Von Matthias Nothstein
BACKNANG/WINNENDEN. Gäbe es den Titel des prägnantesten Chefarztes der Rems-Murr-Kliniken zu vergeben, Hoellen hätte den Wanderpokal wohl als Dauergabe in seinem Regal stehen. Wie wohl kein anderer prägte er die Geschicke des Backnanger Hospitals und setzte sich nach dessen Schließung dafür ein, dass der Neubau in Winnenden in die richtige Spur kommt. Landrat Richard Sigel dankte Hoellen für den unermüdlichen Einsatz für das Klinikum und die Patienten. Mehr lobende Worte gab es jedoch nicht, „den Rückblick hält mein legendärer Vorgänger Horst Lässing“. Sigel vermutete, dass Lässings Rede eine launige Angelegenheit werde und ergänzte ganz pragmatisch: „Das erspart mir einen Rückblick, weil ich einen Großteil Ihres Wirkens nicht miterlebt habe“.
Klinik-Geschäftsführer Marc Nickel hielt seine Laudatio ebenso recht kurz, „unsere Zusammenarbeit währte leider nicht allzu lange“. Er sagte: „Ich hab Sie als Mann klarer Worte erlebt, da habe ich das eine oder andere Mal geschluckt. Ich danke Ihnen für diese Offenheit.“ Nickel würdigte nicht nur die 19 Jahre vorbildlicher Leistung, sondern auch den Fakt, dass Hoellen, „als wir in der Not waren“, noch sechs Monate länger geschafft hat, als erforderlich gewesen wäre. Jetzt ist Nachfolger Christoph Riepl da, „nun können Sie loslassen“. In der Begrüßung hatte Nickel Respekt zum Ausdruck gebracht, dass Hoellen die medizinische Entwicklung der Rems-Murr-Kliniken betrieben und sich durch seine Fachkompetenz einen Namen gemacht habe.
Als Hoellen 1997 die Unfallchirurgie in Backnang übernahm, herrschte Uneinigkeit in der Abteilung. Nickel: „Sie mussten sehr viel glätten, um in die Erfolgsspur zu kommen.“ Die zweite große Herausforderung war der Umzug nach Winnenden. „Ich weiß, Sie waren erst gegen den Neubau. Aber als die Entscheidung getroffen war, haben Sie den Prozess voll unterstützt.“
Vergleiche mit Sitting Bull zog der Ärztliche Direktor Ralf Rauch. Und zwar nicht nur optische. Rötliche Haut, durchtrainierter Körper. Ebenso wie der berühmte Indianer-Häuptling habe der Chirurgie-Häuptling auch letztendlich die bedeutendste Schlacht verloren, bei Hoellen war es der Erhalt des Backnanger Krankenhauses. Sitting Bull musste danach ins Reservat. Rauch: „Du musstest nach Winnenden.“
Alt-Landrat Horst Lässing lobte besonders, dass Hoellen schon in der schwierigen Anfangsphase ein neues Leistungs- und Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen konnte, „wir brauchten ein Krankenhaus des Miteinanders“. Ausführlich widmete sich Lässing den Problemen, die die Klinik mit Hoellens Vorgänger hatte. Für ihn war klar, „dass wir einen überzeugenden Nachfolger finden mussten“. Das ist gelungen.
Dass auch Robert Antretter sprach, obwohl im Programm gar nicht vorgesehen, war der Herzenswunsch von Hoellens Ehefrau Gisela. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete hat sein ganzes Leben lang schon bewiesen, ein gutes Gespür für Menschen zu haben. Und so thematisierte er das Spannungsfeld zwischen der Beachtung der Würde des Menschen und der Funktion als Chef vieler Mitarbeiter. Er nannte Hoellen eine Ikone der Chirurgie und fragte: „Was ist es, was Menschen wie Sie so wichtig und auch Orientierung gebend für unser Zusammenleben macht?“ Der Ethiker schob die Antwort gleich hinterher: „Das ist die gleiche Augenhöhe mit Ihren Mitmenschen. Sie können sich Nähe leisten, weil Sie Autorität haben. Ich meine nicht die Autorität des Titels, sondern die der Menschlichkeit und des Könnens.“
Der so Gelobte dankte allen Wegbegleitern und beleuchtete gewohnt kritisch die Entwicklung der Medizin. „Es gibt Verbesserungen in allen Bereichen, die Menschen werden dank moderner Medizin immer älter.“ Als Beispiel erinnerte er daran, dass ein Schenkelhalsbruch früher das Todesurteil bedeutete. Heute würden 100-Jährige operiert und könnten wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück. Leider würden die Vorteile der modernen Medizin vor der Diskussion um die Kosten immer erst an zweiter Stelle genannt und die Mediziner als Kostentreiber beschimpft. Er kritisierte die Dokumentationswut und fragte sich: „Haben wir vor 30 oder 40 Jahren nur Mist gemacht?“
Nun fragte sich Hoellen am Ende seiner Amtszeit: „Was bleibt?“ Neben der Erinnerung an den erfolgreichen Aufbau in Backnang in erster Linie die jahrelange Diskussion um die Neuorientierung der Rems-Murr-Kliniken. Die Diskussion sei nicht immer sachlich gewesen. „Insbesondere uns in Backnang hat die Argumentation eines führenden Kreisvertreters, dass man endlich mit der Pflästerlesmedizin aufhören muss, tief getroffen.“ Der führende Kreisvertreter war Ex-Landrat Johannes Fuchs. Er ist derjenige Landrat, der Hoellens Arbeit am längsten, nämlich 13 Jahre lang begleitet hat. Bei der Verabschiedung war er nicht zugegen.