Von Heidrun Gehrke
BACKNANG/FELLBACH. Die Kälte gefällt Klaus Bauerle überhaupt nicht. „Bei 15 bis 20 Grad wäre alles ideal, wechselhaft auch gut, Regen kein Problem, nur Nachtfrost muss nicht sein“, äußert er seine Wetterwünsche als Spargelbauer. Bis jetzt spricht er von einem „normalen Jahr“. Sie hätten wie im Vorjahr in der zweiten Märzhälfte begonnen, am 22. März sei der erste frisch gestochene Spargel im Verkauf gewesen.
Vor 15 Jahren sei er froh gewesen, wenn er am 1. Mai den ersten Spargel anbieten konnte, beschreibt Bauerle den Wandel im Spargelleben. Weil die Kunden nicht mehr so lange warten möchten, bis sie das feine Stangengemüse auf den Tellern haben, zieht Bauerle das sogenannte Folienmanagement zurate. „Verfrühen“ nennt sich ein Verfahren, bei dem schwarze Folie zur Abdeckung über den Damm gezogen wird.
„Mehr als Sonnenstrahlen
zählt beim Spargel die Wärme“
Unter der Folie bildet sich Tau, der den Boden feucht und weich hält und zudem die Wärme hält. Ohne diesen Eingriff würde der schwere Lösslehmboden bockelhart werden – „die Pflücker kämen mit der Hand nicht mehr rein“, so Bauerle. Um die Ernte um weitere zwei Wochen zu verfrühen, arbeitet er mit Thermofolien und nutzt den Gewächshauseffekt. „Mehr als Sonnenstrahlen zählt beim Spargel die Wärme, Spargel braucht es warm.“
Bauerle schwört auf eine Dreiteilung der Anbaufläche: Auf den Feldern, die er mit Thermofolie verfrüht könne er bis Ende Mai Spargel stechen. Felder mit schwarzer Folie geben bis Mitte Juni Ertrag, auf Feldern mit weißer Folie kann er das Erntefenster bis Ende Juni ausdehnen – und damit noch einige Tage über das offizielle Ende am 21. Juni hinaus Spargel anbieten. Dass am Johannistag offiziell die Ernte endet, liege nicht daran, dass der Spargel bitter wird, räumt er eine weitläufige Meinung aus der Welt. „Die Pflanze braucht die Zeit der Regeneration, sie muss bis zu Beginn der Frostperiode im Oktober ruhen, nur das ist der Grund für die zeitliche Festlegung.“
In Hofläden, an Straßenständen und auf Wochenmärkten wird das Frischgemüse direkt vermarktet. Bauerle liefert an Edeka-Märkte, unter anderem an beide Märkte in Winnenden. In Backnang ist Spargel vom Schmidener Feld bei Michael Häußermann erhältlich.
Im Rems-Murr-Kreis ist das Schmidener Feld das Anbaugebiet für Spargel. Die Fellbacher Betriebe Bauerle und Matzka ziehen auf 72,5 Hektar Gesamtfläche das beliebte Frischgemüse. Bauerle baut auf 70 Hektar Spargel an: 54 Hektar sind Ertragsfläche, auf den anderen Böden wachsen Jungpflanzen, die noch keinen Ertrag bringen.
Auch Günther Matzka macht sich die durch Verfrühung mit schwarzer Folie gewonnene Bodenwärme zum Anregen des Wachstums zunutze. Der Grünspargel bekam einen Minitunnel und ist dank Gewächshauseffekts schneller gewachsen. Auf 2,5 Hektar Anbaufläche hat Mitte April die Ernte begonnen und damit denselben Start erwischt wie im Vorjahr, erklärt Matzka, einer von zwei Inhabern des Sonderkulturbetriebs mit Beeren und Spargelanbau, der seit 25 Jahren auf dem Markt ist.
Etwa 30 Prozent der Spargelstangen erreichen Qualitätsstufe 1a
„Wenn es keine langen Schlechtwetterphasen mehr gibt, ist mit einem Ertrag wie im Vorjahr zu rechnen“, prognostiziert er. Ist es kühl, wächst der Spargel langsamer, aber an der Qualität schlage sich das kalte Wetter nicht nieder. „Nur die Nachtfröste machen Sorgen, die müssten nicht sein.“ Bis zu 140 Saisonarbeiter stechen zur Hochsaison bei Bauerle den Spargel. Was es heißt, diese schwere Arbeit zu verrichten, erfahren regelmäßig Besucher, die testweise beim Spargelstechen helfen. „Wenn sie hinterher zum Essen in den Besen kommen, sagen sie: Die Wertschätzung kommt erst raus, wenn man es selbst mal erfahren hat, was hinter einer Spargelkultur steckt.“
In einer Halle sortieren Mitarbeiter die frisch geernteten Stangen und machen sie marktfertig. Etwa 30 Prozent erreichen Qualitätsstufe 1a. Dafür sind Kriterien wie Dicke und Länge maßgeblich, aber auch, ob die Köpfe geschlossen (1a) oder geöffnet sind.
Sobald der bleiche Spargel mit der Spitze den dunklen Boden durchstößt, ist er fällig. „Wer rauskommt, wird gestochen“, verdeutlicht Bauerle die Ernteweise. Bis zu 15 Zentimeter kann Spargel täglich wachsen, je nach Wetter. Wenn die Spargelspitzen mit Sonne in Berührung kommen, werden sie erst blauviolett und schließlich grün. Spargel mit einer Lilafärbung lande nicht in den 1-a-Kisten, erläutert Bauerle. Obwohl er sehr gesund sein soll. Denn er enthält mehr Anthocyane: Pflanzenfarbstoffe, die zur lila Farbe führen und zu den Flavonoiden gehören. Diese sind für ihre antioxidative Wirkung bekannt, sollen freie Radikale auffangen können und vor Herz-Kreislauferkrankungen schützen.
Während hierzulande die lila Farbe auf viele abschreckend wirkt, ist dieser Spargel in Frankreich besonders beliebt. Auch der Anteil zwischen grünem und weißem Spargel variiert: Weltweit werden 80 Prozent grüner Spargel gegessen und nur 20 Prozent weißer. In Deutschland ist das Verhältnis in etwa umgekehrt, sagt Bauerle. Während auf dem deutschen Markt dicke Spargel ankommen, müssen sie zum Beispiel in Asien besonders dünn sein. Bauerle spricht wie ein Wengerter vom „Bodagfährtla“. Der Spargel vom Schmidender Feld wachse in einem „massiveren Gewebe“ als jener im feinkörnigen Sandboden. Geschmacklich findet Bauerle ihn „saftiger“, doch über Geschmäcker lässt sich trefflich philosophieren. Unbestritten ist: Spargel ist ein unerschöpfliches Thema, über das Bauerle sagt: „Es ist die schönste Kultur, die ich habe, Spargel ist Leben.“