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Der Ehefrieden hat beim Länderspiel Pause

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Von Matthias Nothstein

BACKNANG. In einem wichtigen Spiel hat Deutschland noch nie gegen Italien gewonnen – „das wird auch so bleiben“, prognostiziert Natale, den man in Backnang als stets freundlichen Kellner aus dem Ristorante Pizzeria Santa Lucia kennt. „Von wegen“, kontert Ehefrau Anke, „dieses Mal gewinnt ganz klar Deutschland.“ So geht das die ganze Zeit, wenn mal wieder eine Fußball-Meisterschaft ansteht. Egal, ob EM oder WM, sobald das Team mit dem Adler auf die Azzurri trifft, ist bei den beiden von Einigkeit keine Spur. Da sind sie wie Hund und Katz und sticheln gegenseitig wie die Champions.

Dabei hat die 36-Jährige Fußball erst über ihren Mann richtig lieben gelernt. Der gebürtige Backnanger, der zwischen seinem 3. und 16. Lebensjahr in Kalabrien gelebt hat, ist von Kindesbeinen an eingefleischter AC-Milan-Fan. Nicht zuletzt deshalb kennt sich seine Frau in der italienischen Liga bestens aus. Und feuert manchmal Inter an, „nur um ihn zu ärgern“, lächelt sie. Tatsächlich aber liebt die Erzieherin leidenschaftlichen Fußball. Echten, ehrlichen Kampf. Und erst recht kein Catenaccio. Deshalb schlägt ihr Herz auch für Liverpool. Und für Klopp. Und für alle Stadien, in denen die Fans richtig Stimmung machen. Da pflichtet ihr auch der Gatte bei. Von den deutschen Mannschaften findet er deshalb St. Pauli und Dortmund toll.

Umgekehrt mag sie Fußballer gar nicht leiden, die sich fallen lassen, „und ich mein jetzt nicht die Italiener“, kommt der nächste Seitenhieb. Und wie um sich zu entschuldigen, sagt sie: „Ich bin Italien-Fan. Ich mag die Leute, die Landschaft, das Essen. Aber beim Fußball hat diese Liebe ihre Grenzen.“ Wenn die beiden Nationen allerdings nicht gegeneinander spielen, „dann soll der bessere gewinnen, von mir aus auch Italien“, zeigt sich die Deutsche generös. Dass Italien in den entscheidenden Spielen die Weißbehemdeten immer rausgeschmissen hat? „Ich weiß. Bisher.“

Die Frotzelei geht munter weiter: Sie bemerkt zu seinem 2:0-Sieg-Tipp für Italien: „Ich glaube, Italien schießt ein Tor, denn Glück haben die ja immer. Aber wir schießen halt eins mehr.“ Spektakuläre Tore sind heute Abend laut Anke nicht nötig, „die schießen wir im Halbfinale und im Finale“. Da trifft die Squadra Azzurra auf Island, mutmaßt der Gatte, und erntet einen liebevollen Stupser. Alles getreu dem Motto: Was sich liebt, das neckt sich.

Die beiden können das Spiel nicht gemeinsam sehen – und das ist gut so

Das Viertelfinale von Bordeaux mit den beiden viermaligen Weltmeistern können die beiden nicht gemeinsam anschauen – und das ist wohl besser so. Der 44-Jährige muss arbeiten, kann aber parallel das Geschehen im Fernsehen verfolgen. Sie wiederum wird das Duell mit dem Angstgegner wohl alleine zu Hause anschauen, dann kann sie sich besser auf das Geschehen konzentrieren. Wird dann wenigstens nach dem Abpfiff gemeinsam gefeiert? Pfeifendeckel! Sie: „Wir schreiben uns und gratulieren. Sportlich, aber nur kurz und knapp. Wenn wir verlieren, gehe ich ins Bett und sage: ,Ich muss morgen früh aufstehen und arbeiten‘“. Er: „Morgen ist Sonntag, da musst du nicht arbeiten.“ Sie: „Oder ich schließ ab, dann kommt er nicht rein.“ Und fast beschwörend wiederholt sie: „Dieses Mal ist das Ergebnis wichtig. Deutschland muss gewinnen. Dieses Mal.“

Während Natale die Torschützen der Halbfinals von 2006 und 2012 ehrfürchtig wie im Gebet aufzählt und Gianluigi Buffon als Lieblingsspieler hervorhebt, schwärmt Anke für Bastian Schweinsteiger. Und für Poldi. Die Fußball-Leidenschaft der Backnangerin ist ja auch parallel mit dem Werdegang dieser Spieler zu Superstars gewachsen. „Ich habe deren Entwicklung verfolgt. Die gefallen mir. So wie früher auch Klose. Und heute die unkonventionelle Art von Thomas Müller. Die Lockerheit ist toll, die sind nicht so verbissen wie früher.“ Einig sind sich die beiden in der Ablehnung der Art von Mario Balotelli. Der Torjubel vom Halbfinale 2012 – beide glauben, da hat es dem Sportler an Respekt gefehlt. Weshalb auch die Ronaldo-Show bei dem deutsch-italienischen Paar nicht gut ankommt. Wenigstens da sind sie sich einig.

Einig sind sich die beiden auch beim Thema Urlaub. Jedes zweite Jahr geht’s nach Italien. In den großen Städten werden dann auch schon mal die Stadien besichtigt. Anke schmunzelt. „Andere gehen nach Mailand und schauen sich die Oper oder den Dom an, wir das San Siro.“ Das machen sie auch in Dublin und vielleicht auch einmal in Liverpool. Wenn dann noch der AC Milan zu einem Champions-League-Spiel zu Gast wäre – ein Traum.

Eigentlich ist dem sportbegeisterten Duo heute Abend ein gerechtes Unentschieden zu wünschen. Aber das gibt’s in der K.-o.-Runde nun mal nicht. So wird die Beziehung erneut auf eine harte Probe gestellt. Aber dann darf sich das Paar wieder über zwei Jahre Harmonie freuen. Bis zur WM in Russland. Dann steht Dolce Vita wieder ein Länderspiel lang im Abseits.


            Beweisen viel Humor mit einer Prise Ernst: Anke und Natale Mannara sind vom Sieg ihrer jeweiligen Nationalmannschaft überzeugt.Foto: E. Layher

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