Von Matthias Nothstein
WAIBLINGEN/SCHORNDORF.Als einstiger SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag hat Karl-Otto Völker den Streit um die Schließung der Kliniken von Backnang und Waiblingen hautnah miterlebt. Zumal er als ehemaliger AOK-Marketingleiter Experte auf dem Gebiet der Krankenhauslandschaft war. Nun geht Völker mit „den Herrschaften“ – damit meint er die zwölf Chefärzte – hart ins Gericht. Was sie schreiben würden, sei „völlig indiskutabel“. Der Schorndorfer schalt die Mediziner, sie würden nicht für solche Briefe bezahlt oder dafür, dass sie Schorndorf infrage stellten. Er hegte den bösen Verdacht, „dass die Winnender Ärzte die Konkurrenz aus Schorndorf fürchteten“.
In der Schorndorfer Zeitung wird der Bereichsleiter Intensivpflege Volkmar Kersten zitiert. Er dankt Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer für dessen klare Worte und sagt: „Ich möchte meine Fassungslosigkeit zum Ausdruck bringen über dieses skrupellose Verhalten dieser Herren. 800 Arbeitsplätze zu gefährden wegen teilweise persönlicher Animositäten halte ich für sanktionierenswert. Ich möchte mich bei meinen Mitarbeitern entschuldigen für diesen Schlag ins Gesicht und bedanken für eine unglaublich gute Arbeit auf der Schorndorfer Intensivstation.“
Geradezu persönlich getroffen reagiert auch Wolfgang Weigold. Der Schorndorfer Allgemeinmediziner, einstiger Klinikarzt und FDP/FW-Kreisrat ist der Vorsitzende des Freundeskreises der Rems-Murr-Klinik Schorndorf. „Ich bin maßlos enttäuscht über den Brief.“ Weigold, der einst engagiert für die Schließung von Backnang und Waiblingen gekämpft hatte, nennt jetzt die Idee, in Schorndorf ein Haus mit 90 Betten zu belassen, „einen Todesstoß“. Seine Folgerung: „Dann können sie das Haus gleich schließen.“
Peter Höschele ist ebenfalls Allgemeinmediziner in Rudersberg, Kreisrat der Grünen und Mitglied im Aufsichtsrat der Rems-Murr-Kliniken gGmbH. Er will den Chefärzten auf keinen Fall ihre Meinung verbieten, aber er geißelt den Zeitpunkt und die Art und Weise. „Es entspricht der Hybris dieser Chefärzte, so einen Brief zu schreiben. Sie benehmen sich, als hätten sie die Weisheit mit Löffel gefressen.“ Dabei sei das Treffen vor einigen Wochen mit Nickel und Sigel lediglich der Startschuss für die Erstellung des medizinischen Konzepts gewesen, „ein erster Baustein“. Höschele zeigte sich stark verärgert über das Umgehen des Aufsichtsrats, „dass man potenzielle Endergebnisse vorwegnimmt, bevor eine substanzielle Diskussion über das Konzept geführt wurde“. Den Ärzten schrieb er ins Stammbuch: „Es ist eine Anmaßung, politische Prozesse vorwegzunehmen, die Angestellten des Klinikums nicht zusteht.“
Ähnlich tadelte OB Matthias Klopfer: „Das steht ihnen nicht zu.“ Er betonte, dass der Kreis zwei Kliniken benötige und kündigte an, dass es der Schwerpunkt seiner politischen Tätigkeit in diesem Jahr sein werde, sich für den Erhalt des Standorts zu verkämpfen. Die Diskussionen um die künftige Medizinstrategie werden lang und schwierig sein, denn nach dem „unverantwortlichen“ Brief der Chefärzte sei „das Tischtuch nun zerschnitten“.
Angesichts der Tatsache, dass nun viele auf die Chefärzte einprügeln, gehört einiges dazu, diesen beizuspringen. Ingolf Hoellen macht es. Bis vor zwei Wochen war der Backnanger selbst Chefarzt der Unfallchirurgie in Winnenden. Nun erklärte der 65-jährige frisch gebackene Rentner: „Ich hätte den Brief auch unterschrieben. Wir reden viel über Geschichte, wir lernen aber nichts daraus.“ Hoellen spielt damit auf die Argumentation an, die bei der Schließung der Kliniken von Backnang und Waiblingen benutzt wurde. „Es hieß immer, kleine Häuser hätten keine Zukunftschancen. Schorndorf ist ein kleines Haus.“ Dass dort riesige Investitionen nötig sind, kommentiert Hoellen so: „Wir wurden jahrelang belogen und in die Irre geführt.“ Nun sei die Forderung nach der Schließung Schorndorfs „verantwortungsvoll in Bezug auf die Entwicklung des Zentralklinikums Winnenden“. Die Konzentration sei auch wegen der Forderung von Mindestmengen bei komplizierten Operationen erforderlich. Würden die Eingriffe in Schorndorf und Winnenden angeboten, kämen beide Häuser nicht auf die geforderten Zahlen. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln. Winnenden ist der Schwerpunktversorger und Schorndorf der Satellit. Schorndorf kann nicht ein kleines Winnenden werden.“ Es gehört nicht viel zu der Prognose, dass das Thema Kreiskrankenhaus Schorndorf die Öffentlichkeit noch lange beschäftigen wird. Heute bereits gibt es eine Pressekonferenz im Klinikum Winnenden. Klinik-Geschäftsführer Marc Nickel und Landrat Richard Sigel stehen dann Rede und Antwort. Und für morgen hat OB Matthias Klopfer die Presse geladen. Spätestens dann werden der klaren Worte nicht wenige fallen. Wie hat doch Weigold dieser Tage gesagt: „Dass Oberbürgermeister Klopfer bereits den Nopper macht, versteht sich von selbst.“