenthalts auf der Wartburg hatte Martin Luther das Neue Testament im Alleingang innerhalb von elf Wochen übersetzt. Mit einem Mitarbeiterteam machte er sich dann an das Alte Testament. So lag im Jahr 1534 die ganze Bibel ins Deutsche übersetzt vor.

Der Idee der Freiheit zum Durchbruch verholfen

Bis heute wird unsere Sprache von Formulierungen geprägt, die der Reformator durch seine Übersetzung in den deutschen Sprachschatz eingeführt hat. Das „Scherflein“ als Bezeichnung für eine kleine Münze. Oder die Sentenz „der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“. Jeder Christenmensch sollte nach der Meinung Luthers nachlesen können und so zur Mündigkeit gelangen.

Luther, so der Publizist, habe der Idee der Freiheit zum Durchbruch verholfen. Er erinnerte an die zwei Thesen aus des Reformators Freiheitsschrift: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Sowie: Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan. Luther habe uns gelehrt, dass es Freiheit nur im Gewand der Verantwortung gebe. Und der Reformator habe die von ihm vertretene Freiheit beispielhaft vorgelebt. Auf dem Reichstag zu Worms 1521 blieb Luther standhaft. Weil er nicht widerlegt werden konnte, beharrte er vor dem Kaiser auf seinen Thesen.

Uwe Birnstein verneinte, dass mit dem Reformationsjubiläum die Spaltung der Christenheit gefeiert werde. Dass es, geschichtlich gesehen, so gekommen sei, müsse man annehmen. Da sich in Folge der Reformation auch die katholische Kirche verändert habe, sprächen Historiker heute von einer „Ausdifferenzierung der Christenheit“ und der „kreativen Kraft der Differenz.“ Unter der Vorgabe, dass 2017 ein Christusfest gefeiert werde, könne die katholische Kirche mitfeiern.

Auch die dunklen Seiten des Reformators sparte der Publizist nicht aus. Luther sei von den judenfeindlichen Klischees seiner Zeit erfüllt gewesen und habe diese in seinen Schriften verbreitet. Damit habe er den Antisemitismus bis in unsere Zeit hinein befeuert. Dem versucht die evangelische Kirche entgegenzusteuern. Im vergangenen Jahr erklärte die EKD: „Luthers Sicht des Judentums stehe im Widerspruch zu dem einen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart habe.“ Und noch in diesem Jahr ist eine weitere Erklärung zu erwarten, die die Ablehnung der Judenmission beinhalte.

Übrig von der Reformation ist, dass die Beziehung Kirche-Staat ein vielschichtiges Geflecht ist. So sei der Religionsunterricht an vielen Schulen ordentliches Lehrfach. Der Staat ziehe für die Kirche die Steuer ein. Diese bezahle aber diese Dienstleistung. Schließlich sei das Subsidiaritätsprinzip eine Folge der Reformation: Der Staat unterstützt die Kirche, sofern diese Aufgaben des Staates übernehme. Das geschieht etwa in der vielfältigen Arbeit der kirchlichen Diakonie.

Der Publizist zeigte auch auf, dass die Vorstellungen der Reformation durch den zuvor erfundenen Buchdruck eine rasende Verbreitung fand. Luther würde wohl heute eine WhatsApp-Gruppe aufmachen. Und eine SMS des Reformators könnte so lauten: „Und wenn die Welt voll Teufel wäre und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen.“ Eine Strophe aus dem bekannten Luther-Lied: Ein feste Burg ist unser Gott.

Genug des Dagegen. Bei seinen Vorträgen, so berichtete der Publizist, werde er oft gefragt, was denn die Protestanten im positiven Sinne vertreten. Da antworte er gern mit Worten des Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch: „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit. Gott nahm in seine Hände meine Zeit, mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen, mein Triumphieren und Verzagen, das Elend und die Zärtlichkeit.“


            Luther prägt die Sprache bis heute: Uwe Birnstein bei seinem Vortrag. Foto: A. Becher

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