Von Armin Fechter
WAIBLINGEN. „Ein tolles Angebot“, findet Landrat Dr. Richard Sigel. Kinder, die eine Ader für technische Aufgaben haben, könnten auf diese Weise früher als bisher gezielt gefördert werden. Profitieren würden gerade auch Mädchen, weil 13-Jährige noch nicht die Angst vor Technik haben, die ihnen wegen fehlender Förderung später oftmals anerzogen wird. Im Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschuss des Kreistags stellte sich Sigel daher ohne Vorbehalte hinter die Idee.
Auch Dr. Michael Vogt versuchte den Kreisräten das neue Angebot schmackhaft zu machen. „Die Schulen entwickeln sich dynamisch weiter“, nahm der Geschäftsbereichsleiter Schulen, Bildung, Kultur Schwung auf. Es handle sich um einen Bildungsgang, den private Einrichtungen nicht bieten könnten, weil für das Profilfach Technik Werkstätten gebraucht würden – und die gibt es an der Gewerblichen Schule in Waiblingen. Das sechsjährige TG soll zudem kostenneutral und – zumindest vorerst – nur einzügig eingerichtet werden. Dazu soll die Oberstufe des Technischen Gymnasiums einen ihrer bislang vier Züge abgeben.
Allerdings soll es das neue Angebot noch nicht ab dem nächsten Schuljahr geben, schränkte Vogt ein: „Das ist ein längerer Weg.“ Doch es gelte jetzt mit einer entsprechenden Beschlussfassung die Chance zu ergreifen, die das Regierungspräsidium als Herr des Verfahrens dem Landkreis eröffnet hat.
Vogt erinnerte daran, dass ein sechsjähriges berufliches Gymnasium schon bei der Verabschiedung des Schulentwicklungsplans 2010 ein dringender Wunsch gewesen sei. Danach habe das Kultusministerium aber aus politischen Gründen keine Neueinrichtung mehr genehmigt. Inzwischen sei wieder Bewegung in die Diskussion gekommen. SPD-Kreisrat Jürgen Hestler fühlte sich dabei „hin- und hergerissen“. Einerseits sei das Vorhaben ja schon dazu angetan, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Andererseits könnten die Realschulen dann klagen, dass sie die besten Schüler verlören. „Wie sehen es die Waiblinger Schulen?“, fragte er und bezweifelte, ob es sinnvoll sei, 13-Jährige von weither anreisen zu lassen, auch wenn als Einzugsgebiet der ganze Landkreis gedacht ist.
Das Angebot zu schaffen, habe einen gewissen Charme, bekundete Reinhold Sczuka (CDU). Aber auch er sieht sich in seiner Euphorie gebremst, nicht zuletzt mit Blick auf die regionale Schulentwicklung. Für Waiblingen stelle dies daher „eine besondere Thematik“ dar.
Andreas Hesky (Freie Wähler) befürchtet, dass das Angebot die Verwirrung unter den Eltern noch vergrößern könnte, weil dann neben allen bestehenden Varianten ein weiterer Weg zum Abitur führt. Der Waiblinger Oberbürgermeister forderte die Kreisverwaltung dazu auf, vor einem Beschluss das Gespräch mit den anderen Schulen zu suchen, „sonst werden Widerstände ausgelöst“.
Ulrich Lenk (FDP/FW) findet derweil, das Angebot sei überschaubar und stelle keineswegs das Schulwesen in Waiblingen auf den Kopf. Es stärke vielmehr die Gewerbliche Schule in ihrem Profil.
Dagegen findet es Christian Throm (AfD) fragwürdig, in Zeiten rückläufiger Schülerzahlen zusätzliche Angebote zu schaffen. Schon jetzt sei es schwer genug, an den Gymnasien die Vielfalt an Kursen aufrecht zu erhalten, die erforderlich sei, um attraktiv zu bleiben. Er warnte vor einem „gefährlichen Präjudiz“. Es drohe womöglich eine Rückentwicklung bestehender Gymnasien zu Progymnasien.
Ganz anders CDU-Kreisrat Dr. Gerhard Ketterer: Die Technik habe in der Bildung noch nicht den Stellenwert, den sie brauche. Mit einem sechsjährigen TG bekomme sie aber mehr Gewicht. Auf jeden Fall, so Amtsleiter Vogt, stelle es „mehr als das NwT-Angebot“ an allgemeinbildenden Gymnasien dar. Einem Gespräch mit den Schulleitern, wie von Hesky vorgeschlagen, stehe nichts im Wege, zumal für das Votum des Landkreises bis zur Kreistagssitzung am 18. April Zeit ist, wie Landrat Sigel sagte.