Von Armin Fechter
SULZBACH AN DER MURR. Was in der tollen Frucht alles steckt, macht Christa Schumacher beim Rundgang durch die Gärtnerei Wahl deutlich. Dort werden etwa 20 verschiedene Sorten kultiviert: von der kleinen Cherrytomate, die ungefähr das Volumen einer Kirsche hat, über die etwas größere Pflaumentomate und die ganz normale runde Tomate bis hin zur üppigen französischen Ochsenherztomate mit dem klingenden Namen Aurea.
Eine Kostprobe zeigt, welches Spektrum an Geschmack die unterschiedlichen Sorten bieten. Da hängt zum Beispiel die Orange Fizz, eine Cocktailtomate – sie erstaunt mit einer Säure, die ganz unerwartet auf der Zunge prickelt. „Wie ein Riesling“, schmunzelt Christoph Wahl, der den Betrieb zusammen mit seinem Vater Wolfgang leitet. Im Gegensatz dazu entfaltet sich beim Biss in die gelbe Cherrytomate Golden Pearl eine angenehm milde Süße. Die Tasty Tom wiederum kommt dem Versprechen im Namen mit vollem, rundem Geschmack nach.
Je nach Sorte bieten sich unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten für die Frucht an, die in Österreich liebevoll Paradeiser, Paradiesfrucht, genannt wird. Da wäre zum Beispiel die Fleischtomate als klassische Grundlage für eine sämige Soße. Oder die Flaschentomate, die von allen geliebt wird, die gern schöne Rädchen für ihren Salat schneiden. Cocktailtomaten hingegen haben als Zugabe in Nudelgerichten Freunde gefunden – und das nicht nur als Farbtupfer.
Überhaupt, die kleinen Varianten: Christoph und Wolfgang Wahl bestätigen, dass die Miniaturausgaben absolut im Trend liegen. „Die Leute stellen sich eine Schüssel voll in die Küche und greifen im Vorbeigehen zu.“ Tomätchen statt Schokolade oder Keksen – ausgesprochen gesundes Knabberzeug, merkt Christa Schumacher an. Denn die Tomate hat mit einem Wassergehalt von über 90 Prozent nur wenig Kalorien. Sie kann so aber zum Flüssigkeitshaushalt im Körper beitragen und verfügt auch reichlich über wertvolle Inhaltsstoffe, voran die Vitamine A und C sowie Kalium.
Der aromatische natürliche Durstlöscher stellt im Übrigen, so weiß es die Expertin vom Amt, aus botanischer Sicht nicht einmal ein Gemüse dar, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Vielmehr müsste die Tomate – ebenso wie die Gurke – dem Obst zugeordnet werden, weil sich die Früchte aus einer bestäubten Blüte entwickeln. Genau genommen sind Tomaten also Beeren. Anders als Johannisbeeren oder Erdbeeren landen Tomaten aber nicht auf dem Kuchen oder in der Konfitüre, wenngleich sie auch köstlichen Saft ergeben.
Das Saatgut kostet mitunter
zwei Euro pro Korn
Bis aber die leckeren reifen Früchte geerntet werden können, ist die Pflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse sorgsam und pfleglich zu behandeln. Das beginnt mit dem Säen beziehungsweise mit der Wahl der richtigen Samen. „Beim Saatgut sollte man nicht sparen“, mahnt Christoph Wahl. Er selbst wälzt stapelweise Kataloge, ehe er sich festlegt. Bewährte Sorten nimmt er gerne im nächsten Jahr wieder; was sich nicht bewährt hat, wird gestrichen. Und weil er gerne Neues ausprobiert, darf es auch die eine oder andere Neuheit sein. „Früher“, so berichtet er, „hat man den Samen nach Gewicht gekauft.“ Da gab es allerdings auch noch nicht die heutige Vielfalt. Inzwischen aber wird der Samen pro Korn bezahlt – und das können dann im Einzelfall auch zwei Euro sein. Zum Beispiel bei der exotischen Zebrino.
Um das Keimen zu unterstützen, sollten etwa 20 Grad Lufttemperatur herrschen. Privatleute stellen ihre Anzucht deshalb gern auf die Fensterbank. Der Profi richtet sich ein eigenes kleines Gewächshaus im Gewächshaus ein. Wichtig ist auch die richtige Wasserdosis: Die Keimlinge dürfen nicht austrocknen, sie dürfen aber auch nicht vernässen. Sodann gilt es ein paar Wochen nach der Aussaat, die jungen Pflänzchen aus dem engen Aussaatbehälter zu pikieren – sie zu vereinzeln und ihnen mehr Platz zu geben. Am Ende braucht die Staude dann eine Fläche von 50 auf 50 Zentimeter. Fachmann Wahl rät auch, einmal pro Woche den Bestand durchzusehen und Seitentriebe auszubrechen. Und: Während der Blütezeit sollte man die Pflanzen einmal am Tag ein wenig schütteln, um die Befruchtung zu unterstützen.
Skeptisch sieht Wahl die Freilandhaltung. Gegen die allgegenwärtige Braunfäule müsste man ständig spritzen, sagt er. Im eigenen Betrieb setzt er auf integrierten Pflanzenschutz, das heißt, gespritzt wird nur bei massivem Befall von Schädlingen oder Pilzen. Ansonsten rät er, die Kultur trocken zu führen, morgens und spätestens mittags noch einmal zu gießen und die Stauden vor Regen zu schützen. Um ihnen Luft zu verschaffen, empfiehlt er, die unteren Blätter abzubrechen. Aber: Mindestens 13 Blätter sollten, so die Faustregel, stehen bleiben. Anfang bis Mitte August sollte man zudem den Haupttrieb abschneiden, damit die letzten Früchte noch gut ausreifen.
„Tomaten“, daran lässt Christoph Wahl keinen Zweifel, „schmecken im Sommer am besten.“ Wenn erst einmal der September kommt, wird das Licht schwächer, die Temperaturen gehen zurück, die Fotosynthese lässt nach. Und, so ergänzt Christa Schumacher: „In der Haupternte haben die Tomaten die meisten Inhaltsstoffe.“ Zudem warnen die Fachleute davor, Tomaten in den Kühlschrank zu legen, damit sie länger halten – darunter leiden die Inhaltsstoffe. Können Tomaten nicht aufgebraucht werden, wär’s besser, so Christoph Wahl, sie einzukochen: mit ein wenig Wasser langsam eine halbe Stunde kochen, dann pürieren und in Gläser mit Schraubverschluss einfüllen – so wie man Marmelade einkocht. Später lässt sich der dicke Saft beispielsweise als Rohstoff für eine Soße verwenden.
Wer in Urlaub fährt, während seine Tomatenstauden mit halb reifen Tomaten voll hängen, kann die Früchte guten Nachbarn oder Freunden überlassen. Oder er kann, so Wahls Tipp, die Tomaten mitnehmen, ausreifen lassen und in der Sommerfrische genießen.

