Von Renate Häussermann
ASPACH. Auf dem Podest der Metalltreppe an der Containeranlage in Großaspach spielen kleine Kinder. Sie hüpfen und tollen umher. Immer wieder kommen sie den Stufen gefährlich nahe. Sie würden dann über die Höhe eines Stockwerks über etliche Stufen geradewegs in die Tiefe fallen. Ein abschließbares Türchen würde Abhilfe schaffen. So wie man es in nahezu jedem deutschen Privathaushalt mit Kleinkindern findet.
Nein, ein Türchen ist an dieser Stelle nicht möglich, erfahren die Begleiter des landrätlichen Besuchs. Denn diese Treppe gilt als Fluchtweg. Die Flüchtlingsbetreuer der Initiative Awia („Asylbewerber willkommen in Aspach“) müssen ein weiteres Mal erfahren, wie schwerfällig die Behördenmühlen mahlen.
Die Containeranlage in der Marbacher Straße ist eine Baustelle. Seit einigen Wochen leben darin 65 Personen. Die Hälfte von ihnen – Männer aus Syrien und Gambia – war zuvor in der Turnhalle bei der Großaspacher Schule untergebracht. „Wir haben hier wunderbare Leute“, sagt Awia-Sprecherin Hannah Nothstein. Vor allem die Syrer sind stark an der Integration interessiert, büffeln Deutsch, engagieren sich in Vereinen und Kirchen, haben Kontakte zu Aspachern und auch kleinere Jobs.
Seit die Flüchtlinge in die Container eingezogen sind, hat sich an der Baustelle nicht viel verändert. Wenn es regnet, gehen die Menschen durch den Dreck. Es kam die Idee auf, dass die Männer sich an der Gestaltung der Außenanlagen beteiligen. Doch sie mussten erfahren, dass das wegen des Versicherungsschutzes nicht möglich ist.
Von Awia-Seite kommt der Vorschlag, einen Gruppenversicherungsvertrag abzuschließen, so wie es ihn für Schulen und Vereine gibt. Jeder Asylbewerber hätte 20 Euro zu bezahlen und wäre dann versichert. Für Landrat Sigel ist diese Möglichkeit neu. Doch er verspricht: „Wenn das funktioniert, dann machen wir das.“
„Wenn wir das amtlicherseits leisten müssten, bräuchten wir das Dreifache an Personal“, lobt Bürgermeister Hans-Jörg Weinbrenner das ehrenamtliche Engagement von Awia. Und der Kreischef schließt sich an: „Ein großes Dankeschön an die Ehrenamtlichen, ohne sie könnten wir vieles nicht leisten.“
Ehrenamtliche wünschen sich
mehr Unterstützung
Doch da kommt sofort der Konter: „Wenn wir mehr Unterstützung bekämen, könnten wir noch viel mehr schaffen“, beklagt Awia-Mitarbeiterin Natascha Husseini die alltäglichen Erschwernisse. Neun Problempunkte hat Awia für den Landrat aufgelistet, beginnend mit den verzögerten Asylverfahren über die Postverteilung bis hin zur Sprachförderung. Doch bei vielem ist auch der Landrat überfragt. „Vielleicht können Sie auch nur Ihren Einfluss geltend machen“, schlägt Rolf Janert (Awia) vor. Aktuelles Beispiel: Wochenlang hatte man auf einen Bauzaun an der Containeranlage gewartet. Kurz bevor der Landratsbesuch anstand, klappte es plötzlich.
Nach Sigels Worten bekam der Rems-Murr-Kreis bis dato ungefähr 5300 Flüchtlinge zugewiesen, davon 3000 Menschen allein in acht Monaten. Es fehle an allen Ecken und Enden an Sozialarbeitern. „Wir haben offene Stellen, aber keine geeigneten Bewerber.“
65 Flüchtlinge hat der Landkreis in der Containeranlage untergebracht, weitere 40 Asylbewerber in der alten Turnhalle. An erster Stelle der Integration steht die Sprache. Die seit Oktober in Aspach lebenden rund 30 Syrer haben die Sprachkurse in Anspruch genommen und auch gute Fortschritte gemacht. Nun sind diese Kurse beendet. Wer weitermachen möchte – und das ist der überwiegende Teil – muss dazu einen achtseitigen Antrag ausfüllen. Entscheiden wird darüber das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wie lange das dauert, vermag niemand zu sagen.