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Es geht alles andere als zimperlich zu

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Von Steffen Grün

Selbstverständlich können sich Mara und Luca einfach die Drahtesel schnappen und ein wenig durch die Gegend cruisen. Der Trainingseffekt ist aber begrenzt, denn die Feldwege rund um Aspach haben mit dem, was BMX-Sportler suchen, kaum etwas zu tun. Nur extra angelegte Strecken bieten die Wellen, Kuppen und Kurven und vor allem die Startrampe, die einen reizvollen Kurs ausmachen. Aspach ist als Basis aber nicht schlecht, betonen die Geschwister: In erreichbarer Nähe liegen die Bahnen ihres Heimatvereins MSC Ingersheim sowie die Strecken in Kornwestheim, Welzheim und am Olympiastützpunkt in Stuttgart.

Der BMX-Vorreiter bei den Schwingers war Luca. Mit der Jagd nach dem runden Leder konnte der Bub nicht viel anfangen, der Betreuer in der Kindersportschule der TSG Backnang „meinte, er hätte etwas für mich: BMX-Fahren. Das machte ein Kumpel und es zeigte sich, dass das auch mir Spaß macht. Also bin ich dabei geblieben“. Neun Jahre ist das her, schnell stellten sich Erfolge ein. Er fuhr in seiner Altersklasse in Deutschland vorne mit und überzeugte auch bei internationalen Wettkämpfen sowie bei Welt- und Europameisterschaften.

Der Start und die erste Gerade sind beim BMX-Rennen wegweisend

Stets an der Seite des mittlerweile 16-Jährigen: die kleine Schwester. „Ich habe immer zugeguckt und wollte es dann auch ausprobieren“, erinnert sich Mara Schwinger. Es war auch ihr Ding, seitdem richtet sich der Zeitplan der ganzen Familie nach dem Sport. Zu dessen Reiz befragt, sprudelt es aus den Aspachern heraus. „Die Frage, wer der Schnellere ist, sorgt für ordentlich Adrenalin“, sagt Luca, für Mara geht es um „den Ellbogenkontakt, das Suchen nach der besten Linie und Lücken für das Überholen“. Es geht nicht zimperlich zu, wenn acht Fahrer pro Rennen in den Vorläufen um jeweils vier Finaltickets und danach um die Podestplätze streiten. „Der Start und die erste Gerade sind mit am wichtigsten“, erklärt Mara, warum vor allem auf den ersten von 400 bis 450 Metern mit harten Bandagen gekämpft wird.

Keinen Zacken bricht es Luca Schwinger aus der Krone, dass die Schwester die größeren Erfolge einfährt: „Daran habe ich mich gewöhnt, mir macht es trotzdem Spaß.“ Zumal auch Mara einräumt, dass es bei den Mädels wegen der geringer ausgeprägten Konkurrenzsituation leichter ist. Das geht so weit, dass sie mit den Jungs trainiert und auch „lieber gegen sie fährt“. In der Bundesliga mit Ingersheim darf sie das, bei Titelkämpfen und auf internationaler Ebene bleiben die Mädels unter sich.

Die 13-Jährige zählt zum Landeskader, ihr Bruder nicht. Ihr Trainingspensum beträgt bis zu acht Einheiten pro Woche, dabei sitzt sie aber nicht nur im Sattel, sondern sie arbeitet auch im Schnelligkeits-, Kraft- und Ausdauerbereich. Um die Beweglichkeit weiter zu verbessern, turnt sie auch. Pause ist am Sonntag. Für Luca, der durch zwei Armbrüche und eine Knieprellung immer wieder zurückgeworfen wurde, gilt all das in leicht abgespeckter Form – bei ihm wird der Spaßfaktor stärker betont. Was nicht bedeutet, dass sein Ehrgeiz zum Erliegen gekommen ist. „2017 will ich die Qualifikation für die WM in den USA schaffen und dort gut abschneiden“, sagt der Schüler, der bereits die Weltmeisterschaften in Kopenhagen (2011), Birmingham (2012) und Zolder (2015) erlebte.

Nicht vergönnt war ihm der Trip nach Medellín im Mai und Juni dieses Jahres. Bei dieser WM hielt alleine Mara die Fahne der Familie hoch, begleitet nur von einem deutschen Teamkollegen sowie dem Trainer mitsamt Lebensgefährtin. Weil die Sportler die Reisekosten selbst zu tragen haben und das Familien-Wohnmobil anders als bei Wettkämpfen in Europa keine Option war, ging die Sache ins Geld. „Wir wollten, dass Mara diese Erfahrung sammeln und das Erlebnis ohne Eltern mitnehmen kann“, sagt die Mutter und die Tochter grinst verschmitzt: „Ich hatte kein Problem damit, dass ich ohne Eltern weg war. Alles hat super geklappt.“ Fast zwei Wochen war sie unterwegs, auch sportlich lief es respektabel. Mara Schwinger wurde Neunte, haderte aber damit, dass Finale der besten Acht knapp verpasst zu haben.

Für 2017 gilt: „Ich will den deutschen Meistertitel erneut verteidigen und ins Finale der WM kommen.“ Letzteres wäre eine Premiere, denn bei den bisherigen vier Versuchen war daraus noch nichts geworden. „Mein Fernziel sind die Olympischen Spiele in acht Jahren“, sagt die Großaspacherin, die dann 21 Jahre alt ist und sich vorher auf die Super-Cross-Strecke umstellen muss. Tokio 2020 kommt für sie noch zu früh, für die Spiele in Rio wurden mit Nadja Pries (Erlangen) und Luis Brethauer (Stuttgart) zwei Deutsche nominiert. Heute ab 18.30 Uhr steht die Qualifikation an, am Fernseher wollen die Schwingers dabei sein. An eine Medaille glauben sie nicht, schon das Finale am Freitag ab 20 Uhr wäre in ihren Augen eine Sensation. Vielleicht holen die Deutschen ja noch auf, bis Mara Schwinger 2024 so weit sein will.

  Dies ist der letzte Teil einer kleinen Serie, mit der unsere Zeitung zu den 31. Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro künftige Olympiahoffnungen aus der Region vorstellt. Turnerin Emelie Petz, Dressurreiterin Beatrice Buchwald, die Boxer Ahmet und Mehmet Sor sowie BMX-Fahrerin Mara Schwinger wollen es dem Murrhardter Dreispringer Joachim Kugler (1968), TSG-Judoka Michaela Baschin (2008) und dem Backnanger Turner Sebastian Krimmer (2012) gleichtun, die ihr Olympia- Erlebnis bereits hinter sich haben.


            Teilen die Leidenschaft für den BMX-Sport und treiben sich gegenseitig zu Höchstleistungen an: Mara und Luca Schwinger.Foto: A. Becher

            Liebt das Suchen nach der besten Linie und den geeigneten Lücken für den Überholvorgang: Die 13-jährige Mara Schwinger. Foto: privat

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