Von Matthias Nothstein
WAIBLINGEN/GROSSERLACH. Ungefähr 600 Unterkunftsplätze musste der Rems-Murr-Kreis im März bereitstellen. Das konnte nur dadurch eben noch erreicht werden, indem kurzfristig zusätzliche Kapazitäten in verschiedenen bestehenden Unterkünften geschaffen und erstmals auf eine Zeltunterkunft zurückgegriffen wurde. So steht es im 6. Bericht des Koordinierungsstabs Flüchtlinge, der gestern bei der Kreistagssitzung in der Gemeindehalle Großerlach vorgestellt wurde. Damit ist der Kreis im März erstmals an seine Kapazitätsgrenze in den bestehenden Gemeinschafts- und Notunterkünften gelangt. Und er war gezwungen, ein Zelt in Kirchberg an der Murr mit 100 Personen zu belegen.
Ein Zelt und
eine Montagehalle
Insgesamt mussten im März an zwei Standorten jeweils 100 Flüchtlinge in Notunterkünften untergebracht werden: Das Zelt in Kirchberg und eine Montagehalle in Rudersberg. Beide Unterkünfte stellen – wie Turnhallen – nach wie vor eine zeitlich befristete Notlösung für Landrat Richard Sigel dar. Insgesamt befinden sich derzeit 1000 Flüchtlinge in Notunterkünften, deren Umlegung in geeignete Gemeinschaftsunterkünfte oberste Priorität hat.
Im letzten Bericht vom 29. Februar hatte der Koordinierungsstab bereits für den März die Hoffnung formuliert, dass die rückläufige Zahl neu in Baden-Württemberg ankommender Flüchtlinge zu einer Reduzierung der Aufnahmeverpflichtung führt. Einen Monat später als damals erhofft, hat das Land die Aufnahmeverpflichtung für den Rems-Murr-Kreis zu Beginn des Monats April von 161 Flüchtlingen auf wöchentlich 67 gesenkt. Damit habe sich die Entwicklung auf Landes- und Bundesebene endlich auch spürbar auf die Landkreise ausgewirkt. Die Reduzierung der wöchentlichen Aufnahmepflicht stellt für den Rems-Murr-Kreis eine dringend benötigte Entlastung dar.
Währenddessen sinkt die Zahl neu in Baden-Württemberg ankommender Flüchtlinge weiter. Im März kamen 3300 Flüchtlinge im Land an, was im Vergleich zu den 10000 im Februar noch einmal eine Reduzierung um zwei Drittel bedeutet. Nach Auskunft des Integrationsministeriums befinden sich in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen derzeit noch knapp 8000 Flüchtlinge. Laut Pressemittelung des Ministeriums sollen im Mai nur insgesamt 500 Flüchtlinge an alle 35 Landkreise und neun Stadtkreise zugewiesen werden.
Der Koordinierungsstab Flüchtlingsunterbringung begrüßt dieses Signal vom Land, ist sich aber bewusst, dass die Reduzierung der Verlegungszahl unter dem Vorbehalt steht, dass die Zahlen nicht wieder kurzfristig steigen. Ein kurzfristiger Zahlenanstieg lasst sich angesichts der möglichen Auswirkung des verbesserten Wetters und der unsicheren politischen Entwicklung auf europäischer Ebene nicht ausschließen.
Aktuelle Abschiebezahlen werden den Landkreisen vom Regierungspräsidium nur alle sechs Monate zur Verfügung gestellt und liegen daher aktuell nicht vor. Nach dem letzten Stand Ende 2015 wurden 107 Personen aus dem Rems-Murr-Kreis abgeschoben.
Neben den Notunterkünften konnten im März knapp 330 Flüchtlinge in eine auf Dauer geeignete Gemeinschaftsunterbringung aufgenommen werden.
Im April muss eine weitere Notunterkunft in Form einer Halle in Urbach mit 50 Flüchtlingen belegt werden. Mit Ausnahme dieser neuen Notunterkunft können die geforderten 67 Plätze pro Woche im April in auf Dauer geeigneten Gemeinschaftsunterkünften bereitgestellt werden. Die Notwendigkeit einer weiteren Notunterkunft in Urbach zeigt jedoch, dass die Kreisverwaltung trotz gesunkener Zuweisungszahlen im April noch keine Überkapazitäten schaffen, sondern lediglich auf das Belegen weiterer Zelte vorerst verzichten kann. Sollten sich durch die vom Land unter Vorbehalt angekündigten Zuweisungszahlen freie Betten in neu errichteten Gemeinschaftsunterkünften ergeben, wird der Kreis die Sporthallen sukzessive leeren. Landrat Sigel betont, dass bis zum Sommer mit Nachdruck an der Räumung der belegten Sporthallen gearbeitet wird sowie den Schulen und Vereinen Planungssicherheit für das kommende Winterhalbjahr verschafft werden soll.
Seit Ende Februar bis Mitte April wurden im Kreis folgende Unterkünfte neu eröffnet: Kirchberg (Zelt/100), Rudersberg (Gewerbehalle/100), Althütte (Gebäude/34), Fellbach (Wohncontaineranlage Futuretech/84) und Urbach (Turnhalle/50). In der Summe 368 Plätze.
Kreis bereitet sich weiter
auf 9000 Flüchtlinge vor
Der Grund für die positive Entwicklung der Aufnahmepflicht sind nicht global gesunkene Flüchtlingszahlen, sondern vielmehr die politischen Vereinbarungen mit der Türkei sowie die Schließung der sogenannten Balkanroute. In dem Bericht heißt es daher: „Der Rems-Murr-Kreis verlässt sich daher nicht auf eine langfristige Entlastung der Landkreise, sondern bereitet sich weiterhin auf bis zum Jahresende 9000 Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünften des Kreises vor. Wir können uns als Kreisverwaltung nicht darauf verlassen, dass die derzeitigen politischen Absprachen und Haltungen der einzelnen Staaten auf Dauer Bestand haben.“ Vielmehr bittet die Kreisverwaltung um Verständnis, dass weiterhin der Bau großer Gemeinschaftsunterkünfte verfolgt wird. Dies sei notwendig, um auf die weitere Entwicklung und die damit zusammenhängenden Flüchtlingsströme vorbereitetet zu sein. Sollte sich die Aufnahmepflicht mittel- und langfristig auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, kann der Landkreis umso schneller Notunterkünfte räumen. Das Landratsamt begrüßt das Verständnis der Gemeindeverwaltungen und die gemeinschaftlich getragene Planung, die sich nicht auf langfristig sinkende Flüchtlingszahlen verlässt.