BACKNANG. Heute ging es los, ab ins afrikanische Winterquartier. Mein Pflegemensch hofft, dass ich es schaffe. Wenn meine hiesigen Artgenossen schon weg sein sollten, schließe ich mich einfach denen an, die noch aus dem Norden kommen. Aber der Reihe nach:
Am 13. Juli, also vor etwa einem Monat, wurde ich in Backnang in der Uhlandstraße gefunden. Ob ich wegen der Hitze aus meinem Nest gesprungen bin oder ob meine Mauerseglereltern nicht mehr genügend Insekten finden konnten, weiß ich nicht mehr. Wie ich erfahren habe, ging es vielen von meinen Artgenossen in diesem Sommer ähnlich. So kam ich dann zu meinem Pflegemensch, der mich anfangs zwangsfüttern musste, weil ich einfach nicht mehr wollte. Einem an gleicher Stelle gefundenen Artgenossen konnte er nicht mehr helfen. Meine Lebensgeister aber erwachten wieder, sodass ich bald mit der Pinzette (stumpf!) gefüttert werden konnte. Etwa 10 bis 15 Heimchen oder kleine Steppengrillen versohlte ich etwa stündlich, sodass mein Pflegemensch vor den Mauerseglereltern Hochachtung bekam. Wie viele Fliegen die wohl ihren Jungen herbeischaffen müssen, und die haben nicht nur eines! Mein Mensch war froh, dass ich wenigsten von 22 bis 6 Uhr Ruhe gab.
So gedieh ich zusehends. In den letzten Tagen wurde ich dann immer unruhiger, machte auch kräftig Liegestützen, um meine Flugmuskulatur zu trainieren und um mein Fluggewicht zu testen. Da ich merkte, dass ich etwas zu viel wog, fraß ich nicht mehr so viel, was meinem Pflegemenschen zunächst Sorgen bereitete. Aber ich weiß, was ich brauche. Auch wollte ich jetzt eher selbst die Futterinsekten von der Pinzette nehmen und sie nicht mehr in mich hineingestopft bekommen.
Gestern dann wollte ich aus meiner Kiste. Mein Pflegemensch nahm mich auf die Hand, und ich konnte vor dem Haus die Gegend anschauen, aber der Regen hielt mich vom Fliegen zurück, obwohl der Regen gut von meinem Gefieder abperlte, was wichtig war. Aber ein Jungfernflug im Regen?
Ich sah es ein, dass mein Pflegemensch mich wieder in meine Kiste setzte. Aber heute Morgen war ich dann nicht mehr zu halten. Mein Mensch setzte mich in seine Hand und hob mich mit ausgestrecktem Arm in die Höhe, und dann ging es ab, ich drehte noch eine Abschiedsrunde und tschüss.
Gott sei Dank hat er mich nicht in die Luft geworfen, wie man es wohl immer wieder falsch macht, weil wir Mauersegler nicht vom Boden aus starten könnten (wobei ein gesunder Mauersegler auch vom Boden aus starten kann, zur Not klettert er irgendwo hoch). Aber wenn wir von einer erhöhten Position aus selbst entscheiden können, ob wir wegfliegen, geht das meist. Es sei denn, wir sind verletzt, dann wollen wir erst recht nicht in die Luft geworfen werden.
Meinem Pflegemenschen ging nun so einiges durch den Kopf: Ein Riesenaufwand auch an Futter für einen einzigen kleinen Vogel, der vielleicht auch noch unterwegs irgendwo als Delikatesse auf einem Teller landet?
Lassen wir doch der Natur ihren Lauf, solche widrigen Wetterbedingungen kann eine gute Mauerseglerpopulation wegstecken. Aber den armen Tropf einfach liegen und verhungern lassen?